gen lebendigen Menschen darinnen gefunden hätten. Jch ließ mich bereden, unser sehr beschädigtes Schiff dahin zu sühren, und fand mit gröster Verwunde- rung, daß es die lautere Wahrheit sey. Wir bestie- gen dasselbe, und wurden ziemlichen starcken Vor- rath von Wein, Zwieback, geräucherten Fleische und andern Lebens-Mitteln darinnen gewahr, ohne was in andern Ballen und Fässern verwahret war, die noch zur Zeit niemand eröffnen durffte. Tieffer ins Land hinein wolte sich keiner wagen, indem man von den höchsten Felsen-Spitzen weit und breit son- sten nichts als lauter Wüsteney erblickte, derowegen wurde beschlossen, unser Schiff, so gut als möglich, auszubessern, damit, wenn die Europäer zurück kä- men, und uns allenfalls nicht in das Jhrige aufneh- men wolten oder könten, wir dennoch in ihrer Gesell- schafft weiter mitfeegeln möchten.
Allein, nachdem wir mit allem fertig waren, und einen gantzen Monath lang auf die Zurück- kunfft der Europäer vergeblich gewartet hatten, machten meine Gefährten die Auslegung, daß die- selben ohnfehlbar sich zu tieff ins Land hinein ge- wagt, und nach und nach ihren Untergang erreicht hätten, weßwegen sie vors allerklügste hielten, wenn wir uns das köstliche Schiff nebst seiner gan- tzen Ladung zueigneten, und mit selbigen davon führen. Jch setzte mich starck wider diesen See- räuberischen Streich, konte aber nichts ausrichten, indem alle einen Sinn hatten, und alle unsere Sachen in möglichster Eil in das grosse Schiff einbrachten, wolte ich also nicht alleine an einem
wüsten
gen lebendigen Menſchen darinnen gefunden haͤtten. Jch ließ mich bereden, unſer ſehr beſchaͤdigtes Schiff dahin zu ſuͤhren, und fand mit groͤſter Verwunde- rung, daß es die lautere Wahrheit ſey. Wir beſtie- gen daſſelbe, und wurden ziemlichen ſtarcken Vor- rath von Wein, Zwieback, geraͤucherten Fleiſche und andern Lebens-Mitteln darinnen gewahr, ohne was in andern Ballen und Faͤſſern verwahret war, die noch zur Zeit niemand eroͤffnen durffte. Tieffer ins Land hinein wolte ſich keiner wagen, indem man von den hoͤchſten Felſen-Spitzen weit und breit ſon- ſten nichts als lauter Wuͤſteney erblickte, derowegen wurde beſchloſſen, unſer Schiff, ſo gut als moͤglich, auszubeſſern, damit, wenn die Europaͤer zuruͤck kaͤ- men, und uns allenfalls nicht in das Jhrige aufneh- men wolten oder koͤnten, wir dennoch in ihrer Geſell- ſchafft weiter mitfeegeln moͤchten.
Allein, nachdem wir mit allem fertig waren, und einen gantzen Monath lang auf die Zuruͤck- kunfft der Europaͤer vergeblich gewartet hatten, machten meine Gefaͤhrten die Auslegung, daß die- ſelben ohnfehlbar ſich zu tieff ins Land hinein ge- wagt, und nach und nach ihren Untergang erreicht haͤtten, weßwegen ſie vors allerkluͤgſte hielten, wenn wir uns das koͤſtliche Schiff nebſt ſeiner gan- tzen Ladung zueigneten, und mit ſelbigen davon fuͤhren. Jch ſetzte mich ſtarck wider dieſen See- raͤuberiſchen Streich, konte aber nichts ausrichten, indem alle einen Sinn hatten, und alle unſere Sachen in moͤglichſter Eil in das groſſe Schiff einbrachten, wolte ich alſo nicht alleine an einem
wuͤſten
<TEI><text><back><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0598"n="584"/>
gen lebendigen Menſchen darinnen gefunden haͤtten.<lb/>
Jch ließ mich bereden, unſer ſehr beſchaͤdigtes Schiff<lb/>
dahin zu ſuͤhren, und fand mit groͤſter Verwunde-<lb/>
