den Buchstaben F. L. schreiben oder reden könte, so würde sie alsofort mercken, was es zu bedeuten hätte.
Der lose Vogel war mehr als zu dreuste, schleicht sich also gantz leise in dasjenige Zimmer, wo die ade- llchen Personen befindlich, zupft das Fräulein gelin- de beym Ermel, und da sie sich, ohne daß es die an- dern gewahr werden, umwendet, gibt er ihr alsofort den Brief so wohl als die Schreib-Tafel, mit ver- zweiffelten Geberden und Augen-Wincken in die Hände, erhält so viel von ihr, daß sie es stillschweigend verbirget, nachhero legt er seine Waaren aus, da im- mittelst Charlotte einen Abtritt nimmt, endlich wie- der zurück kömmt, ihm ein und anderes abkaufft, und die Schreib-Tafel gantz unvermerckt wiederum zu- stellet. Selbige brachte er zu meinem größten Ver- gnügen eiligst zurück, denn ich war noch nicht wieder- um ins Post-Haus gegangen, sondern wolte nun- mehro im Wein-Hause erstlich abwarten, was fer- ner passiren würde, fand demnach in der Schreib- Tafel folgende Antworts-Zeilen:
Mein Werthester!
Dieses ist versichert die erste vergnügte Stunde, so ich nach eurem genommenen Abschiede in Halle, wiederum zu empfinden habe. Jhr bleibet, so lange ein Othem in mir ist, dennoch der Meinige und ich die Eurige, und wenn sich gleich die gantze Welt darwi- der setzte. Seyd so gütig, und traget im Post- Hause noch in etwas Gedult, morgen mit dem allerfrühesten, wird mein Bruder mit seinem unflätigenCompagnonabreisen, gegen
Abend
den Buchſtaben F. L. ſchreiben oder reden koͤnte, ſo wuͤrde ſie alſofort mercken, was es zu bedeuten haͤtte.
Der loſe Vogel war mehr als zu dreuſte, ſchleicht ſich alſo gantz leiſe in dasjenige Zimmer, wo die ade- llchen Perſonen befindlich, zupft das Fraͤulein gelin- de beym Ermel, und da ſie ſich, ohne daß es die an- dern gewahr werden, umwendet, gibt er ihr alſofort den Brief ſo wohl als die Schreib-Tafel, mit ver- zweiffelten Geberden und Augen-Wincken in die Haͤnde, erhaͤlt ſo viel von ihr, daß ſie es ſtillſchweigend verbirget, nachhero legt er ſeine Waaren aus, da im- mittelſt Charlotte einen Abtritt nimmt, endlich wie- der zuruͤck koͤmmt, ihm ein und anderes abkaufft, und die Schreib-Tafel gantz unvermerckt wiederum zu- ſtellet. Selbige brachte er zu meinem groͤßten Ver- gnuͤgen eiligſt zuruͤck, denn ich war noch nicht wieder- um ins Poſt-Haus gegangen, ſondern wolte nun- mehro im Wein-Hauſe erſtlich abwarten, was fer- ner paſſiren wuͤrde, fand demnach in der Schreib- Tafel folgende Antworts-Zeilen:
Mein Wertheſter!
