Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

lich wieder Flott werden konte, wurde ich, vermit-
telst eines kleinen Boots, an den wüsten Felsen aus-
gesetzt, und muste mit thränenden Augen die rebel-
li
schen Verräther mit meinem Schiff und Sachen
davon seegeln, mich aber von aller menschlichen Ge-
sellschafft und Hülffe an einen gantz wüsten Orte
gäntzlich verlassen sehen. Jch ertrug mein unglück-
liches Verhängniß dennoch mit ziemlicher Gelassen-
heit, ohngeacht keine Hoffnung zu meiner Erlösung
machen konte, zudem auch nicht mehr als etwa auf 3.
Tage Proviant von der Barmhertzigkeit meiner un-
barmhertzigen Verräther erhalten hatte, stellete mir
derowegen nichts gewissers als einen baldigen Tod
vor Augen. Nunmehro fing es mich sreylich an zu
gereuen, daß ich nicht auf der Jnsul Bon air bey dem
Grabe meiner liebsten Salome, oder doch im Va-
terlande, das Ende meines Lebens erwartet, so hätte
doch versichert seyn können, nicht so schmählich zu
sterben, und da ich ja gestorben, ehrlich begraben zu
werden; allein es halff hier nichts als die liebe Ge-
dult und eine christliche Hertzhafftigkeit, dem Tode
getrost entgehen zu gehen, dessen Vorbothen sich in
meinem Magen und Gedärme, ja im gantzen Cör-
per nach aufgezehrten Proviant und bereits 2. tägi-
gem Fasten deutlich genung spüren liessen.

Die Hitze der Sonnen vermehrete meine Mat-
tigkeit um ein grosses, weswegen ich an einen schat-
tigten Ort kroch, allwo ein klares Wasser mit
dem grösten Ungestüm aus dem Felsen heraus ge-
schossen kam, hiermit, und dann mit einigen halb-
verdorreten Kräutern und Wurtzeln, die doch sehr

spar-

lich wieder Flott werden konte, wurde ich, vermit-
telſt eines kleinen Boots, an den wuͤſten Felſen aus-
geſetzt, und muſte mit thraͤnenden Augen die rebel-
li
ſchen Verraͤther mit meinem Schiff und Sachen
davon ſeegeln, mich aber von aller menſchlichen Ge-
ſellſchafft und Huͤlffe an einen gantz wuͤſten Orte
gaͤntzlich verlaſſen ſehen. Jch ertrug mein ungluͤck-
liches Verhaͤngniß dennoch mit ziemlicher Gelaſſen-
heit, ohngeacht keine Hoffnung zu meiner Erloͤſung
machen konte, zudem auch nicht mehr als etwa auf 3.
Tage Proviant von der Barmhertzigkeit meiner un-
barmhertzigen Verraͤther erhalten hatte, ſtellete mir
derowegen nichts gewiſſers als einen baldigen Tod
vor Augen. Nunmehro fing es mich ſreylich an zu
gereuen, daß ich nicht auf der Jnſul Bon air bey dem
Grabe meiner liebſten Salome, oder doch im Va-
terlande, das Ende meines Lebens erwartet, ſo haͤtte
doch verſichert ſeyn koͤnnen, nicht ſo ſchmaͤhlich zu
ſterben, und da ich ja geſtorben, ehrlich begraben zu
werden; allein es halff hier nichts als die liebe Ge-
dult und eine chriſtliche Hertzhafftigkeit, dem Tode
getroſt entgehen zu gehen, deſſen Vorbothen ſich in
meinem Magen und Gedaͤrme, ja im gantzen Coͤr-
per nach aufgezehrten Proviant und bereits 2. taͤgi-
gem Faſten deutlich genung ſpuͤren lieſſen.

Die Hitze der Sonnen vermehrete meine Mat-
tigkeit um ein groſſes, weswegen ich an einen ſchat-
tigten Ort kroch, allwo ein klares Waſſer mit
dem groͤſten Ungeſtuͤm aus dem Felſen heraus ge-
ſchoſſen kam, hiermit, und dann mit einigen halb-
verdorreten Kraͤutern und Wurtzeln, die doch ſehr

