merckte, daß mir in künfftigen Jahren, das sitzen so beschwerlich, als die gegenwärtige schmutzige Arbeit fallen würde, über dieses in Gefahr stehen müßte gantz frühzeitig blind zu werden, lieff ich darvon. Man brachte mich auf die Apotheke, hieselbst war die Arbeit vor den jüngsten Jungen noch schmutziger, meine Hände wurden so garstig, daß ich mich selbst scheuete daraus zu essen, mußte auch den gantzen Tag bis in die späte Nacht, die größte Kälte an Händen und Füssen ausstehen, und durffte, bey allen meinen Schmertzen, nicht einmahl eine betrübte Mine ma- chen, derowegen lieff ich auch da darvon. Kurtz! mein Vormund mochte mich hinbringen, wohin er wolte, ich lieff darvon und wolte nirgends bleiben, als auf der Schule, da aber selbiger dennoch bey sei- nem Schlusse blieb, mich durchaus nicht studiren zu lassen, sondern meine Kleider verschloß, und mich mit Stuben-Arrest, Schlägen, Hunger und andern Plagen so lange quälele, bis ich endlich versprach mir selbsten eine Profeßion auszusinnen und darbey gut zu thun, erwehlte ich endlich die Chirurgie und Barbier-Kunst, und wurde zu einem berühmten Meister derselben gebracht, in dessen Gegenwart mich mein Vormund aufs ernstlichste ermahnete und bedrohete, so ferne ich auch allhier darvon lieffe, mich alsofort in ein Zucht-Haus zu bringen. Be- sondere Ursache hatte ich nun eben nicht an Erfül- lung dieses tröstlichen Versprechens zu zweifeln, denn meine Frau Vormundin, die mir so feind als einer Spinne war, lag ihm dieserwegen beständig in Oh- ren, und hätte lieber gesehen, wenn ich nur ihres Hundes wegen, bereits etliche Jahre im Zucht-Hause
gesessen
merckte, daß mir in kuͤnfftigen Jahren, das ſitzen ſo beſchwerlich, als die gegenwaͤrtige ſchmutzige Arbeit fallen wuͤrde, uͤber dieſes in Gefahr ſtehen muͤßte gantz fruͤhzeitig blind zu werden, lieff ich darvon. Man brachte mich auf die Apotheke, hieſelbſt war die Arbeit vor den juͤngſten Jungen noch ſchmutziger, meine Haͤnde wurden ſo garſtig, daß ich mich ſelbſt ſcheuete daraus zu eſſen, mußte auch den gantzen Tag bis in die ſpaͤte Nacht, die groͤßte Kaͤlte an Haͤnden und Fuͤſſen ausſtehen, und durffte, bey allen meinen Schmertzen, nicht einmahl eine betruͤbte Mine ma- chen, derowegen lieff ich auch da darvon. Kurtz! mein Vormund mochte mich hinbringen, wohin er wolte, ich lieff darvon und wolte nirgends bleiben, als auf der Schule, da aber ſelbiger dennoch bey ſei- nem Schluſſe blieb, mich durchaus nicht ſtudiren zu laſſen, ſondern meine Kleider verſchloß, und mich mit Stuben-Arreſt, Schlaͤgen, Hunger und andern Plagen ſo lange quaͤlele, bis ich endlich verſprach mir ſelbſten eine Profeßion auszuſinnen und darbey gut zu thun, erwehlte ich endlich die Chirurgie und Barbier-Kunſt, und wurde zu einem beruͤhmten Meiſter derſelben gebracht, in deſſen Gegenwart mich mein Vormund aufs ernſtlichſte ermahnete und bedrohete, ſo ferne ich auch allhier darvon lieffe, mich alſofort in ein Zucht-Haus zu bringen. Be- ſondere Urſache hatte ich nun eben nicht an Erfuͤl- lung dieſes troͤſtlichen Verſprechens zu zweifeln, denn meine Frau Vormundin, die mir ſo feind als einer Spinne war, lag ihm dieſerwegen beſtaͤndig in Oh- ren, und haͤtte lieber geſehen, wenn ich nur ihres Hundes wegen, bereits etliche Jahre im Zucht-Hauſe
geſeſſen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0200"n="186"/>
merckte, daß mir in kuͤnfftigen Jahren, das ſitzen ſo<lb/>
beſchwerlich, als die gegenwaͤrtige ſchmutzige Arbeit<lb/>
fallen wuͤrde, uͤber dieſes in Gefahr ſtehen muͤßte<lb/>
gantz fruͤhzeitig blind zu werden, lieff ich darvon.<lb/>
