Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

Bild:
<< vorherige Seite

er, betet GOtt an, und nicht mich als seinen un-
würdigsten Knecht, dancket dem Höchsten, der
euch das Geheimniß mit sichtbaren Augen anzuse-
hen, und zugleich eine solche Glückseligkeit gegön-
net hat, welche so viel hundert Käyser und Könige
vergeblich gewünscht haben. Allein mein Sohn,
fuhr er fort, ihr seyd dennoch viel zu leichtgläubig,
woher könnet ihr wissen, daß dieses würckliches und
aufrichtiges Gold sey, da selbiges noch von kei-
nem Unpartheyischen sattsam probirt ist, gehet
derowegen hin, ich schencke euch das gantze Stück,
lasset es von allen Goldschmieden examiniren, be-
dencket aber dabey euren gethanen Eyd, und kom-
met in dreyen Tagen wiederum an diesen Ort, so
dann wollen wir weitläufftiger mit einander spre-
chen. Um keine Grobheit gegen diesen capricieu-
sen Kopf zu begehen, bequemte mich augenblick-
lich zum Gehorsam, ging auch zu allen Gold-
schmieden in der gantzen Stadt, ließ mein Stück
probiren, und erhielt das allgemeine Zeugniß, daß
selbiges vom allerschönsten Cremnizer-Ducaten-
Golde wäre.

Nunmehro beklagte ich erstlich, daß mein sel.
Vater nicht noch am Leben seye, um dieses unver-
gleichliche Kunst-Stück mit Augen anzusehen.
Nunmehro bedaurete ich meine vormahlige Einfalt
und tummes Judicium von der Transmutatione
Metallorum.
Ja nunmehro war ich entschlossen
alle andere Wissenschafften an den Nagel hängen
zu lassen, und mich eintzig und allein auf das labo-
rir
en zu legen. Allein wie wurde mein gantzes
Gemüthe doch in das allergrößte Betrübniß ver-

setzt?

er, betet GOtt an, und nicht mich als ſeinen un-
wuͤrdigſten Knecht, dancket dem Hoͤchſten, der
euch das Geheimniß mit ſichtbaren Augen anzuſe-
hen, und zugleich eine ſolche Gluͤckſeligkeit gegoͤn-
net hat, welche ſo viel hundert Kaͤyſer und Koͤnige
vergeblich gewuͤnſcht haben. Allein mein Sohn,
fuhr er fort, ihr ſeyd dennoch viel zu leichtglaͤubig,
woher koͤnnet ihr wiſſen, daß dieſes wuͤrckliches und
aufrichtiges Gold ſey, da ſelbiges noch von kei-
nem Unpartheyiſchen ſattſam probirt iſt, gehet
derowegen hin, ich ſchencke euch das gantze Stuͤck,
laſſet es von allen Goldſchmieden examiniren, be-
dencket aber dabey euren gethanen Eyd, und kom-
met in dreyen Tagen wiederum an dieſen Ort, ſo
dann wollen wir weitlaͤufftiger mit einander ſpre-
chen. Um keine Grobheit gegen dieſen capricieu-
ſen Kopf zu begehen, bequemte mich augenblick-
lich zum Gehorſam, ging auch zu allen Gold-
ſchmieden in der gantzen Stadt, ließ mein Stuͤck
probiren, und erhielt das allgemeine Zeugniß, daß
ſelbiges vom allerſchoͤnſten Cremnizer-Ducaten-
Golde waͤre.

Nunmehro beklagte ich erſtlich, daß mein ſel.
Vater nicht noch am Leben ſeye, um dieſes unver-
gleichliche Kunſt-Stuͤck mit Augen anzuſehen.
Nunmehro bedaurete ich meine vormahlige Einfalt
und tummes Judicium von der Transmutatione
Metallorum.
Ja nunmehro war ich entſchloſſen
alle andere Wiſſenſchafften an den Nagel haͤngen
zu laſſen, und mich eintzig und allein auf das labo-
rir
en zu legen. Allein wie wurde mein gantzes
Gemuͤthe doch in das allergroͤßte Betruͤbniß ver-

