stig gemacht hatte, und zwar unter dem Scheine, daß er ihr die Jrrthümer der Römischen Kirche ent- decken wollen, allein, er hatte ihr unter solchem Deck-Mantel, seine Liebe entdeckt, und meine Lieb- ste, als eine von Jugend auf delicat erzogene Per- son, war freylich eben nicht zu verdencken, daß sie sich von einem reichen Priesters-Sohne, der eben im Begriff war, seinem Vater substituirt zu wer- den, einnehmen lassen, da er ohnedem vor einen sehr ansehnlichen Menschen passiren konte. Der listige Betrug biß mich zwar immer noch am Her- tzen, allein, was war nunmehro besser zu thun, als sich in die Zeit zu schicken? Demnach konte ich ih- ren unabläßigen Nöthigen endlich keinen fernern Widerstand thun, sondern ließ mich von diesen beyden Ehe-Leuten, an beyden Händen in ihr Haus führen.
Man bedencke, was dergleichen Aufzug, wenn nemlich ein ansehnlicher Priester, nebst seiner schö- nen Ehe-Frau, einen jämmerlich zerlumpten Hand- wercks-Purschen, ja besser gesagt, Bettler, bey den Händen in ihr Haus einführen, vor ein Aufsehen in einem sehr volckreichen Dorffe machen kan. Jch schämete mich mehr als sie selbsten, allein versichert, solche Humanite veränderte mein Gemüthe derge- stalt, daß ich allen Kummer und Verdruß schwin- den ließ, und zu ihrer vergnügten Ehe, aus getreuen Hertzen gratulirte, und mich glücklich schätzte, ein Werckzeug zum Wohlstande solcher Personen ge- wesen zu seyn.
Jch will, um fernere Weitläufftigkeit zu vermei- den, nicht anführen, wie die Gespräche unter uns
gefal-
ſtig gemacht hatte, und zwar unter dem Scheine, daß er ihr die Jrrthuͤmer der Roͤmiſchen Kirche ent- decken wollen, allein, er hatte ihr unter ſolchem Deck-Mantel, ſeine Liebe entdeckt, und meine Lieb- ſte, als eine von Jugend auf delicat erzogene Per- ſon, war freylich eben nicht zu verdencken, daß ſie ſich von einem reichen Prieſters-Sohne, der eben im Begriff war, ſeinem Vater ſubſtituirt zu wer- den, einnehmen laſſen, da er ohnedem vor einen ſehr anſehnlichen Menſchen paſſiren konte. Der liſtige Betrug biß mich zwar immer noch am Her- tzen, allein, was war nunmehro beſſer zu thun, als ſich in die Zeit zu ſchicken? Demnach konte ich ih- ren unablaͤßigen Noͤthigen endlich keinen fernern Widerſtand thun, ſondern ließ mich von dieſen beyden Ehe-Leuten, an beyden Haͤnden in ihr Haus fuͤhren.
Man bedencke, was dergleichen Aufzug, wenn nemlich ein anſehnlicher Prieſter, nebſt ſeiner ſchoͤ- nen Ehe-Frau, einen jaͤmmerlich zerlumpten Hand- wercks-Purſchen, ja beſſer geſagt, Bettler, bey den Haͤnden in ihr Haus einfuͤhren, vor ein Aufſehen in einem ſehr volckreichen Dorffe machen kan. Jch ſchaͤmete mich mehr als ſie ſelbſten, allein verſichert, ſolche Humanité veraͤnderte mein Gemuͤthe derge- ſtalt, daß ich allen Kummer und Verdruß ſchwin- den ließ, und zu ihrer vergnuͤgten Ehe, aus getreuen Hertzen gratulirte, und mich gluͤcklich ſchaͤtzte, ein Werckzeug zum Wohlſtande ſolcher Perſonen ge- weſen zu ſeyn.
Jch will, um fernere Weitlaͤufftigkeit zu vermei- den, nicht anfuͤhren, wie die Geſpraͤche unter uns
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ſtig gemacht hatte, und zwar unter dem Scheine,
daß er ihr die Jrrthuͤmer der Roͤmiſchen Kirche ent-
decken wollen, allein, er hatte ihr unter ſolchem
Deck-Mantel, ſeine Liebe entdeckt, und meine Lieb-
ſte, als eine von Jugend auf delicat erzogene Per-
ſon, war freylich eben nicht zu verdencken, daß ſie
ſich von einem reichen Prieſters-Sohne, der eben
im Begriff war, ſeinem Vater ſubſtituirt zu wer-
den, einnehmen laſſen, da er ohnedem vor einen
ſehr anſehnlichen Menſchen paſſiren konte. Der
liſtige Betrug biß mich zwar immer noch am Her-
tzen, allein, was war nunmehro beſſer zu thun, als
ſich in die Zeit zu ſchicken? Demnach konte ich ih-
ren unablaͤßigen Noͤthigen endlich keinen fernern
Widerſtand thun, ſondern ließ mich von dieſen
beyden Ehe-Leuten, an beyden Haͤnden in ihr Haus
fuͤhren.
Man bedencke, was dergleichen Aufzug, wenn
nemlich ein anſehnlicher Prieſter, nebſt ſeiner ſchoͤ-
nen Ehe-Frau, einen jaͤmmerlich zerlumpten Hand-
wercks-Purſchen, ja beſſer geſagt, Bettler, bey den
Haͤnden in ihr Haus einfuͤhren, vor ein Aufſehen
in einem ſehr volckreichen Dorffe machen kan. Jch
ſchaͤmete mich mehr als ſie ſelbſten, allein verſichert,
ſolche Humanité veraͤnderte mein Gemuͤthe derge-
ſtalt, daß ich allen Kummer und Verdruß ſchwin-
den ließ, und zu ihrer vergnuͤgten Ehe, aus getreuen
Hertzen gratulirte, und mich gluͤcklich ſchaͤtzte, ein
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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/372>, abgerufen am 25.11.2024.
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