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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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jedes vor sein Theil, kaum 20. Gülden zu fordern,
derowegen schenckte ich der Mutter meine Portion
der Erbschafft, und reisete etliche 30. bis 40. Mei-
len in die Welt hinein. Alldieweiln ich nun, ohne
Ruhm zu melden, etwas rechtschaffenes in meiner
Profession gelernet zu haben, ziemlich versichert war,
so suchte keine andere Arbeit, als in den größten
Städten, und zwar bey solchen Meistern, die keine
Marckt-oder Bauer-Arbeit machten, hatte auch im-
mer das Glück, nicht lange auf der Bären-Haut zu
liegen.

Meine stille und ziemlich melancholisch scheinen-
de Lebens-Art, die aber einen desto stärckern Fleiß bey
der Arbeit beförderte, erwarb mir gemeiniglich die
Gunst der Meister, hergegen einen heimlichen Haß
bey den Mittgesellen, jedoch ich machte mir dieserwe-
gen nicht die geringste Sorge, im Gegentheil hatte
mehrern Vortheil davon, weil ich solchergestalt von
vielen Ungelegenheiten, die durch das Sauffen, Spie-
len und anderes liederliches Leben zu entstehen pfle-
gen, befreyet blieb.

Diesemnach kan mich keiner besondern Avantu-
ren rühmen, es müsse denn seyn, daß folgende, einen
Platz unter den besondern Begebenheiten, eines rei-
senden Handwercks-Purschen verdieneten:

Mein Meister, welches der vornehmste Tischler
in der berühmten Residentz eines Römisch Catho-
lischen Bischoffs war, schickte mich eines Tages
nebst einem Jungen in das Haus eines sehr reichen
Mannes, um das Täfel-Werck aus seiner Wohn-
Stube zu reissen, hergegen selbige Stube aufs neue
mit Nuß-Baum-Holtze auszutäfeln. Jndem

nun

jedes vor ſein Theil, kaum 20. Guͤlden zu fordern,
derowegen ſchenckte ich der Mutter meine Portion
der Erbſchafft, und reiſete etliche 30. bis 40. Mei-
len in die Welt hinein. Alldieweiln ich nun, ohne
Ruhm zu melden, etwas rechtſchaffenes in meiner
Profeſſion gelernet zu haben, ziemlich verſichert war,
ſo ſuchte keine andere Arbeit, als in den groͤßten
Staͤdten, und zwar bey ſolchen Meiſtern, die keine
Marckt-oder Bauer-Arbeit machten, hatte auch im-
mer das Gluͤck, nicht lange auf der Baͤren-Haut zu
liegen.

Meine ſtille und ziemlich melancholiſch ſcheinen-
de Lebens-Art, die aber einen deſto ſtaͤrckern Fleiß bey
der Arbeit befoͤrderte, erwarb mir gemeiniglich die
Gunſt der Meiſter, hergegen einen heimlichen Haß
bey den Mittgeſellen, jedoch ich machte mir dieſerwe-
gen nicht die geringſte Sorge, im Gegentheil hatte
mehrern Vortheil davon, weil ich ſolchergeſtalt von
vielen Ungelegenheiten, die durch das Sauffen, Spie-
len und anderes liederliches Leben zu entſtehen pfle-
gen, befreyet blieb.

Dieſemnach kan mich keiner beſondern Avantu-
ren ruͤhmen, es muͤſſe denn ſeyn, daß folgende, einen
Platz unter den beſondern Begebenheiten, eines rei-
ſenden Handwercks-Purſchen verdieneten:

Mein Meiſter, welches der vornehmſte Tiſchler
in der beruͤhmten Reſidentz eines Roͤmiſch Catho-
liſchen Biſchoffs war, ſchickte mich eines Tages
nebſt einem Jungen in das Haus eines ſehr reichen
Mannes, um das Taͤfel-Werck aus ſeiner Wohn-
Stube zu reiſſen, hergegen ſelbige Stube aufs neue
mit Nuß-Baum-Holtze auszutaͤfeln. Jndem

nun
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[332/0346] jedes vor ſein Theil, kaum 20. Guͤlden zu fordern, derowegen ſchenckte ich der Mutter meine Portion der Erbſchafft, und reiſete etliche 30. bis 40. Mei- len in die Welt hinein. Alldieweiln ich nun, ohne Ruhm zu melden, etwas rechtſchaffenes in meiner Profeſſion gelernet zu haben, ziemlich verſichert war, ſo ſuchte keine andere Arbeit, als in den groͤßten Staͤdten, und zwar bey ſolchen Meiſtern, die keine Marckt-oder Bauer-Arbeit machten, hatte auch im- mer das Gluͤck, nicht lange auf der Baͤren-Haut zu liegen. Meine ſtille und ziemlich melancholiſch ſcheinen- de Lebens-Art, die aber einen deſto ſtaͤrckern Fleiß bey der Arbeit befoͤrderte, erwarb mir gemeiniglich die Gunſt der Meiſter, hergegen einen heimlichen Haß bey den Mittgeſellen, jedoch ich machte mir dieſerwe- gen nicht die geringſte Sorge, im Gegentheil hatte mehrern Vortheil davon, weil ich ſolchergeſtalt von vielen Ungelegenheiten, die durch das Sauffen, Spie- len und anderes liederliches Leben zu entſtehen pfle- gen, befreyet blieb. Dieſemnach kan mich keiner beſondern Avantu- ren ruͤhmen, es muͤſſe denn ſeyn, daß folgende, einen Platz unter den beſondern Begebenheiten, eines rei- ſenden Handwercks-Purſchen verdieneten: Mein Meiſter, welches der vornehmſte Tiſchler in der beruͤhmten Reſidentz eines Roͤmiſch Catho- liſchen Biſchoffs war, ſchickte mich eines Tages nebſt einem Jungen in das Haus eines ſehr reichen Mannes, um das Taͤfel-Werck aus ſeiner Wohn- Stube zu reiſſen, hergegen ſelbige Stube aufs neue mit Nuß-Baum-Holtze auszutaͤfeln. Jndem nun

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/346>, abgerufen am 21.11.2024.