ſetzt?
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <floatingText>
            <body>
              <div n="1">
                <p><pb facs="#f0281" n="267"/>
er, betet GOtt an, und nicht mich als &#x017F;einen un-<lb/>
wu&#x0364;rdig&#x017F;ten Knecht, dancket dem Ho&#x0364;ch&#x017F;ten, der<lb/>
euch das Geheimniß mit &#x017F;ichtbaren Augen anzu&#x017F;e-<lb/>
hen, und zugleich eine &#x017F;olche Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit gego&#x0364;n-<lb/>
net hat, welche &#x017F;o viel hundert Ka&#x0364;y&#x017F;er und Ko&#x0364;nige<lb/>
vergeblich gewu&#x0364;n&#x017F;cht haben. Allein mein Sohn,<lb/>
fuhr er fort, ihr &#x017F;eyd dennoch viel zu leichtgla&#x0364;ubig,<lb/>
woher ko&#x0364;nnet ihr wi&#x017F;&#x017F;en, daß die&#x017F;es wu&#x0364;rckliches und<lb/>
aufrichtiges Gold &#x017F;ey, da &#x017F;elbiges noch von kei-<lb/>
nem Unpartheyi&#x017F;chen &#x017F;att&#x017F;am <hi rendition="#aq">probirt</hi> i&#x017F;t, gehet<lb/>
derowegen hin, ich &#x017F;chencke euch das gantze Stu&#x0364;ck,<lb/>
la&#x017F;&#x017F;et es von allen Gold&#x017F;chmieden <hi rendition="#aq">examinir</hi>en, be-<lb/>
dencket aber dabey euren gethanen Eyd, und kom-<lb/>
met in dreyen Tagen wiederum an die&#x017F;en Ort, &#x017F;o<lb/>
dann wollen wir weitla&#x0364;ufftiger mit einander &#x017F;pre-<lb/>
chen. Um keine Grobheit gegen die&#x017F;en <hi rendition="#aq">capricieu-</hi><lb/>
&#x017F;en Kopf zu begehen, bequemte mich augenblick-<lb/>
lich zum Gehor&#x017F;am, ging auch zu allen Gold-<lb/>
&#x017F;chmieden in der gantzen Stadt, ließ mein Stu&#x0364;ck<lb/><hi rendition="#aq">probir</hi>en, und erhielt das allgemeine Zeugniß, daß<lb/>
&#x017F;elbiges vom aller&#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten <hi rendition="#aq">Cremnizer-Ducat</hi>en-<lb/>
Golde wa&#x0364;re.</p><lb/>
                <p>Nunmehro beklagte ich er&#x017F;tlich, daß mein &#x017F;el.<lb/>
Vater nicht noch am Leben &#x017F;eye, um die&#x017F;es unver-<lb/>
gleichliche Kun&#x017F;t-Stu&#x0364;ck mit Augen anzu&#x017F;ehen.<lb/>
Nunmehro bedaurete ich meine vormahlige Einfalt<lb/>
und tummes <hi rendition="#aq">Judicium</hi> von der <hi rendition="#aq">Transmutatione<lb/>
Metallorum.</hi> Ja nunmehro war ich ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en<lb/>
alle andere Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafften an den Nagel ha&#x0364;ngen<lb/>
zu la&#x017F;&#x017F;en, und mich eintzig und allein auf das <hi rendition="#aq">labo-<lb/>
rir</hi>en zu legen. Allein wie wurde mein gantzes<lb/>
Gemu&#x0364;the doch in das allergro&#x0364;ßte Betru&#x0364;bniß ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;etzt?</fw><lb/></p>
              </div>
            </body>
          </floatingText>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[267/0281] er, betet GOtt an, und nicht mich als ſeinen un- wuͤrdigſten Knecht, dancket dem Hoͤchſten, der euch das Geheimniß mit ſichtbaren Augen anzuſe- hen, und zugleich eine ſolche Gluͤckſeligkeit gegoͤn- net hat, welche ſo viel hundert Kaͤyſer und Koͤnige vergeblich gewuͤnſcht haben. Allein mein Sohn, fuhr er fort, ihr ſeyd dennoch viel zu leichtglaͤubig, woher koͤnnet ihr wiſſen, daß dieſes wuͤrckliches und aufrichtiges Gold ſey, da ſelbiges noch von kei- nem Unpartheyiſchen ſattſam probirt iſt, gehet derowegen hin, ich ſchencke euch das gantze Stuͤck, laſſet es von allen Goldſchmieden examiniren, be- dencket aber dabey euren gethanen Eyd, und kom- met in dreyen Tagen wiederum an dieſen Ort, ſo dann wollen wir weitlaͤufftiger mit einander ſpre- chen. Um keine Grobheit gegen dieſen capricieu- ſen Kopf zu begehen, bequemte mich augenblick- lich zum Gehorſam, ging auch zu allen Gold- ſchmieden in der gantzen Stadt, ließ mein Stuͤck probiren, und erhielt das allgemeine Zeugniß, daß ſelbiges vom allerſchoͤnſten Cremnizer-Ducaten- Golde waͤre. Nunmehro beklagte ich erſtlich, daß mein ſel. Vater nicht noch am Leben ſeye, um dieſes unver- gleichliche Kunſt-Stuͤck mit Augen anzuſehen. Nunmehro bedaurete ich meine vormahlige Einfalt und tummes Judicium von der Transmutatione Metallorum. Ja nunmehro war ich entſchloſſen alle andere Wiſſenſchafften an den Nagel haͤngen zu laſſen, und mich eintzig und allein auf das labo- riren zu legen. Allein wie wurde mein gantzes Gemuͤthe doch in das allergroͤßte Betruͤbniß ver- ſetzt?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/281
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/281>, abgerufen am 21.11.2024.