Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

Bild:
<< vorherige Seite

bißherigen Lebens-Art, und darbey den grossen
Zweiffel zu vernehmen gab: Ob ein solcher Mensch
wie ich, annoch Vergebung und Gnade bey GOtt
erlangen könne? Demnach war er fast eine gantze
Nacht hindurch bemühet, mich aus der Verzweif-
felung zu reissen, und auf die rechte Strasse zu brin-
gen, da ich nun gegen Morgen, eine ernstliche Neue,
Busse und Glauben durch Worte und Gebärden
zeigte, absolvirte er mich, und reichte mir nachhero
in aller Stille das Hochwürdige Abendmahl, wor-
auf ich ungemeine Linderung, so wohl an den Leibes-
als Gewissens-Wunden fühlete, und ein Gelübde
that, welches so viel in sich hielt: Daß, wenn mich
GOtt diesesmahl beym Leben erhalten würde, ich so
gleich nach wieder erlangter Gesundheit, alles mein
Geld und Gut unter die Armen theilen, und nichts
mehr davon übrig behalten wolte, als was ich zur
Reise in mein Vaterland höchst vonnöthen hätte,
daselbst wolte ich denn auch, die, meinem Vetter
übermachten 200. spec. Ducaten und den Werth
von dem übrigen übel erworbenen Reste, an Kir-
chen, Schulen und arme Leute verwenden. Bald
nach diesem gethanen Gelübde, ließ sichs mit mei-
nen Schäden zu schleuniger Besserung an, die
Aertzte fiengen an besser zu trösten, sagten aber frey
heraus, daß, wenn ich vollkommen curiret seyn wol-
te, sie, um den Eyter aus der Brust-Höle zu zapffen,
über den kurtzen Rippen eine Oeffnung machen
müsten.

Jch gab meinen Willen drein, stund die höchst-
schmertzliche Cux aus, und wurde also nach wenig
Wochen vollkommen gesund. Allein, wer solte es

wohl

bißherigen Lebens-Art, und darbey den groſſen
Zweiffel zu vernehmen gab: Ob ein ſolcher Menſch
wie ich, annoch Vergebung und Gnade bey GOtt
erlangen koͤnne? Demnach war er faſt eine gantze
Nacht hindurch bemuͤhet, mich aus der Verzweif-
felung zu reiſſen, und auf die rechte Straſſe zu brin-
gen, da ich nun gegen Morgen, eine ernſtliche Neue,
Buſſe und Glauben durch Worte und Gebaͤrden
zeigte, abſolvirte er mich, und reichte mir nachhero
in aller Stille das Hochwuͤrdige Abendmahl, wor-
auf ich ungemeine Linderung, ſo wohl an den Leibes-
als Gewiſſens-Wunden fuͤhlete, und ein Geluͤbde
that, welches ſo viel in ſich hielt: Daß, wenn mich
GOtt dieſesmahl beym Leben erhalten wuͤrde, ich ſo
gleich nach wieder erlangter Geſundheit, alles mein
Geld und Gut unter die Armen theilen, und nichts
mehr davon uͤbrig behalten wolte, als was ich zur
Reiſe in mein Vaterland hoͤchſt vonnoͤthen haͤtte,
daſelbſt wolte ich denn auch, die, meinem Vetter
uͤbermachten 200. ſpec. Ducaten und den Werth
von dem uͤbrigen uͤbel erworbenen Reſte, an Kir-
chen, Schulen und arme Leute verwenden. Bald
nach dieſem gethanen Geluͤbde, ließ ſichs mit mei-
nen Schaͤden zu ſchleuniger Beſſerung an, die
Aertzte fiengen an beſſer zu troͤſten, ſagten aber frey
heraus, daß, wenn ich vollkommen curiret ſeyn wol-
te, ſie, um den Eyter aus der Bruſt-Hoͤle zu zapffen,
uͤber den kurtzen Rippen eine Oeffnung machen
muͤſten.

Jch gab meinen Willen drein, ſtund die hoͤchſt-
ſchmertzliche Cux aus, und wurde alſo nach wenig
Wochen vollkommen geſund. Allein, wer ſolte es

