Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

lich, ja nur menschlich mit ihnen umgehen werden,
ein weit grösseres Glück und Reichthum vor uns
aufgehaben seyn kan, als wir in den bißherigen
Landschafften empfunden haben. Kommen wir
aber ja im Sturme um, oder werden ein Schlacht-
Opffer vieler Menschen, was ists mehr? Denn
wir müssen eben dergleichen Unglücks auf der Rück-
Fahrt nach St. Michael und in den Ländern der
falsch-gesinneten Könige gewärtig seyn.

Jch wuste wieder diese ziemlich vernünfftige und
sehr tapffermüthige Rede nicht das geringste ein-
zuwenden, weßwegen ich dieses mahl meinen Ge-
fährten nachgab, und alles zur baldigen Abfahrt
veranstalten ließ.

Der Abschied von dem König Madan und seinen
von Natur recht redlichen Unterthanen gieng mir
warhafftig ungemein nahe, zumahlen, da diesel-
ben auf die letzte fast mehr Speise-Vorrath herzu
brachten, als wir in unsere kleinen Schiffe einladen
konten, einer aber von ihnen, der vom ersten Ta-
ge an beständig um mich gewesen war, fing bit-
terlich zu weinen an, und bat, sonderlich da er ver-
nahm, wie ich auf dem Rück wege allhier wiederum
ansprechen wolte, ich möchte ihm vergönnen, daß
er mit uns reisen dürffte, welches ich ihm denn
auch mit grösten Vergnügen erlaubte. Er war
ein Mensch von etwa 24. Jahren, wohl gewachsen
und eines recht seinen Ansehens, zumahlen, da er
erstlich etliche Kleidungs-Stück auf den Leid be-
kam, sein Nahme hieß Chascal, welchen ich aber
nachhero, da er den christlichen Glauben annahm,

und

lich, ja nur menſchlich mit ihnen umgehen werden,
ein weit groͤſſeres Gluͤck und Reichthum vor uns
aufgehaben ſeyn kan, als wir in den bißherigen
Landſchafften empfunden haben. Kommen wir
aber ja im Sturme um, oder werden ein Schlacht-
Opffer vieler Menſchen, was iſts mehr? Denn
wir muͤſſen eben dergleichen Ungluͤcks auf der Ruͤck-
Fahrt nach St. Michael und in den Laͤndern der
falſch-geſinneten Koͤnige gewaͤrtig ſeyn.

Jch wuſte wieder dieſe ziemlich vernuͤnfftige und
ſehr tapffermuͤthige Rede nicht das geringſte ein-
zuwenden, weßwegen ich dieſes mahl meinen Ge-
faͤhrten nachgab, und alles zur baldigen Abfahrt
veranſtalten ließ.

Der Abſchied von dem Koͤnig Madan und ſeinen
von Natur recht redlichen Unterthanen gieng mir
warhafftig ungemein nahe, zumahlen, da dieſel-
ben auf die letzte faſt mehr Speiſe-Vorrath herzu
brachten, als wir in unſere kleinen Schiffe einladen
konten, einer aber von ihnen, der vom erſten Ta-
ge an beſtaͤndig um mich geweſen war, fing bit-
terlich zu weinen an, und bat, ſonderlich da er ver-
nahm, wie ich auf dem Ruͤck wege allhier wiederum
anſprechen wolte, ich moͤchte ihm vergoͤnnen, daß
er mit uns reiſen duͤrffte, welches ich ihm denn
auch mit groͤſten Vergnuͤgen erlaubte. Er war
ein Menſch von etwa 24. Jahren, wohl gewachſen
und eines recht ſeinen Anſehens, zumahlen, da er
erſtlich etliche Kleidungs-Stuͤck auf den Leid be-
kam, ſein Nahme hieß Chaſcal, welchen ich aber
nachhero, da er den chriſtlichen Glauben annahm,