ſpar-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0096" n="84"/>
lich wieder Flott werden konte, wurde ich, vermit-<lb/>
tel&#x017F;t eines kleinen Boots, an den wu&#x0364;&#x017F;ten Fel&#x017F;en aus-<lb/>
ge&#x017F;etzt, und mu&#x017F;te mit thra&#x0364;nenden Augen die <hi rendition="#aq">rebel-<lb/>
li</hi>&#x017F;chen Verra&#x0364;ther mit meinem Schiff und Sachen<lb/>
davon &#x017F;eegeln, mich aber von aller men&#x017F;chlichen Ge-<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chafft und Hu&#x0364;lffe an einen gantz wu&#x0364;&#x017F;ten Orte<lb/>
ga&#x0364;ntzlich verla&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ehen. Jch ertrug mein unglu&#x0364;ck-<lb/>
liches Verha&#x0364;ngniß dennoch mit ziemlicher Gela&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
heit, ohngeacht keine Hoffnung zu meiner Erlo&#x0364;&#x017F;ung<lb/>
machen konte, zudem auch nicht mehr als etwa auf 3.<lb/>
Tage <hi rendition="#aq">Proviant</hi> von der Barmhertzigkeit meiner un-<lb/>
barmhertzigen Verra&#x0364;ther erhalten hatte, &#x017F;tellete mir<lb/>
derowegen nichts gewi&#x017F;&#x017F;ers als einen baldigen Tod<lb/>
vor Augen. Nunmehro fing es mich &#x017F;reylich an zu<lb/>
gereuen, daß ich nicht auf der Jn&#x017F;ul <hi rendition="#aq">Bon air</hi> bey dem<lb/>
Grabe meiner lieb&#x017F;ten <hi rendition="#aq">Salome,</hi> oder doch im Va-<lb/>
terlande, das Ende meines Lebens erwartet, &#x017F;o ha&#x0364;tte<lb/>
doch ver&#x017F;ichert &#x017F;eyn ko&#x0364;nnen, nicht &#x017F;o &#x017F;chma&#x0364;hlich zu<lb/>
&#x017F;terben, und da ich ja ge&#x017F;torben, ehrlich begraben zu<lb/>
werden; allein es halff hier nichts als die liebe Ge-<lb/>
dult und eine chri&#x017F;tliche Hertzhafftigkeit, dem Tode<lb/>
getro&#x017F;t entgehen zu gehen, de&#x017F;&#x017F;en Vorbothen &#x017F;ich in<lb/>
meinem Magen und Geda&#x0364;rme, ja im gantzen Co&#x0364;r-<lb/>
per nach aufgezehrten <hi rendition="#aq">Proviant</hi> und bereits 2. ta&#x0364;gi-<lb/>
gem Fa&#x017F;ten deutlich genung &#x017F;pu&#x0364;ren lie&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Die Hitze der Sonnen vermehrete meine Mat-<lb/>
tigkeit um ein gro&#x017F;&#x017F;es, weswegen ich an einen &#x017F;chat-<lb/>
tigten Ort kroch, allwo ein klares Wa&#x017F;&#x017F;er mit<lb/>
dem gro&#x0364;&#x017F;ten Unge&#x017F;tu&#x0364;m aus dem Fel&#x017F;en heraus ge-<lb/>
&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en kam, hiermit, und dann mit einigen halb-<lb/>
verdorreten Kra&#x0364;utern und Wurtzeln, die doch &#x017F;ehr<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;par-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0096] lich wieder Flott werden konte, wurde ich, vermit- telſt eines kleinen Boots, an den wuͤſten Felſen aus- geſetzt, und muſte mit thraͤnenden Augen die rebel- liſchen Verraͤther mit meinem Schiff und Sachen davon ſeegeln, mich aber von aller menſchlichen Ge- ſellſchafft und Huͤlffe an einen gantz wuͤſten Orte gaͤntzlich verlaſſen ſehen. Jch ertrug mein ungluͤck- liches Verhaͤngniß dennoch mit ziemlicher Gelaſſen- heit, ohngeacht keine Hoffnung zu meiner Erloͤſung machen konte, zudem auch nicht mehr als etwa auf 3. Tage Proviant von der Barmhertzigkeit meiner un- barmhertzigen Verraͤther erhalten hatte, ſtellete mir derowegen nichts gewiſſers als einen baldigen Tod vor Augen. Nunmehro fing es mich ſreylich an zu gereuen, daß ich nicht auf der Jnſul Bon air bey dem Grabe meiner liebſten Salome, oder doch im Va- terlande, das Ende meines Lebens erwartet, ſo haͤtte doch verſichert ſeyn koͤnnen, nicht ſo ſchmaͤhlich zu ſterben, und da ich ja geſtorben, ehrlich begraben zu werden; allein es halff hier nichts als die liebe Ge- dult und eine chriſtliche Hertzhafftigkeit, dem Tode getroſt entgehen zu gehen, deſſen Vorbothen ſich in meinem Magen und Gedaͤrme, ja im gantzen Coͤr- per nach aufgezehrten Proviant und bereits 2. taͤgi- gem Faſten deutlich genung ſpuͤren lieſſen. Die Hitze der Sonnen vermehrete meine Mat- tigkeit um ein groſſes, weswegen ich an einen ſchat- tigten Ort kroch, allwo ein klares Waſſer mit dem groͤſten Ungeſtuͤm aus dem Felſen heraus ge- ſchoſſen kam, hiermit, und dann mit einigen halb- verdorreten Kraͤutern und Wurtzeln, die doch ſehr ſpar-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/96
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/96>, abgerufen am 27.11.2024.