Dieſes iſt verſichert die erſte vergnuͤgte Stunde, ſo ich nach eurem genommenen Abſchiede in Halle, wiederum zu empfinden habe. Jhr bleibet, ſo lange ein Othem in mir iſt, dennoch der Meinige und ich die Eurige, und wenn ſich gleich die gantze Welt darwi- der ſetzte. Seyd ſo guͤtig, und traget im Poſt- Hauſe noch in etwas Gedult, morgen mit dem allerfruͤheſten, wird mein Bruder mit ſeinem unflaͤtigenCompagnonabreiſen, gegen
Abend
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0153"n="139"/>
den Buchſtaben <hirendition="#aq">F. L.</hi>ſchreiben oder reden koͤnte, ſo<lb/>
wuͤrde ſie alſofort mercken, was es zu bedeuten haͤtte.</p><lb/><p>Der loſe Vogel war mehr als zu dreuſte, ſchleicht<lb/>ſich alſo gantz leiſe in dasjenige Zimmer, wo die ade-<lb/>
llchen Perſonen befindlich, zupft das Fraͤulein gelin-<lb/>
de beym Ermel, und da ſie ſich, ohne daß es die an-<lb/>
dern gewahr werden, umwendet, gibt er ihr alſofort<lb/>
den Brief ſo wohl als die Schreib-Tafel, mit ver-<lb/>
zweiffelten Geberden und Augen-Wincken in die<lb/>
Haͤnde, erhaͤlt ſo viel von ihr, daß ſie es ſtillſchweigend<lb/>
verbirget, nachhero legt er ſeine Waaren aus, da im-<lb/>
mittelſt <hirendition="#aq">Charlotte</hi> einen Abtritt nimmt, endlich wie-<lb/>
der zuruͤck koͤmmt, ihm ein und anderes abkaufft, und<lb/>
die Schreib-Tafel gantz unvermerckt wiederum zu-<lb/>ſtellet. Selbige brachte er zu meinem groͤßten Ver-<lb/>
gnuͤgen eiligſt zuruͤck, denn ich war noch nicht wieder-<lb/>
um ins Poſt-Haus gegangen, ſondern wolte nun-<lb/>
mehro im Wein-Hauſe erſtlich abwarten, was fer-<lb/>
ner <hirendition="#aq">paſſi</hi>ren wuͤrde, fand demnach in der Schreib-<lb/>
Tafel folgende Antworts-Zeilen:</p><lb/><floatingText><body><divtype="letter"><salute><hirendition="#c"><hirendition="#fr">Mein Wertheſter!</hi></hi></salute><lb/><p><hirendition="#in">D</hi><hirendition="#fr">ieſes iſt verſichert die erſte vergnuͤgte<lb/>
Stunde, ſo ich nach eurem genommenen<lb/>
Abſchiede in Halle, wiederum zu empfinden<lb/>
habe. Jhr bleibet, ſo lange ein Othem in mir<lb/>
iſt, dennoch der Meinige und ich die Eurige,<lb/>
und wenn ſich gleich die gantze Welt darwi-<lb/>
der ſetzte. Seyd ſo guͤtig, und traget im Poſt-<lb/>
Hauſe noch in etwas Gedult, morgen mit<lb/>
dem allerfruͤheſten, wird mein Bruder mit<lb/>ſeinem unflaͤtigen</hi><hirendition="#aq"><hirendition="#i">Compagnon</hi></hi><hirendition="#fr">abreiſen, gegen</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">Abend</hi></fw><lb/></p></div></body></floatingText></div></div></body></text></TEI>
[139/0153]
den Buchſtaben F. L. ſchreiben oder reden koͤnte, ſo
wuͤrde ſie alſofort mercken, was es zu bedeuten haͤtte.
Der loſe Vogel war mehr als zu dreuſte, ſchleicht
ſich alſo gantz leiſe in dasjenige Zimmer, wo die ade-
llchen Perſonen befindlich, zupft das Fraͤulein gelin-
de beym Ermel, und da ſie ſich, ohne daß es die an-
dern gewahr werden, umwendet, gibt er ihr alſofort
den Brief ſo wohl als die Schreib-Tafel, mit ver-
zweiffelten Geberden und Augen-Wincken in die
Haͤnde, erhaͤlt ſo viel von ihr, daß ſie es ſtillſchweigend
verbirget, nachhero legt er ſeine Waaren aus, da im-
mittelſt Charlotte einen Abtritt nimmt, endlich wie-
der zuruͤck koͤmmt, ihm ein und anderes abkaufft, und
die Schreib-Tafel gantz unvermerckt wiederum zu-
ſtellet. Selbige brachte er zu meinem groͤßten Ver-
gnuͤgen eiligſt zuruͤck, denn ich war noch nicht wieder-
um ins Poſt-Haus gegangen, ſondern wolte nun-
mehro im Wein-Hauſe erſtlich abwarten, was fer-
ner paſſiren wuͤrde, fand demnach in der Schreib-
Tafel folgende Antworts-Zeilen:
Mein Wertheſter!
Dieſes iſt verſichert die erſte vergnuͤgte
Stunde, ſo ich nach eurem genommenen
Abſchiede in Halle, wiederum zu empfinden
habe. Jhr bleibet, ſo lange ein Othem in mir
iſt, dennoch der Meinige und ich die Eurige,
und wenn ſich gleich die gantze Welt darwi-
der ſetzte. Seyd ſo guͤtig, und traget im Poſt-
Hauſe noch in etwas Gedult, morgen mit
dem allerfruͤheſten, wird mein Bruder mit
ſeinem unflaͤtigen Compagnon abreiſen, gegen
Abend
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/153>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.