Man brachte mich auf die <hirendition="#aq">Apotheke,</hi> hieſelbſt war<lb/>
die Arbeit vor den juͤngſten Jungen noch ſchmutziger,<lb/>
meine Haͤnde wurden ſo garſtig, daß ich mich ſelbſt<lb/>ſcheuete daraus zu eſſen, mußte auch den gantzen Tag<lb/>
bis in die ſpaͤte Nacht, die groͤßte Kaͤlte an Haͤnden<lb/>
und Fuͤſſen ausſtehen, und durffte, bey allen meinen<lb/>
Schmertzen, nicht einmahl eine betruͤbte <hirendition="#aq">Mine</hi> ma-<lb/>
chen, derowegen lieff ich auch da darvon. Kurtz!<lb/>
mein Vormund mochte mich hinbringen, wohin er<lb/>
wolte, ich lieff darvon und wolte nirgends bleiben,<lb/>
als auf der Schule, da aber ſelbiger dennoch bey ſei-<lb/>
nem Schluſſe blieb, mich durchaus nicht <hirendition="#aq">ſtudi</hi>ren zu<lb/>
laſſen, ſondern meine Kleider verſchloß, und mich<lb/>
mit Stuben-<hirendition="#aq">Arreſt,</hi> Schlaͤgen, Hunger und andern<lb/>
Plagen ſo lange quaͤlele, bis ich endlich verſprach<lb/>
mir ſelbſten eine Profeßion auszuſinnen und darbey<lb/>
gut zu thun, erwehlte ich endlich die <hirendition="#aq">Chirurgie</hi> und<lb/><hirendition="#aq">Barbier</hi>-Kunſt, und wurde zu einem beruͤhmten<lb/>
Meiſter derſelben gebracht, in deſſen Gegenwart<lb/>
mich mein Vormund aufs ernſtlichſte ermahnete<lb/>
und bedrohete, ſo ferne ich auch allhier darvon lieffe,<lb/>
mich alſofort in ein Zucht-Haus zu bringen. Be-<lb/>ſondere Urſache hatte ich nun eben nicht an Erfuͤl-<lb/>
lung dieſes troͤſtlichen Verſprechens zu zweifeln, denn<lb/>
meine Frau Vormundin, die mir ſo feind als einer<lb/>
Spinne war, lag ihm dieſerwegen beſtaͤndig in Oh-<lb/>
ren, und haͤtte lieber geſehen, wenn ich nur ihres<lb/>
Hundes wegen, bereits etliche Jahre im Zucht-Hauſe<lb/><fwplace="bottom"type="catch">geſeſſen</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[186/0200]
merckte, daß mir in kuͤnfftigen Jahren, das ſitzen ſo
beſchwerlich, als die gegenwaͤrtige ſchmutzige Arbeit
fallen wuͤrde, uͤber dieſes in Gefahr ſtehen muͤßte
gantz fruͤhzeitig blind zu werden, lieff ich darvon.
Man brachte mich auf die Apotheke, hieſelbſt war
die Arbeit vor den juͤngſten Jungen noch ſchmutziger,
meine Haͤnde wurden ſo garſtig, daß ich mich ſelbſt
ſcheuete daraus zu eſſen, mußte auch den gantzen Tag
bis in die ſpaͤte Nacht, die groͤßte Kaͤlte an Haͤnden
und Fuͤſſen ausſtehen, und durffte, bey allen meinen
Schmertzen, nicht einmahl eine betruͤbte Mine ma-
chen, derowegen lieff ich auch da darvon. Kurtz!
mein Vormund mochte mich hinbringen, wohin er
wolte, ich lieff darvon und wolte nirgends bleiben,
als auf der Schule, da aber ſelbiger dennoch bey ſei-
nem Schluſſe blieb, mich durchaus nicht ſtudiren zu
laſſen, ſondern meine Kleider verſchloß, und mich
mit Stuben-Arreſt, Schlaͤgen, Hunger und andern
Plagen ſo lange quaͤlele, bis ich endlich verſprach
mir ſelbſten eine Profeßion auszuſinnen und darbey
gut zu thun, erwehlte ich endlich die Chirurgie und
Barbier-Kunſt, und wurde zu einem beruͤhmten
Meiſter derſelben gebracht, in deſſen Gegenwart
mich mein Vormund aufs ernſtlichſte ermahnete
und bedrohete, ſo ferne ich auch allhier darvon lieffe,
mich alſofort in ein Zucht-Haus zu bringen. Be-
ſondere Urſache hatte ich nun eben nicht an Erfuͤl-
lung dieſes troͤſtlichen Verſprechens zu zweifeln, denn
meine Frau Vormundin, die mir ſo feind als einer
Spinne war, lag ihm dieſerwegen beſtaͤndig in Oh-
ren, und haͤtte lieber geſehen, wenn ich nur ihres
Hundes wegen, bereits etliche Jahre im Zucht-Hauſe
geſeſſen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/200>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.