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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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Dieser angenehmen Ordre schuldige Folge zu
leisten, begab ich mich mit hereinbrechender Abend-
Demmerung, nebst meiner Führerin, auf den Weg,
und wurde, nachdem wir eine starcke Stunde
Wegs zurück gelegt, durch einen Bauern-Gar-
ten in ein dergleichen Haus geführet, woselbst mich
ein alter 70. jähriger Mann, nebst einer, vielleicht
um sehr wenig Jahre jüngern Bauer-Frau, nach
ihrer Art sehr höflich und freundlich bewillkomme-
ten. Mein englisches Fräulein stellete sich um die
Mitternachts-Zeit auch daselbst ein, fuhr aber ent-
setzlich zusammen, da sie von mir, als einem Zi-
geuner ähnlichen, schwartz-braunen Peruquen-
Hansen, empfangen wurde. Jedoch ich ließ sie nicht
lange in dieser Verwirrung stecken, sondern war
bemühet durch die Krafft meines Pulvers, und et-
was warmen Wassers, meine natürliche Gestalt
herzustellen, welches nach abgelegter Peruque, ein
unzweiffelhafftes Attestat von meinen eigenen Haa-
ren empfieng.

Wir belachten hierauf diesen Spaß eine kurtze
Zeit, liessen die alten Leute immerhin bey den Ge-
dancken, daß ich mehr als Brod fressen könte, und
fingen hernach in ihrer Gegenwart unsern Discours
in Frantzösischer Sprache an: Dergestalt erfuhr
ich nun, daß unser geheimes Liebes-Verständniß,
durch niemand anders, als durch Charlottens eige-
nen Bruder entdeckt und ausgebreitet worden, denn
dieser liederliche Wildfang, hatte einsmahls durch
einen Ritz in Charlottens Stube geguckt, und ob-
servi
ret, daß dieselbe mit weinenden Augen, einige,
aus ihrem Chatoul hervor gelangte Briefe gele-

sen,

Dieſer angenehmen Ordre ſchuldige Folge zu
leiſten, begab ich mich mit hereinbrechender Abend-
Demmerung, nebſt meiner Fuͤhrerin, auf den Weg,
und wurde, nachdem wir eine ſtarcke Stunde
Wegs zuruͤck gelegt, durch einen Bauern-Gar-
ten in ein dergleichen Haus gefuͤhret, woſelbſt mich
ein alter 70. jaͤhriger Mann, nebſt einer, vielleicht
um ſehr wenig Jahre juͤngern Bauer-Frau, nach
ihrer Art ſehr hoͤflich und freundlich bewillkomme-
ten. Mein engliſches Fraͤulein ſtellete ſich um die
Mitternachts-Zeit auch daſelbſt ein, fuhr aber ent-
ſetzlich zuſammen, da ſie von mir, als einem Zi-
geuner aͤhnlichen, ſchwartz-braunen Peruquen-
Hanſen, empfangen wurde. Jedoch ich ließ ſie nicht
lange in dieſer Verwirrung ſtecken, ſondern war
bemuͤhet durch die Krafft meines Pulvers, und et-
was warmen Waſſers, meine natuͤrliche Geſtalt
herzuſtellen, welches nach abgelegter Peruque, ein
unzweiffelhafftes Atteſtat von meinen eigenen Haa-
ren empfieng.

Wir belachten hierauf dieſen Spaß eine kurtze
Zeit, lieſſen die alten Leute immerhin bey den Ge-
dancken, daß ich mehr als Brod freſſen koͤnte, und
fingen hernach in ihrer Gegenwart unſern Diſcours
in Frantzoͤſiſcher Sprache an: Dergeſtalt erfuhr
ich nun, daß unſer geheimes Liebes-Verſtaͤndniß,
durch niemand anders, als durch Charlottens eige-
nen Bruder entdeckt und ausgebreitet worden, denn
dieſer liederliche Wildfang, hatte einsmahls durch
einen Ritz in Charlottens Stube geguckt, und ob-
ſervi
ret, daß dieſelbe mit weinenden Augen, einige,
aus ihrem Chatoul hervor gelangte Briefe gele-

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[141/0155] Dieſer angenehmen Ordre ſchuldige Folge zu leiſten, begab ich mich mit hereinbrechender Abend- Demmerung, nebſt meiner Fuͤhrerin, auf den Weg, und wurde, nachdem wir eine ſtarcke Stunde Wegs zuruͤck gelegt, durch einen Bauern-Gar- ten in ein dergleichen Haus gefuͤhret, woſelbſt mich ein alter 70. jaͤhriger Mann, nebſt einer, vielleicht um ſehr wenig Jahre juͤngern Bauer-Frau, nach ihrer Art ſehr hoͤflich und freundlich bewillkomme- ten. Mein engliſches Fraͤulein ſtellete ſich um die Mitternachts-Zeit auch daſelbſt ein, fuhr aber ent- ſetzlich zuſammen, da ſie von mir, als einem Zi- geuner aͤhnlichen, ſchwartz-braunen Peruquen- Hanſen, empfangen wurde. Jedoch ich ließ ſie nicht lange in dieſer Verwirrung ſtecken, ſondern war bemuͤhet durch die Krafft meines Pulvers, und et- was warmen Waſſers, meine natuͤrliche Geſtalt herzuſtellen, welches nach abgelegter Peruque, ein unzweiffelhafftes Atteſtat von meinen eigenen Haa- ren empfieng. Wir belachten hierauf dieſen Spaß eine kurtze Zeit, lieſſen die alten Leute immerhin bey den Ge- dancken, daß ich mehr als Brod freſſen koͤnte, und fingen hernach in ihrer Gegenwart unſern Diſcours in Frantzoͤſiſcher Sprache an: Dergeſtalt erfuhr ich nun, daß unſer geheimes Liebes-Verſtaͤndniß, durch niemand anders, als durch Charlottens eige- nen Bruder entdeckt und ausgebreitet worden, denn dieſer liederliche Wildfang, hatte einsmahls durch einen Ritz in Charlottens Stube geguckt, und ob- ſerviret, daß dieſelbe mit weinenden Augen, einige, aus ihrem Chatoul hervor gelangte Briefe gele- ſen,

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/155>, abgerufen am 23.11.2024.