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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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vor ihrem Ende fast alles zugesetzt, so daß meines Va-
ters beyde Schwestern nach Abzug der Begräbniß-
Kosten, kaum 100. Thlr werth an Meublen ererbek
hatten. Mein Vetter, der Secreta ius, war so red-
lich, daß er ohne mein geringstes Suchen, augenblick-
lich vor billig erkannte, was massen der dritte Theil
der Verlassenschafft mir zugehöre, derowegen erbö-
tig, mir denselben, vor sich und seines Schwagers
Töchter, über welche er Curator war, auszuliefern,
allein solche Redlichkeit afficirte mich dermassen, daß
ich nicht nur alles deprecirte, sondern über dieses,
meine Vettern und Muhmen, mit ein und andern ar-
tigen Sachen beschenckte.

Es begab sich aber dieser mein Vetter, nachdem
er vermerckt, wie meine Absichten zu künfftiger Le-
bens-Art, eintzig und allein auf eine Militair-Bedie-
nung gerichtet wären, alle Mühe, mich hiervon ab-
zuziehen, und zu einem ruhigern Stande zu persua-
di
ren, allein vors erste wußte er nicht, daß mich eine
besondere Liebes-Intrigue darzu antriebe, und vors
andere wurde alle seine Vorsorge, mich bey dem
Fürstl. Hofe zu engagiren, durch einen Widersacher
zernichtet. Selbiger war ein Mensch von erbärm-
licher Conduite, seiner Einbildung nach aber, ein
anderer Richelieu oder Mazarini. Er hatte etwas,
wiewohl nichts sonderliches fundamentelles in der
Mathesi gethan, konte jedoch ein und andere Risse
aus diesen und jenen Kupferstichen zusammen klau-
ben, ziemlich sauber aufs Papier bringen, und sel-
bige hernach mit hochtrabenden Geberden, vor seine
eigene sonderbare Invention ausgeben. Er glaub-
te, daß er sonderlich glücklich sey, von allen Dingen,

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vor ihrem Ende faſt alles zugeſetzt, ſo daß meines Va-
ters beyde Schweſtern nach Abzug der Begraͤbniß-
Koſten, kaum 100. Thlr werth an Meublen ererbek
hatten. Mein Vetter, der Secreta ius, war ſo red-
lich, daß er ohne mein geringſtes Suchen, augenblick-
lich vor billig erkannte, was maſſen der dritte Theil
der Verlaſſenſchafft mir zugehoͤre, derowegen erboͤ-
tig, mir denſelben, vor ſich und ſeines Schwagers
Toͤchter, uͤber welche er Curator war, auszuliefern,
allein ſolche Redlichkeit afficirte mich dermaſſen, daß
ich nicht nur alles deprecirte, ſondern uͤber dieſes,
meine Vettern und Muhmen, mit ein und andern ar-
tigen Sachen beſchenckte.

Es begab ſich aber dieſer mein Vetter, nachdem
er vermerckt, wie meine Abſichten zu kuͤnfftiger Le-
bens-Art, eintzig und allein auf eine Militair-Bedie-
nung gerichtet waͤren, alle Muͤhe, mich hiervon ab-
zuziehen, und zu einem ruhigern Stande zu perſua-
di
ren, allein vors erſte wußte er nicht, daß mich eine
beſondere Liebes-Intrigue darzu antriebe, und vors
andere wurde alle ſeine Vorſorge, mich bey dem
Fuͤrſtl. Hofe zu engagiren, durch einen Widerſacher
zernichtet. Selbiger war ein Menſch von erbaͤrm-
licher Conduite, ſeiner Einbildung nach aber, ein
anderer Richelieu oder Mazarini. Er hatte etwas,
wiewohl nichts ſonderliches fundamentelles in der
Matheſi gethan, konte jedoch ein und andere Riſſe
aus dieſen und jenen Kupferſtichen zuſammen klau-
ben, ziemlich ſauber aufs Papier bringen, und ſel-
bige hernach mit hochtrabenden Geberden, vor ſeine
eigene ſonderbare Invention ausgeben. Er glaub-
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[121/0135] vor ihrem Ende faſt alles zugeſetzt, ſo daß meines Va- ters beyde Schweſtern nach Abzug der Begraͤbniß- Koſten, kaum 100. Thlr werth an Meublen ererbek hatten. Mein Vetter, der Secreta ius, war ſo red- lich, daß er ohne mein geringſtes Suchen, augenblick- lich vor billig erkannte, was maſſen der dritte Theil der Verlaſſenſchafft mir zugehoͤre, derowegen erboͤ- tig, mir denſelben, vor ſich und ſeines Schwagers Toͤchter, uͤber welche er Curator war, auszuliefern, allein ſolche Redlichkeit afficirte mich dermaſſen, daß ich nicht nur alles deprecirte, ſondern uͤber dieſes, meine Vettern und Muhmen, mit ein und andern ar- tigen Sachen beſchenckte. Es begab ſich aber dieſer mein Vetter, nachdem er vermerckt, wie meine Abſichten zu kuͤnfftiger Le- bens-Art, eintzig und allein auf eine Militair-Bedie- nung gerichtet waͤren, alle Muͤhe, mich hiervon ab- zuziehen, und zu einem ruhigern Stande zu perſua- diren, allein vors erſte wußte er nicht, daß mich eine beſondere Liebes-Intrigue darzu antriebe, und vors andere wurde alle ſeine Vorſorge, mich bey dem Fuͤrſtl. Hofe zu engagiren, durch einen Widerſacher zernichtet. Selbiger war ein Menſch von erbaͤrm- licher Conduite, ſeiner Einbildung nach aber, ein anderer Richelieu oder Mazarini. Er hatte etwas, wiewohl nichts ſonderliches fundamentelles in der Matheſi gethan, konte jedoch ein und andere Riſſe aus dieſen und jenen Kupferſtichen zuſammen klau- ben, ziemlich ſauber aufs Papier bringen, und ſel- bige hernach mit hochtrabenden Geberden, vor ſeine eigene ſonderbare Invention ausgeben. Er glaub- te, daß er ſonderlich gluͤcklich ſey, von allen Dingen, die h 5

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/135>, abgerufen am 25.11.2024.