Dieser angenehmen Ordre schuldige Folge zu leisten, begab ich mich mit hereinbrechender Abend- Demmerung, nebst meiner Führerin, auf den Weg, und wurde, nachdem wir eine starcke Stunde Wegs zurück gelegt, durch einen Bauern-Gar- ten in ein dergleichen Haus geführet, woselbst mich ein alter 70. jähriger Mann, nebst einer, vielleicht um sehr wenig Jahre jüngern Bauer-Frau, nach ihrer Art sehr höflich und freundlich bewillkomme- ten. Mein englisches Fräulein stellete sich um die Mitternachts-Zeit auch daselbst ein, fuhr aber ent- setzlich zusammen, da sie von mir, als einem Zi- geuner ähnlichen, schwartz-braunen Peruquen- Hansen, empfangen wurde. Jedoch ich ließ sie nicht lange in dieser Verwirrung stecken, sondern war bemühet durch die Krafft meines Pulvers, und et- was warmen Wassers, meine natürliche Gestalt herzustellen, welches nach abgelegter Peruque, ein unzweiffelhafftes Attestat von meinen eigenen Haa- ren empfieng.
Wir belachten hierauf diesen Spaß eine kurtze Zeit, liessen die alten Leute immerhin bey den Ge- dancken, daß ich mehr als Brod fressen könte, und fingen hernach in ihrer Gegenwart unsern Discours in Frantzösischer Sprache an: Dergestalt erfuhr ich nun, daß unser geheimes Liebes-Verständniß, durch niemand anders, als durch Charlottens eige- nen Bruder entdeckt und ausgebreitet worden, denn dieser liederliche Wildfang, hatte einsmahls durch einen Ritz in Charlottens Stube geguckt, und ob- serviret, daß dieselbe mit weinenden Augen, einige, aus ihrem Chatoul hervor gelangte Briefe gele-
sen,
Dieſer angenehmen Ordre ſchuldige Folge zu leiſten, begab ich mich mit hereinbrechender Abend- Demmerung, nebſt meiner Fuͤhrerin, auf den Weg, und wurde, nachdem wir eine ſtarcke Stunde Wegs zuruͤck gelegt, durch einen Bauern-Gar- ten in ein dergleichen Haus gefuͤhret, woſelbſt mich ein alter 70. jaͤhriger Mann, nebſt einer, vielleicht um ſehr wenig Jahre juͤngern Bauer-Frau, nach ihrer Art ſehr hoͤflich und freundlich bewillkomme- ten. Mein engliſches Fraͤulein ſtellete ſich um die Mitternachts-Zeit auch daſelbſt ein, fuhr aber ent- ſetzlich zuſammen, da ſie von mir, als einem Zi- geuner aͤhnlichen, ſchwartz-braunen Peruquen- Hanſen, empfangen wurde. Jedoch ich ließ ſie nicht lange in dieſer Verwirrung ſtecken, ſondern war bemuͤhet durch die Krafft meines Pulvers, und et- was warmen Waſſers, meine natuͤrliche Geſtalt herzuſtellen, welches nach abgelegter Peruque, ein unzweiffelhafftes Atteſtat von meinen eigenen Haa- ren empfieng.
