nun der Lehr-Junge eben im Begriff war, eine Kan- ne Bier von der Ausgeberin, ich aber indessen das aus Holtz geschnitzte Bild des heil. Bonifacii, wel- ches oben in einer Ecke angenagelt war, herunter zu langen, brach mir dieser wurmstichige Heilige un- ter den Händen entzwey und schüttete aus seinem ausgehölten Leibe eine grosse Menge Gold-Stücke über meinen Kopf, weßwegen ich ungemein erschrack, jedoch das Bild vollends herunter hub, die ausge- streuten Gold-Stücke alle zusammen in meine Mütze sammlete, und befand, daß es 632. Stück lauter Cremnizer Ducaten waren.
Diese Arbeit war vollbracht, ehe mein Lehr- Junge mit dem Biere, und der Haus-Knecht mit dem Mittags-Brode ankam, welchen letztern ich bat, dem Haus-Herrn meinetwegen zu sagen, daß er augenblicklich zu mir in die Stube kommen möch- te, weil ihm etwas besonders anzuzeigen hätte. Da aber der Haus-Herr eben bey der Mittags-Mahl- zeit gesessen, so kam er nicht eher zur Stelle bis nach aufgehobener Tafel, fragte auch sogleich, was es besonders gäbe? Mein Herr! gab ich ihm zur Antwort, es wird euch bewußt seyn, daß die Lu- theraner, als zu welcher Parthey ich mich bekenne, nicht glauben, daß die verstorbenen Heiligen den annoch lebenden Menschen einige Wohlthaten erzei- gen können, allein euer heiliger Bonifacius, des- sen vortrefflichen Nahmen ich zu seinen Füssen an- geschrieben sehe, hat mich heute eines andern über- zeugt. Denn ohngeacht ich so unglücklich gewesen, seinen, von Würmern gantz durchfressenen Cörper, zu zerbrechen, so hat er mir dennoch dieses Geschen-
cke,
nun der Lehr-Junge eben im Begriff war, eine Kan- ne Bier von der Ausgeberin, ich aber indeſſen das aus Holtz geſchnitzte Bild des heil. Bonifacii, wel- ches oben in einer Ecke angenagelt war, herunter zu langen, brach mir dieſer wurmſtichige Heilige un- ter den Haͤnden entzwey und ſchuͤttete aus ſeinem ausgehoͤlten Leibe eine groſſe Menge Gold-Stuͤcke uͤber meinen Kopf, weßwegen ich ungemein erſchrack, jedoch das Bild vollends herunter hub, die ausge- ſtreuten Gold-Stuͤcke alle zuſammen in meine Muͤtze ſammlete, und befand, daß es 632. Stuͤck lauter Cremnizer Ducaten waren.
Dieſe Arbeit war vollbracht, ehe mein Lehr- Junge mit dem Biere, und der Haus-Knecht mit dem Mittags-Brode ankam, welchen letztern ich bat, dem Haus-Herrn meinetwegen zu ſagen, daß er augenblicklich zu mir in die Stube kommen moͤch- te, weil ihm etwas beſonders anzuzeigen haͤtte. Da aber der Haus-Herr eben bey der Mittags-Mahl- zeit geſeſſen, ſo kam er nicht eher zur Stelle bis nach aufgehobener Tafel, fragte auch ſogleich, was es beſonders gaͤbe? Mein Herr! gab ich ihm zur Antwort, es wird euch bewußt ſeyn, daß die Lu- theraner, als zu welcher Parthey ich mich bekenne, nicht glauben, daß die verſtorbenen Heiligen den annoch lebenden Menſchen einige Wohlthaten erzei- gen koͤnnen, allein euer heiliger Bonifacius, deſ- ſen vortrefflichen Nahmen ich zu ſeinen Fuͤſſen an- geſchrieben ſehe, hat mich heute eines andern uͤber- zeugt. Denn ohngeacht ich ſo ungluͤcklich geweſen, ſeinen, von Wuͤrmern gantz durchfreſſenen Coͤrper, zu zerbrechen, ſo hat er mir dennoch dieſes Geſchen-
cke,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0347"n="333"/>
nun der Lehr-Junge eben im Begriff war, eine Kan-<lb/>
ne Bier von der Ausgeberin, ich aber indeſſen das<lb/>
aus Holtz geſchnitzte Bild des heil. <hirendition="#aq">Bonifacii,</hi> wel-<lb/>
