Bedencken, dieselben zu schiessen, und als vortreffli- che Lecker-Bissen zu verzehren, worbey wir eine ge- wisse Wurtzel, die unsere Jndianer in ziemlicher Menge fanden, an statt des Brodts gebrauchten. Nechst diesen liessen sich auch etliche Vögel sehen, die wir ebenfalls schossen, und mit grösten Appetit ver- zehreten, anbey das Fleisch der vierfüßigen Thiere dörreten, und auf den Nothfall spareten.
Jch konte meine Gefährten, ohngeacht sie mich einhellig vor ihr Ober-Haupt erkläreten, durchaus nicht bereden, die Rück-Fahrt nach St. Michael vorzunehmen, weil ihnen allezeit ein Grausen an- kam, so offt sie an die gefährlichen Klippen und stürmende See gedachten, derowegen fuhren wir immer gerades Weges vor uns von einer kleinen Jnsul zur andern, biß uns endlich das Glück auf eine ziemlich grosse führete, die mit Menschen be- setzt war. Selbige kamen häuffig herzu, und sa- hen uns Elenden, die wir durch 19. tägige Schiff- Fahrt gantz krafftloß und ziemlich ausgehungert waren, mit gröster Verwunderung zu Lande stei- gen, machten aber dieserwegen nicht die geringste grimmige Gebärden, sondern hätten uns vielleicht gar als Götter angebethet, wenn unsere zwey Jn- dianer ihnen nicht bedeutet hätten, daß wir arme verirrete Menschen wären, die lauter Liebe und Freundschafft gegen sie bezeugen würden, wofer- ne man uns nur erlaubte, allhier auszuruhen, und unsere hungerigen Magen mit einigen Früchten zu befriedigen. Ob nun schon die Einwohner der un- sern Sprache nicht völlig verstunden, sondern das meiste durch Zeichen errathen musten, so erzeigten
sich
Bedencken, dieſelben zu ſchieſſen, und als vortreffli- che Lecker-Biſſen zu verzehren, worbey wir eine ge- wiſſe Wurtzel, die unſere Jndianer in ziemlicher Menge fanden, an ſtatt des Brodts gebrauchten. Nechſt dieſen lieſſen ſich auch etliche Voͤgel ſehen, die wir ebenfalls ſchoſſen, und mit groͤſten Appetit ver- zehreten, anbey das Fleiſch der vierfuͤßigen Thiere doͤrreten, und auf den Nothfall ſpareten.
Jch konte meine Gefaͤhrten, ohngeacht ſie mich einhellig vor ihr Ober-Haupt erklaͤreten, durchaus nicht bereden, die Ruͤck-Fahrt nach St. Michaël vorzunehmen, weil ihnen allezeit ein Grauſen an- kam, ſo offt ſie an die gefaͤhrlichen Klippen und ſtuͤrmende See gedachten, derowegen fuhren wir immer gerades Weges vor uns von einer kleinen Jnſul zur andern, biß uns endlich das Gluͤck auf eine ziemlich groſſe fuͤhrete, die mit Menſchen be- ſetzt war. Selbige kamen haͤuffig herzu, und ſa- hen uns Elenden, die wir durch 19. taͤgige Schiff- Fahrt gantz krafftloß und ziemlich ausgehungert waren, mit groͤſter Verwunderung zu Lande ſtei- gen, machten aber dieſerwegen nicht die geringſte grimmige Gebaͤrden, ſondern haͤtten uns vielleicht gar als Goͤtter angebethet, wenn unſere zwey Jn- dianer ihnen nicht bedeutet haͤtten, daß wir arme verirrete Menſchen waͤren, die lauter Liebe und Freundſchafft gegen ſie bezeugen wuͤrden, wofer- ne man uns nur erlaubte, allhier auszuruhen, und unſere hungerigen Magen mit einigen Fruͤchten zu befriedigen. Ob nun ſchon die Einwohner der un- ſern Sprache nicht voͤllig verſtunden, ſondern das meiſte durch Zeichen errathen muſten, ſo erzeigten
ſich
<TEI><text><back><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0588"n="574"/>
Bedencken, dieſelben zu ſchieſſen, und als vortreffli-<lb/>
che Lecker-Biſſen zu verzehren, worbey wir eine ge-<lb/>
wiſſe Wurtzel, die unſere Jndianer in ziemlicher<lb/>
Menge fanden, an ſtatt des Brodts gebrauchten.<lb/>