Wir belachten hierauf dieſen Spaß eine kurtze Zeit, lieſſen die alten Leute immerhin bey den Ge- dancken, daß ich mehr als Brod freſſen koͤnte, und fingen hernach in ihrer Gegenwart unſern Diſcours in Frantzoͤſiſcher Sprache an: Dergeſtalt erfuhr ich nun, daß unſer geheimes Liebes-Verſtaͤndniß, durch niemand anders, als durch Charlottens eige- nen Bruder entdeckt und ausgebreitet worden, denn dieſer liederliche Wildfang, hatte einsmahls durch einen Ritz in Charlottens Stube geguckt, und ob- ſerviret, daß dieſelbe mit weinenden Augen, einige, aus ihrem Chatoul hervor gelangte Briefe gele-
ſen,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0155"n="141"/><p>Dieſer angenehmen <hirendition="#aq">Ordre</hi>ſchuldige Folge zu<lb/>
leiſten, begab ich mich mit hereinbrechender Abend-<lb/>
Demmerung, nebſt meiner Fuͤhrerin, auf den Weg,<lb/>
und wurde, nachdem wir eine ſtarcke Stunde<lb/>
Wegs zuruͤck gelegt, durch einen Bauern-Gar-<lb/>
ten in ein dergleichen Haus gefuͤhret, woſelbſt mich<lb/>
ein alter 70. jaͤhriger Mann, nebſt einer, vielleicht<lb/>
um ſehr wenig Jahre juͤngern Bauer-Frau, nach<lb/>
ihrer Art ſehr hoͤflich und freundlich bewillkomme-<lb/>
ten. Mein engliſches Fraͤulein ſtellete ſich um die<lb/>
Mitternachts-Zeit auch daſelbſt ein, fuhr aber ent-<lb/>ſetzlich zuſammen, da ſie von mir, als einem Zi-<lb/>
geuner aͤhnlichen, ſchwartz-braunen <hirendition="#aq">Peruquen-</hi><lb/>
Hanſen, empfangen wurde. Jedoch ich ließ ſie nicht<lb/>
lange in dieſer Verwirrung ſtecken, ſondern war<lb/>
bemuͤhet durch die Krafft meines Pulvers, und et-<lb/>
was warmen Waſſers, meine natuͤrliche Geſtalt<lb/>
herzuſtellen, welches nach abgelegter <hirendition="#aq">Peruque,</hi> ein<lb/>
unzweiffelhafftes <hirendition="#aq">Atteſtat</hi> von meinen eigenen Haa-<lb/>
ren empfieng.</p><lb/><p>Wir belachten hierauf dieſen Spaß eine kurtze<lb/>
Zeit, lieſſen die alten Leute immerhin bey den Ge-<lb/>
dancken, daß ich mehr als Brod freſſen koͤnte, und<lb/>
fingen hernach in ihrer Gegenwart unſern <hirendition="#aq">Diſcours</hi><lb/>
in Frantzoͤſiſcher Sprache an: Dergeſtalt erfuhr<lb/>
ich nun, daß unſer geheimes Liebes-Verſtaͤndniß,<lb/>
durch niemand anders, als durch <hirendition="#aq">Charlottens</hi> eige-<lb/>
nen Bruder entdeckt und ausgebreitet worden, denn<lb/>
dieſer liederliche Wildfang, hatte einsmahls durch<lb/>
einen Ritz in <hirendition="#aq">Charlottens</hi> Stube geguckt, und <hirendition="#aq">ob-<lb/>ſervi</hi>ret, daß dieſelbe mit weinenden Augen, einige,<lb/>
aus ihrem <hirendition="#aq">Chatoul</hi> hervor gelangte Briefe gele-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſen,</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[141/0155]
Dieſer angenehmen Ordre ſchuldige Folge zu
leiſten, begab ich mich mit hereinbrechender Abend-
Demmerung, nebſt meiner Fuͤhrerin, auf den Weg,
und wurde, nachdem wir eine ſtarcke Stunde
Wegs zuruͤck gelegt, durch einen Bauern-Gar-
ten in ein dergleichen Haus gefuͤhret, woſelbſt mich
ein alter 70. jaͤhriger Mann, nebſt einer, vielleicht
um ſehr wenig Jahre juͤngern Bauer-Frau, nach
ihrer Art ſehr hoͤflich und freundlich bewillkomme-
ten. Mein engliſches Fraͤulein ſtellete ſich um die
Mitternachts-Zeit auch daſelbſt ein, fuhr aber ent-
ſetzlich zuſammen, da ſie von mir, als einem Zi-
geuner aͤhnlichen, ſchwartz-braunen Peruquen-
Hanſen, empfangen wurde. Jedoch ich ließ ſie nicht
lange in dieſer Verwirrung ſtecken, ſondern war
bemuͤhet durch die Krafft meines Pulvers, und et-
was warmen Waſſers, meine natuͤrliche Geſtalt
herzuſtellen, welches nach abgelegter Peruque, ein
unzweiffelhafftes Atteſtat von meinen eigenen Haa-
ren empfieng.
Wir belachten hierauf dieſen Spaß eine kurtze
Zeit, lieſſen die alten Leute immerhin bey den Ge-
dancken, daß ich mehr als Brod freſſen koͤnte, und
fingen hernach in ihrer Gegenwart unſern Diſcours
in Frantzoͤſiſcher Sprache an: Dergeſtalt erfuhr
ich nun, daß unſer geheimes Liebes-Verſtaͤndniß,
durch niemand anders, als durch Charlottens eige-
nen Bruder entdeckt und ausgebreitet worden, denn
dieſer liederliche Wildfang, hatte einsmahls durch
einen Ritz in Charlottens Stube geguckt, und ob-
ſerviret, daß dieſelbe mit weinenden Augen, einige,
aus ihrem Chatoul hervor gelangte Briefe gele-
ſen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/155>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.