16. Tage und Nacht hinter einander, ehe wir nur zwey biß drey Stunden ein wenig verschnauben, und das Sonnen-Licht auf wenige Minuten betrachten konten, bald darauf aber meldete sich ein neuer, der nicht weniger grimmig, ja fast noch hefftiger als der vorige war, Mast und Seegel wurden den erzürnten Wellen zum Opffer über[li]efert, worbey zugleich 2. von meinen Gefährten über Boort geworffen, und nicht erhalten werden konten, wie denn auch 3. ge- quetschte und 2. andere krancke folgendes Tages ih- ren Geist aufgaben. Endlich wurde es zwar wie- derum vollkommen stille und ruhig auf der See, allein wir bekamen in etlichen Wochen weder Land noch Sand zu sehen, so, daß unser süsses Wasser nebst dem Proviante, welchen das eingetrungene See-Wasser ohnedem schon mehr als über die Helffte verdorben hatte/ völlig zum Ende ging, und wir uns Hungers wegen gezwungen sahen, recht widernatürliche Speisen zu suchen, und das bitter-saltzige See- Wasser zu trincken. Bey so beschaffenen Umständen riß der Hunger, nebst einer schmertzhafften Seuche in wenig Tagen einen nach den andern hinweg, so lange, biß ich, die 3. Jndianer und 5. Spanische Kriegs-Leute noch ziemlich gesund übrig blieb, Es erhub sich immittelst der dritte Sturm, wel- chen wir 9. Personen, als eine Endschafft unserer Quaal, recht mit Freuden ansetzen höreten. Jch kan nicht sagen, ob er so hefftig als die vorigen zwey Stürme gewesen, weil ich auf nichts mehr gedach- te, als mich nebst meinen Gefährten zum seeligen Sterben zuzuschicken, allein, eben dieser Sturm
muste
16. Tage und Nacht hinter einander, ehe wir nur zwey biß drey Stunden ein wenig verſchnauben, und das Sonnen-Licht auf wenige Minuten betrachten konten, bald darauf aber meldete ſich ein neuer, der nicht weniger grimmig, ja faſt noch hefftiger als der vorige war, Maſt und Seegel wurden den erzuͤrnten Wellen zum Opffer uͤber[li]efert, worbey zugleich 2. von meinen Gefaͤhrten uͤber Boort geworffen, und nicht erhalten werden konten, wie denn auch 3. ge- quetſchte und 2. andere krancke folgendes Tages ih- ren Geiſt aufgaben. Endlich wurde es zwar wie- derum vollkom̃en ſtille und ruhig auf der See, allein wir bekamen in etlichen Wochen weder Land noch Sand zu ſehen, ſo, daß unſer ſuͤſſes Waſſer nebſt dem Proviante, welchen das eingetrungene See-Waſſer ohnedem ſchon mehr als uͤber die Helffte verdorben hatte/ voͤllig zum Ende ging, und wir uns Hungers wegen gezwungen ſahen, recht widernatuͤrliche Speiſen zu ſuchen, und das bitter-ſaltzige See- Waſſer zu trincken. Bey ſo beſchaffenen Umſtaͤnden riß der Hunger, nebſt einer ſchmertzhafften Seuche in wenig Tagen einen nach den andern hinweg, ſo lange, biß ich, die 3. Jndianer und 5. Spaniſche Kriegs-Leute noch ziemlich geſund uͤbrig blieb, Es erhub ſich immittelſt der dritte Sturm, wel- chen wir 9. Perſonen, als eine Endſchafft unſerer Quaal, recht mit Freuden anſetzen hoͤreten. Jch kan nicht ſagen, ob er ſo hefftig als die vorigen zwey Stuͤrme geweſen, weil ich auf nichts mehr gedach- te, als mich nebſt meinen Gefaͤhrten zum ſeeligen Sterben zuzuſchicken, allein, eben dieſer Sturm
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16. Tage und Nacht hinter einander, ehe wir nur
zwey biß drey Stunden ein wenig verſchnauben, und
das Sonnen-Licht auf wenige Minuten betrachten
konten, bald darauf aber meldete ſich ein neuer, der
nicht weniger grimmig, ja faſt noch hefftiger als der
vorige war, Maſt und Seegel wurden den erzuͤrnten
Wellen zum Opffer uͤberliefert, worbey zugleich 2.
von meinen Gefaͤhrten uͤber Boort geworffen, und
nicht erhalten werden konten, wie denn auch 3. ge-
quetſchte und 2. andere krancke folgendes Tages ih-
ren Geiſt aufgaben. Endlich wurde es zwar wie-
derum vollkom̃en ſtille und ruhig auf der See, allein
wir bekamen in etlichen Wochen weder Land noch
Sand zu ſehen, ſo, daß unſer ſuͤſſes Waſſer nebſt dem
Proviante, welchen das eingetrungene See-Waſſer
ohnedem ſchon mehr als uͤber die Helffte verdorben
hatte/ voͤllig zum Ende ging, und wir uns Hungers
wegen gezwungen ſahen, recht widernatuͤrliche
Speiſen zu ſuchen, und das bitter-ſaltzige See-
Waſſer zu trincken. Bey ſo beſchaffenen Umſtaͤnden
riß der Hunger, nebſt einer ſchmertzhafften Seuche
in wenig Tagen einen nach den andern hinweg, ſo
lange, biß ich, die 3. Jndianer und 5. Spaniſche
Kriegs-Leute noch ziemlich geſund uͤbrig blieb,
Es erhub ſich immittelſt der dritte Sturm, wel-
chen wir 9. Perſonen, als eine Endſchafft unſerer
Quaal, recht mit Freuden anſetzen hoͤreten. Jch
kan nicht ſagen, ob er ſo hefftig als die vorigen zwey
Stuͤrme geweſen, weil ich auf nichts mehr gedach-
te, als mich nebſt meinen Gefaͤhrten zum ſeeligen
Sterben zuzuſchicken, allein, eben dieſer Sturm
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 586. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/600>, abgerufen am 22.11.2024.
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