ches oben in einer Ecke angenagelt war, herunter zu<lb/>
langen, brach mir dieſer wurmſtichige Heilige un-<lb/>
ter den Haͤnden entzwey und ſchuͤttete aus ſeinem<lb/>
ausgehoͤlten Leibe eine groſſe Menge Gold-Stuͤcke<lb/>
uͤber meinen Kopf, weßwegen ich ungemein erſchrack,<lb/>
jedoch das Bild vollends herunter hub, die ausge-<lb/>ſtreuten Gold-Stuͤcke alle zuſammen in meine Muͤtze<lb/>ſammlete, und befand, daß es 632. Stuͤck lauter<lb/><hirendition="#aq">Cremnizer Ducat</hi>en waren.</p><lb/><p>Dieſe Arbeit war vollbracht, ehe mein Lehr-<lb/>
Junge mit dem Biere, und der Haus-Knecht mit<lb/>
dem Mittags-Brode ankam, welchen letztern ich<lb/>
bat, dem Haus-Herrn meinetwegen zu ſagen, daß<lb/>
er augenblicklich zu mir in die Stube kommen moͤch-<lb/>
te, weil ihm etwas beſonders anzuzeigen haͤtte. Da<lb/>
aber der Haus-Herr eben bey der Mittags-Mahl-<lb/>
zeit geſeſſen, ſo kam er nicht eher zur Stelle bis nach<lb/>
aufgehobener Tafel, fragte auch ſogleich, was<lb/>
es beſonders gaͤbe? Mein Herr! gab ich ihm<lb/>
zur Antwort, es wird euch bewußt ſeyn, daß die Lu-<lb/>
theraner, als zu welcher Parthey ich mich bekenne,<lb/>
nicht glauben, daß die verſtorbenen Heiligen den<lb/>
annoch lebenden Menſchen einige Wohlthaten erzei-<lb/>
gen koͤnnen, allein euer heiliger <hirendition="#aq">Bonifacius,</hi> deſ-<lb/>ſen vortrefflichen Nahmen ich zu ſeinen Fuͤſſen an-<lb/>
geſchrieben ſehe, hat mich heute eines andern uͤber-<lb/>
zeugt. Denn ohngeacht ich ſo ungluͤcklich geweſen,<lb/>ſeinen, von Wuͤrmern gantz durchfreſſenen Coͤrper,<lb/>
zu zerbrechen, ſo hat er mir dennoch dieſes Geſchen-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">cke,</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[333/0347]
nun der Lehr-Junge eben im Begriff war, eine Kan-
ne Bier von der Ausgeberin, ich aber indeſſen das
aus Holtz geſchnitzte Bild des heil. Bonifacii, wel-
ches oben in einer Ecke angenagelt war, herunter zu
langen, brach mir dieſer wurmſtichige Heilige un-
ter den Haͤnden entzwey und ſchuͤttete aus ſeinem
ausgehoͤlten Leibe eine groſſe Menge Gold-Stuͤcke
uͤber meinen Kopf, weßwegen ich ungemein erſchrack,
jedoch das Bild vollends herunter hub, die ausge-
ſtreuten Gold-Stuͤcke alle zuſammen in meine Muͤtze
ſammlete, und befand, daß es 632. Stuͤck lauter
Cremnizer Ducaten waren.
Dieſe Arbeit war vollbracht, ehe mein Lehr-
Junge mit dem Biere, und der Haus-Knecht mit
dem Mittags-Brode ankam, welchen letztern ich
bat, dem Haus-Herrn meinetwegen zu ſagen, daß
er augenblicklich zu mir in die Stube kommen moͤch-
te, weil ihm etwas beſonders anzuzeigen haͤtte. Da
aber der Haus-Herr eben bey der Mittags-Mahl-
zeit geſeſſen, ſo kam er nicht eher zur Stelle bis nach
aufgehobener Tafel, fragte auch ſogleich, was
es beſonders gaͤbe? Mein Herr! gab ich ihm
zur Antwort, es wird euch bewußt ſeyn, daß die Lu-
theraner, als zu welcher Parthey ich mich bekenne,
nicht glauben, daß die verſtorbenen Heiligen den
annoch lebenden Menſchen einige Wohlthaten erzei-
gen koͤnnen, allein euer heiliger Bonifacius, deſ-
ſen vortrefflichen Nahmen ich zu ſeinen Fuͤſſen an-
geſchrieben ſehe, hat mich heute eines andern uͤber-
zeugt. Denn ohngeacht ich ſo ungluͤcklich geweſen,
ſeinen, von Wuͤrmern gantz durchfreſſenen Coͤrper,
zu zerbrechen, ſo hat er mir dennoch dieſes Geſchen-
cke,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/347>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.