und
<TEI>
  <text>
    <back>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0592" n="578"/>
lich, ja nur men&#x017F;chlich mit ihnen umgehen werden,<lb/>
ein weit gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;eres Glu&#x0364;ck und Reichthum vor uns<lb/>
aufgehaben &#x017F;eyn kan, als wir in den bißherigen<lb/>
Land&#x017F;chafften empfunden haben. Kommen wir<lb/>
aber ja im Sturme um, oder werden ein Schlacht-<lb/>
Opffer vieler Men&#x017F;chen, was i&#x017F;ts mehr? Denn<lb/>
wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en eben dergleichen Unglu&#x0364;cks auf der Ru&#x0364;ck-<lb/>
Fahrt nach <hi rendition="#aq">St. Michael</hi> und in den La&#x0364;ndern der<lb/>
fal&#x017F;ch-ge&#x017F;inneten Ko&#x0364;nige gewa&#x0364;rtig &#x017F;eyn.</p><lb/>
          <p>Jch wu&#x017F;te wieder die&#x017F;e ziemlich vernu&#x0364;nfftige und<lb/>
&#x017F;ehr tapffermu&#x0364;thige Rede nicht das gering&#x017F;te ein-<lb/>
zuwenden, weßwegen ich die&#x017F;es mahl meinen Ge-<lb/>
fa&#x0364;hrten nachgab, und alles zur baldigen Abfahrt<lb/>
veran&#x017F;talten ließ.</p><lb/>
          <p>Der Ab&#x017F;chied von dem Ko&#x0364;nig <hi rendition="#aq">Madan</hi> und &#x017F;einen<lb/>
von Natur recht redlichen Unterthanen gieng mir<lb/>
warhafftig ungemein nahe, zumahlen, da die&#x017F;el-<lb/>
ben auf die letzte fa&#x017F;t mehr Spei&#x017F;e-Vorrath herzu<lb/>
brachten, als wir in un&#x017F;ere kleinen Schiffe einladen<lb/>
konten, einer aber von ihnen, der vom er&#x017F;ten Ta-<lb/>
ge an be&#x017F;ta&#x0364;ndig um mich gewe&#x017F;en war, fing bit-<lb/>
terlich zu weinen an, und bat, &#x017F;onderlich da er ver-<lb/>
nahm, wie ich auf dem Ru&#x0364;ck wege allhier wiederum<lb/>
an&#x017F;prechen wolte, ich mo&#x0364;chte ihm vergo&#x0364;nnen, daß<lb/>
er mit uns rei&#x017F;en du&#x0364;rffte, welches ich ihm denn<lb/>
auch mit gro&#x0364;&#x017F;ten Vergnu&#x0364;gen erlaubte. Er war<lb/>
ein Men&#x017F;ch von etwa 24. Jahren, wohl gewach&#x017F;en<lb/>
und eines recht &#x017F;einen An&#x017F;ehens, zumahlen, da er<lb/>
er&#x017F;tlich etliche Kleidungs-Stu&#x0364;ck auf den Leid be-<lb/>
kam, &#x017F;ein Nahme hieß <hi rendition="#aq">Cha&#x017F;cal,</hi> welchen ich aber<lb/>
nachhero, da er den chri&#x017F;tlichen Glauben annahm,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </back>
  </text>
</TEI>
[578/0592] lich, ja nur menſchlich mit ihnen umgehen werden, ein weit groͤſſeres Gluͤck und Reichthum vor uns aufgehaben ſeyn kan, als wir in den bißherigen Landſchafften empfunden haben. Kommen wir aber ja im Sturme um, oder werden ein Schlacht- Opffer vieler Menſchen, was iſts mehr? Denn wir muͤſſen eben dergleichen Ungluͤcks auf der Ruͤck- Fahrt nach St. Michael und in den Laͤndern der falſch-geſinneten Koͤnige gewaͤrtig ſeyn. Jch wuſte wieder dieſe ziemlich vernuͤnfftige und ſehr tapffermuͤthige Rede nicht das geringſte ein- zuwenden, weßwegen ich dieſes mahl meinen Ge- faͤhrten nachgab, und alles zur baldigen Abfahrt veranſtalten ließ. Der Abſchied von dem Koͤnig Madan und ſeinen von Natur recht redlichen Unterthanen gieng mir warhafftig ungemein nahe, zumahlen, da dieſel- ben auf die letzte faſt mehr Speiſe-Vorrath herzu brachten, als wir in unſere kleinen Schiffe einladen konten, einer aber von ihnen, der vom erſten Ta- ge an beſtaͤndig um mich geweſen war, fing bit- terlich zu weinen an, und bat, ſonderlich da er ver- nahm, wie ich auf dem Ruͤck wege allhier wiederum anſprechen wolte, ich moͤchte ihm vergoͤnnen, daß er mit uns reiſen duͤrffte, welches ich ihm denn auch mit groͤſten Vergnuͤgen erlaubte. Er war ein Menſch von etwa 24. Jahren, wohl gewachſen und eines recht ſeinen Anſehens, zumahlen, da er erſtlich etliche Kleidungs-Stuͤck auf den Leid be- kam, ſein Nahme hieß Chaſcal, welchen ich aber nachhero, da er den chriſtlichen Glauben annahm, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/592
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 578. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/592>, abgerufen am 22.11.2024.