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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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men nennete, zu Hause sey? und ob es ihm würde
gelegen seyn, sich diesen Abend sprechen zu lassen? Jch
gab hierauf zur Antwort, daß derjenige, nach wel-
chem er fragte, nur vor wenig Wochen gestorben,
erkannte aber auf einmahl an seinem Gesichte, daß
dieser einer von den zweyen Passagiers, welche, nun-
mehro bey nahe vor einem Jahre, mit dem Daniel
auf der schnellen Post davon gefahren. Derowe-
gen fing ich vor Freuden an zu zittern, zumahlen da
er sich stellete, als ob er nach Anhörung so unverhoff-
ter Zeitung, wieder Abschied nehmen wolte, iedoch
auf mein inständiges Bitten ließ er sichs endlich ge-
fallen, bey mir ein Nacht-Quartier zu nehmen. Jch
ließ nebst dem köstlichsten Weine, die besten Delica-
tess
en auftragen, so nur zu haben waren, that her-
nach dem Fremden, eine ausführliche Erzehlung
von meines Herrn Leben und Tode, hernachmahls
auch von meinem eigenen Wesen, und wie weit ich es
in der Kunst aller Künste gebracht hätte. Jndem
ich ihm das Anagramma vorlegte, vermerckte ich,
daß er unter dem lesen Blutroth im Gesichte wurde,
letzlich aber ein klein wenig die lincke Schulter zuck-
te. Auf mein Befragen, was er von diesem Ana-
grammate
urtheilete, gab er diese Antwort: Mein
werther Herr und Freund! verzeihet mir, ich darff
gegen euch, bis auf expressen Befehl meines Mei-
sters des Danielis Artistae, von diesen Sachen kein
positives Urtheil fällen, allein ich werde ihm die gan-
tze Beschaffenheit gewissenhafft referiren. Be-
liebt euch nicht, versetzte ich, diesen Zettel mit dem
Anagrammate beyzustecken, oder eine Abschrifft da-
von zu nehmen? Es ist nicht nöthig, sprach er, denn

bekand-

men nennete, zu Hauſe ſey? und ob es ihm wuͤrde
gelegen ſeyn, ſich dieſen Abend ſprechen zu laſſen? Jch
gab hierauf zur Antwort, daß derjenige, nach wel-
chem er fragte, nur vor wenig Wochen geſtorben,
erkannte aber auf einmahl an ſeinem Geſichte, daß
dieſer einer von den zweyen Paſſagiers, welche, nun-
mehro bey nahe vor einem Jahre, mit dem Daniel
auf der ſchnellen Poſt davon gefahren. Derowe-
gen fing ich vor Freuden an zu zittern, zumahlen da
er ſich ſtellete, als ob er nach Anhoͤrung ſo unverhoff-
ter Zeitung, wieder Abſchied nehmen wolte, iedoch
auf mein inſtaͤndiges Bitten ließ er ſichs endlich ge-
fallen, bey mir ein Nacht-Quartier zu nehmen. Jch
ließ nebſt dem koͤſtlichſten Weine, die beſten Delica-
teſſ
en auftragen, ſo nur zu haben waren, that her-
nach dem Fremden, eine ausfuͤhrliche Erzehlung
von meines Herrn Leben und Tode, hernachmahls
auch von meinem eigenen Weſen, und wie weit ich es
in der Kunſt aller Kuͤnſte gebracht haͤtte. Jndem
ich ihm das Anagramma vorlegte, vermerckte ich,
daß er unter dem leſen Blutroth im Geſichte wurde,
letzlich aber ein klein wenig die lincke Schulter zuck-
te. Auf mein Befragen, was er von dieſem Ana-
grammate
urtheilete, gab er dieſe Antwort: Mein
werther Herr und Freund! verzeihet mir, ich darff
gegen euch, bis auf expreſſen Befehl meines Mei-
ſters des Danielis Artiſtæ, von dieſen Sachen kein
poſitives Urtheil faͤllen, allein ich werde ihm die gan-
tze Beſchaffenheit gewiſſenhafft referiren. Be-
liebt euch nicht, verſetzte ich, dieſen Zettel mit dem
Anagrammate beyzuſtecken, oder eine Abſchrifft da-
von zu nehmen? Es iſt nicht noͤthig, ſprach er, denn

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[302/0316] men nennete, zu Hauſe ſey? und ob es ihm wuͤrde gelegen ſeyn, ſich dieſen Abend ſprechen zu laſſen? Jch gab hierauf zur Antwort, daß derjenige, nach wel- chem er fragte, nur vor wenig Wochen geſtorben, erkannte aber auf einmahl an ſeinem Geſichte, daß dieſer einer von den zweyen Paſſagiers, welche, nun- mehro bey nahe vor einem Jahre, mit dem Daniel auf der ſchnellen Poſt davon gefahren. Derowe- gen fing ich vor Freuden an zu zittern, zumahlen da er ſich ſtellete, als ob er nach Anhoͤrung ſo unverhoff- ter Zeitung, wieder Abſchied nehmen wolte, iedoch auf mein inſtaͤndiges Bitten ließ er ſichs endlich ge- fallen, bey mir ein Nacht-Quartier zu nehmen. Jch ließ nebſt dem koͤſtlichſten Weine, die beſten Delica- teſſen auftragen, ſo nur zu haben waren, that her- nach dem Fremden, eine ausfuͤhrliche Erzehlung von meines Herrn Leben und Tode, hernachmahls auch von meinem eigenen Weſen, und wie weit ich es in der Kunſt aller Kuͤnſte gebracht haͤtte. Jndem ich ihm das Anagramma vorlegte, vermerckte ich, daß er unter dem leſen Blutroth im Geſichte wurde, letzlich aber ein klein wenig die lincke Schulter zuck- te. Auf mein Befragen, was er von dieſem Ana- grammate urtheilete, gab er dieſe Antwort: Mein werther Herr und Freund! verzeihet mir, ich darff gegen euch, bis auf expreſſen Befehl meines Mei- ſters des Danielis Artiſtæ, von dieſen Sachen kein poſitives Urtheil faͤllen, allein ich werde ihm die gan- tze Beſchaffenheit gewiſſenhafft referiren. Be- liebt euch nicht, verſetzte ich, dieſen Zettel mit dem Anagrammate beyzuſtecken, oder eine Abſchrifft da- von zu nehmen? Es iſt nicht noͤthig, ſprach er, denn bekand-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/316>, abgerufen am 21.11.2024.