rung, daß es die lautere Wahrheit ſey. Wir beſtie-<lb/>
gen daſſelbe, und wurden ziemlichen ſtarcken Vor-<lb/>
rath von Wein, Zwieback, geraͤucherten Fleiſche<lb/>
und andern Lebens-Mitteln darinnen gewahr, ohne<lb/>
was in andern Ballen und Faͤſſern verwahret war,<lb/>
die noch zur Zeit niemand eroͤffnen durffte. Tieffer<lb/>
ins Land hinein wolte ſich keiner wagen, indem man<lb/>
von den hoͤchſten Felſen-Spitzen weit und breit ſon-<lb/>ſten nichts als lauter Wuͤſteney erblickte, derowegen<lb/>
wurde beſchloſſen, unſer Schiff, ſo gut als moͤglich,<lb/>
auszubeſſern, damit, wenn die Europaͤer zuruͤck kaͤ-<lb/>
men, und uns allenfalls nicht in das Jhrige aufneh-<lb/>
men wolten oder koͤnten, wir dennoch in ihrer Geſell-<lb/>ſchafft weiter mitfeegeln moͤchten.</p><lb/><p>Allein, nachdem wir mit allem fertig waren,<lb/>
und einen gantzen Monath lang auf die Zuruͤck-<lb/>
kunfft der Europaͤer vergeblich gewartet hatten,<lb/>
machten meine Gefaͤhrten die Auslegung, daß die-<lb/>ſelben ohnfehlbar ſich zu tieff ins Land hinein ge-<lb/>
wagt, und nach und nach ihren Untergang erreicht<lb/>
haͤtten, weßwegen ſie vors allerkluͤgſte hielten,<lb/>
wenn wir uns das koͤſtliche Schiff nebſt ſeiner gan-<lb/>
tzen Ladung zueigneten, und mit ſelbigen davon<lb/>
fuͤhren. Jch ſetzte mich ſtarck wider dieſen See-<lb/>
raͤuberiſchen Streich, konte aber nichts ausrichten,<lb/>
indem alle einen Sinn hatten, und alle unſere<lb/>
Sachen in moͤglichſter Eil in das groſſe Schiff<lb/>
einbrachten, wolte ich alſo nicht alleine an einem<lb/><fwplace="bottom"type="catch">wuͤſten</fw><lb/></p></div></div></back></text></TEI>
[584/0598]
gen lebendigen Menſchen darinnen gefunden haͤtten.
Jch ließ mich bereden, unſer ſehr beſchaͤdigtes Schiff
dahin zu ſuͤhren, und fand mit groͤſter Verwunde-
rung, daß es die lautere Wahrheit ſey. Wir beſtie-
gen daſſelbe, und wurden ziemlichen ſtarcken Vor-
rath von Wein, Zwieback, geraͤucherten Fleiſche
und andern Lebens-Mitteln darinnen gewahr, ohne
was in andern Ballen und Faͤſſern verwahret war,
die noch zur Zeit niemand eroͤffnen durffte. Tieffer
ins Land hinein wolte ſich keiner wagen, indem man
von den hoͤchſten Felſen-Spitzen weit und breit ſon-
ſten nichts als lauter Wuͤſteney erblickte, derowegen
wurde beſchloſſen, unſer Schiff, ſo gut als moͤglich,
auszubeſſern, damit, wenn die Europaͤer zuruͤck kaͤ-
men, und uns allenfalls nicht in das Jhrige aufneh-
men wolten oder koͤnten, wir dennoch in ihrer Geſell-
ſchafft weiter mitfeegeln moͤchten.
Allein, nachdem wir mit allem fertig waren,
und einen gantzen Monath lang auf die Zuruͤck-
kunfft der Europaͤer vergeblich gewartet hatten,
machten meine Gefaͤhrten die Auslegung, daß die-
ſelben ohnfehlbar ſich zu tieff ins Land hinein ge-
wagt, und nach und nach ihren Untergang erreicht
haͤtten, weßwegen ſie vors allerkluͤgſte hielten,
wenn wir uns das koͤſtliche Schiff nebſt ſeiner gan-
tzen Ladung zueigneten, und mit ſelbigen davon
fuͤhren. Jch ſetzte mich ſtarck wider dieſen See-
raͤuberiſchen Streich, konte aber nichts ausrichten,
indem alle einen Sinn hatten, und alle unſere
Sachen in moͤglichſter Eil in das groſſe Schiff
einbrachten, wolte ich alſo nicht alleine an einem
wuͤſten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 584. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/598>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.