wohl
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0395" n="381"/>
bißherigen Lebens-Art, und darbey den gro&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Zweiffel zu vernehmen gab: Ob ein &#x017F;olcher Men&#x017F;ch<lb/>
wie ich, annoch Vergebung und Gnade bey GOtt<lb/>
erlangen ko&#x0364;nne? Demnach war er fa&#x017F;t eine gantze<lb/>
Nacht hindurch bemu&#x0364;het, mich aus der Verzweif-<lb/>
felung zu rei&#x017F;&#x017F;en, und auf die rechte Stra&#x017F;&#x017F;e zu brin-<lb/>
gen, da ich nun gegen Morgen, eine ern&#x017F;tliche Neue,<lb/>
Bu&#x017F;&#x017F;e und Glauben durch Worte und Geba&#x0364;rden<lb/>
zeigte, ab&#x017F;olvirte er mich, und reichte mir nachhero<lb/>
in aller Stille das Hochwu&#x0364;rdige Abendmahl, wor-<lb/>
auf ich ungemeine Linderung, &#x017F;o wohl an den Leibes-<lb/>
als Gewi&#x017F;&#x017F;ens-Wunden fu&#x0364;hlete, und ein Gelu&#x0364;bde<lb/>
that, welches &#x017F;o viel in &#x017F;ich hielt: Daß, wenn mich<lb/>
GOtt die&#x017F;esmahl beym Leben erhalten wu&#x0364;rde, ich &#x017F;o<lb/>
gleich nach wieder erlangter Ge&#x017F;undheit, alles mein<lb/>
Geld und Gut unter die Armen theilen, und nichts<lb/>
mehr davon u&#x0364;brig behalten wolte, als was ich zur<lb/>
Rei&#x017F;e in mein Vaterland ho&#x0364;ch&#x017F;t vonno&#x0364;then ha&#x0364;tte,<lb/>
da&#x017F;elb&#x017F;t wolte ich denn auch, die, meinem Vetter<lb/>
u&#x0364;bermachten 200. &#x017F;pec. Ducaten und den Werth<lb/>
von dem u&#x0364;brigen u&#x0364;bel erworbenen Re&#x017F;te, an Kir-<lb/>
chen, Schulen und arme Leute verwenden. Bald<lb/>
nach die&#x017F;em gethanen Gelu&#x0364;bde, ließ &#x017F;ichs mit mei-<lb/>
nen Scha&#x0364;den zu &#x017F;chleuniger Be&#x017F;&#x017F;erung an, die<lb/>
Aertzte fiengen an be&#x017F;&#x017F;er zu tro&#x0364;&#x017F;ten, &#x017F;agten aber frey<lb/>
heraus, daß, wenn ich vollkommen curiret &#x017F;eyn wol-<lb/>
te, &#x017F;ie, um den Eyter aus der Bru&#x017F;t-Ho&#x0364;le zu zapffen,<lb/>
u&#x0364;ber den kurtzen Rippen eine Oeffnung machen<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;ten.</p><lb/>
          <p>Jch gab meinen Willen drein, &#x017F;tund die ho&#x0364;ch&#x017F;t-<lb/>
&#x017F;chmertzliche Cux aus, und wurde al&#x017F;o nach wenig<lb/>
Wochen vollkommen ge&#x017F;und. Allein, wer &#x017F;olte es<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wohl</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[381/0395] bißherigen Lebens-Art, und darbey den groſſen Zweiffel zu vernehmen gab: Ob ein ſolcher Menſch wie ich, annoch Vergebung und Gnade bey GOtt erlangen koͤnne? Demnach war er faſt eine gantze Nacht hindurch bemuͤhet, mich aus der Verzweif- felung zu reiſſen, und auf die rechte Straſſe zu brin- gen, da ich nun gegen Morgen, eine ernſtliche Neue, Buſſe und Glauben durch Worte und Gebaͤrden zeigte, abſolvirte er mich, und reichte mir nachhero in aller Stille das Hochwuͤrdige Abendmahl, wor- auf ich ungemeine Linderung, ſo wohl an den Leibes- als Gewiſſens-Wunden fuͤhlete, und ein Geluͤbde that, welches ſo viel in ſich hielt: Daß, wenn mich GOtt dieſesmahl beym Leben erhalten wuͤrde, ich ſo gleich nach wieder erlangter Geſundheit, alles mein Geld und Gut unter die Armen theilen, und nichts mehr davon uͤbrig behalten wolte, als was ich zur Reiſe in mein Vaterland hoͤchſt vonnoͤthen haͤtte, daſelbſt wolte ich denn auch, die, meinem Vetter uͤbermachten 200. ſpec. Ducaten und den Werth von dem uͤbrigen uͤbel erworbenen Reſte, an Kir- chen, Schulen und arme Leute verwenden. Bald nach dieſem gethanen Geluͤbde, ließ ſichs mit mei- nen Schaͤden zu ſchleuniger Beſſerung an, die Aertzte fiengen an beſſer zu troͤſten, ſagten aber frey heraus, daß, wenn ich vollkommen curiret ſeyn wol- te, ſie, um den Eyter aus der Bruſt-Hoͤle zu zapffen, uͤber den kurtzen Rippen eine Oeffnung machen muͤſten. Jch gab meinen Willen drein, ſtund die hoͤchſt- ſchmertzliche Cux aus, und wurde alſo nach wenig Wochen vollkommen geſund. Allein, wer ſolte es wohl

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/395
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/395>, abgerufen am 27.11.2024.