Nechſt dieſen lieſſen ſich auch etliche Voͤgel ſehen, die<lb/>
wir ebenfalls ſchoſſen, und mit groͤſten Appetit ver-<lb/>
zehreten, anbey das Fleiſch der vierfuͤßigen Thiere<lb/>
doͤrreten, und auf den Nothfall ſpareten.</p><lb/><p>Jch konte meine Gefaͤhrten, ohngeacht ſie mich<lb/>
einhellig vor ihr Ober-Haupt erklaͤreten, durchaus<lb/>
nicht bereden, die Ruͤck-Fahrt nach <hirendition="#aq">St. Michaël</hi><lb/>
vorzunehmen, weil ihnen allezeit ein Grauſen an-<lb/>
kam, ſo offt ſie an die gefaͤhrlichen Klippen und<lb/>ſtuͤrmende See gedachten, derowegen fuhren wir<lb/>
immer gerades Weges vor uns von einer kleinen<lb/>
Jnſul zur andern, biß uns endlich das Gluͤck auf<lb/>
eine ziemlich groſſe fuͤhrete, die mit Menſchen be-<lb/>ſetzt war. Selbige kamen haͤuffig herzu, und ſa-<lb/>
hen uns Elenden, die wir durch 19. taͤgige Schiff-<lb/>
Fahrt gantz krafftloß und ziemlich ausgehungert<lb/>
waren, mit groͤſter Verwunderung zu Lande ſtei-<lb/>
gen, machten aber dieſerwegen nicht die geringſte<lb/>
grimmige Gebaͤrden, ſondern haͤtten uns vielleicht<lb/>
gar als Goͤtter angebethet, wenn unſere zwey Jn-<lb/>
dianer ihnen nicht bedeutet haͤtten, daß wir arme<lb/>
verirrete Menſchen waͤren, die lauter Liebe und<lb/>
Freundſchafft gegen ſie bezeugen wuͤrden, wofer-<lb/>
ne man uns nur erlaubte, allhier auszuruhen, und<lb/>
unſere hungerigen Magen mit einigen Fruͤchten zu<lb/>
befriedigen. Ob nun ſchon die Einwohner der un-<lb/>ſern Sprache nicht voͤllig verſtunden, ſondern das<lb/>
meiſte durch Zeichen errathen muſten, ſo erzeigten<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſich</fw><lb/></p></div></div></back></text></TEI>
[574/0588]
Bedencken, dieſelben zu ſchieſſen, und als vortreffli-
che Lecker-Biſſen zu verzehren, worbey wir eine ge-
wiſſe Wurtzel, die unſere Jndianer in ziemlicher
Menge fanden, an ſtatt des Brodts gebrauchten.
Nechſt dieſen lieſſen ſich auch etliche Voͤgel ſehen, die
wir ebenfalls ſchoſſen, und mit groͤſten Appetit ver-
zehreten, anbey das Fleiſch der vierfuͤßigen Thiere
doͤrreten, und auf den Nothfall ſpareten.
Jch konte meine Gefaͤhrten, ohngeacht ſie mich
einhellig vor ihr Ober-Haupt erklaͤreten, durchaus
nicht bereden, die Ruͤck-Fahrt nach St. Michaël
vorzunehmen, weil ihnen allezeit ein Grauſen an-
kam, ſo offt ſie an die gefaͤhrlichen Klippen und
ſtuͤrmende See gedachten, derowegen fuhren wir
immer gerades Weges vor uns von einer kleinen
Jnſul zur andern, biß uns endlich das Gluͤck auf
eine ziemlich groſſe fuͤhrete, die mit Menſchen be-
ſetzt war. Selbige kamen haͤuffig herzu, und ſa-
hen uns Elenden, die wir durch 19. taͤgige Schiff-
Fahrt gantz krafftloß und ziemlich ausgehungert
waren, mit groͤſter Verwunderung zu Lande ſtei-
gen, machten aber dieſerwegen nicht die geringſte
grimmige Gebaͤrden, ſondern haͤtten uns vielleicht
gar als Goͤtter angebethet, wenn unſere zwey Jn-
dianer ihnen nicht bedeutet haͤtten, daß wir arme
verirrete Menſchen waͤren, die lauter Liebe und
Freundſchafft gegen ſie bezeugen wuͤrden, wofer-
ne man uns nur erlaubte, allhier auszuruhen, und
unſere hungerigen Magen mit einigen Fruͤchten zu
befriedigen. Ob nun ſchon die Einwohner der un-
ſern Sprache nicht voͤllig verſtunden, ſondern das
meiſte durch Zeichen errathen muſten, ſo erzeigten
ſich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 574. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/588>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.