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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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sen hefftige Empfindlichkeit verursachte, daß ich auf
der Stelle hätte verzweiffeln mögen.

Nunmehro, so bald ich wieder in mein dunckeles
Gefängniß geführet worden, hielt mir erstlich der
Satan die Kuh-Haut, ich möchte sagen eine Ele-
phanten-Haut vor, worauf alle meine von Jugend
auf begangenen Sünden, mit den allerkläresten, a-
ber desto nachdrücklichsten Schrifften angezeichnet
waren. Das Eisen-Geschmeide an meinen Hän-
den, Füssen und gantzen Leibe zu zerbrechen, war
mir eine gantz leichte Sache, ja ich trug dasselbe
deutlich zu sagen meinen Verwahrern nur zum
Spotte. Allein durch die Mauer zu brechen schien
desto unmöglicher, derowegen bewegte mich die aus-
serordentliche Gewissens-Angst zur völligen Ver-
zweiffelung, so daß ich gäntzlich beschloß, mich in
folgender Nacht ohne ferneres Bedencken selbst ums
Leben zu bringen, es geschehe auch auf was vor Art
als es wolle. Denn, ohngeacht ich |in meinem Ge-
wissen der Cartouchianer wegen ziemlich reine war,
so prophezeyete mir doch die Tortur, und dann
das gemeine Sprichwort: Mit gefangen, mit ge-
hangen,
ein klägliches Ende. Demnach erwartete
ich mit Schmertzen, biß der Kercker-Meister Nachts
um etwa 10. Uhr, zum letztenmahle nach mir gese-
hen hatte, wandte hierauf mittelmäßige Kräfte an,
und zerbrach binnen einer halben Stunde, nicht al-
lein alles an mir habende Eisenwerck, sondern dre-
hete auch die Schlösser und Gelencke von den Hand-
und Bein-Schellen glücklich ab, so daß ich mich hier-
von völlig befreyet fand. Hierauf tappte mit den
Händen nach einem Hacken herum, woran ich

mich

ſen hefftige Empfindlichkeit verurſachte, daß ich auf
der Stelle haͤtte verzweiffeln moͤgen.

Nunmehro, ſo bald ich wieder in mein dunckeles
Gefaͤngniß gefuͤhret worden, hielt mir erſtlich der
Satan die Kuh-Haut, ich moͤchte ſagen eine Ele-
phanten-Haut vor, worauf alle meine von Jugend
auf begangenen Suͤnden, mit den allerklaͤreſten, a-
ber deſto nachdruͤcklichſten Schrifften angezeichnet
waren. Das Eiſen-Geſchmeide an meinen Haͤn-
den, Fuͤſſen und gantzen Leibe zu zerbrechen, war
mir eine gantz leichte Sache, ja ich trug daſſelbe
deutlich zu ſagen meinen Verwahrern nur zum
Spotte. Allein durch die Mauer zu brechen ſchien
deſto unmoͤglicher, derowegen bewegte mich die auſ-
ſerordentliche Gewiſſens-Angſt zur voͤlligen Ver-
zweiffelung, ſo daß ich gaͤntzlich beſchloß, mich in
folgender Nacht ohne ferneres Bedencken ſelbſt ums
Leben zu bringen, es geſchehe auch auf was vor Art
als es wolle. Denn, ohngeacht ich |in meinem Ge-
wiſſen der Cartouchianer wegen ziemlich reine war,
ſo prophezeyete mir doch die Tortur, und dann
das gemeine Sprichwort: Mit gefangen, mit ge-
hangen,
ein klaͤgliches Ende. Demnach erwartete
ich mit Schmertzen, biß der Kercker-Meiſter Nachts
um etwa 10. Uhr, zum letztenmahle nach mir geſe-
hen hatte, wandte hierauf mittelmaͤßige Kraͤfte an,
und zerbrach binnen einer halben Stunde, nicht al-
lein alles an mir habende Eiſenwerck, ſondern dre-
hete auch die Schloͤſſer und Gelencke von den Hand-
und Bein-Schellen gluͤcklich ab, ſo daß ich mich hier-
von voͤllig befreyet fand. Hierauf tappte mit den
Haͤnden nach einem Hacken herum, woran ich

mich
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[388/0402] ſen hefftige Empfindlichkeit verurſachte, daß ich auf der Stelle haͤtte verzweiffeln moͤgen. Nunmehro, ſo bald ich wieder in mein dunckeles Gefaͤngniß gefuͤhret worden, hielt mir erſtlich der Satan die Kuh-Haut, ich moͤchte ſagen eine Ele- phanten-Haut vor, worauf alle meine von Jugend auf begangenen Suͤnden, mit den allerklaͤreſten, a- ber deſto nachdruͤcklichſten Schrifften angezeichnet waren. Das Eiſen-Geſchmeide an meinen Haͤn- den, Fuͤſſen und gantzen Leibe zu zerbrechen, war mir eine gantz leichte Sache, ja ich trug daſſelbe deutlich zu ſagen meinen Verwahrern nur zum Spotte. Allein durch die Mauer zu brechen ſchien deſto unmoͤglicher, derowegen bewegte mich die auſ- ſerordentliche Gewiſſens-Angſt zur voͤlligen Ver- zweiffelung, ſo daß ich gaͤntzlich beſchloß, mich in folgender Nacht ohne ferneres Bedencken ſelbſt ums Leben zu bringen, es geſchehe auch auf was vor Art als es wolle. Denn, ohngeacht ich |in meinem Ge- wiſſen der Cartouchianer wegen ziemlich reine war, ſo prophezeyete mir doch die Tortur, und dann das gemeine Sprichwort: Mit gefangen, mit ge- hangen, ein klaͤgliches Ende. Demnach erwartete ich mit Schmertzen, biß der Kercker-Meiſter Nachts um etwa 10. Uhr, zum letztenmahle nach mir geſe- hen hatte, wandte hierauf mittelmaͤßige Kraͤfte an, und zerbrach binnen einer halben Stunde, nicht al- lein alles an mir habende Eiſenwerck, ſondern dre- hete auch die Schloͤſſer und Gelencke von den Hand- und Bein-Schellen gluͤcklich ab, ſo daß ich mich hier- von voͤllig befreyet fand. Hierauf tappte mit den Haͤnden nach einem Hacken herum, woran ich mich

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/402>, abgerufen am 27.11.2024.