mich, vermittelst meiner Strumpff-Bänder zu hän- gen suchte, indem aber warff der Mond seine Strah- len durch ein Viertheil Elen breites Lufft-Loch, wel- ches jedennoch mit einem starcken eisernen Stabe verwahret war. Selbigen Stab riß ich mit äuser- ster Mühe aus den Steinen heraus, weltzte einen grossen Klotz an das Lufft-Loch, und bemerckte, daß selbiges nicht über 6. oder 8. Elen hoch von der Erde sey, derowegen setzte die Henckers-Gedancken et- was bey seite, und versuchte, ob das Loch nicht etwa binnen etlichen Stunden dergestalt auszubrechen und zu erweitern wäre, daß ich hindurch wischen könte, die Steine waren ziemlich mürbe, also fieng ich, mit Hülffe des eisernen Stabes, die Arbeit dermassen hitzig an, daß endlich binnen 2. oder drey Stunden das Loch durch die Mauer so groß als nö- thig wurde.
Nunmehro hielt ich freylich das fernere Uberle- gen vor einen unnützen Zeit-Verlust, warff derowe- gen den eisernen Stab, als ein höchstnöthiges Faust- Gewehr, voraus, und schlupffte hinter drein. Der Sprung war höher herunter geschehen, als ich mir dem Augen-Masse nach eingebildet hatte, demnach prasselten alle Rippen in meinem Leibe, weil ich sehr unsanffte auf das Stein-Pflaster gefallen war. Jedoch die weit grössere Angst erstickte endlich diese etwas kleinere, und stärckte mich dermassen, daß ich nicht allein noch eine 6. Elen hohe Mauer überklet- tern, sondern auch vor anbrechenden Tage, im frey- en Felde, einen Erdfall erreichen konte, in dessen nicht allzu wohl verwahrte Höle ich meinen zer- stauchten Cörper schmiegte, und denselben fast über
und
b b 3
mich, vermittelſt meiner Strumpff-Baͤnder zu haͤn- gen ſuchte, indem aber warff der Mond ſeine Strah- len durch ein Viertheil Elen breites Lufft-Loch, wel- ches jedennoch mit einem ſtarcken eiſernen Stabe verwahret war. Selbigen Stab riß ich mit aͤuſer- ſter Muͤhe aus den Steinen heraus, weltzte einen groſſen Klotz an das Lufft-Loch, und bemerckte, daß ſelbiges nicht uͤber 6. oder 8. Elen hoch von der Erde ſey, derowegen ſetzte die Henckers-Gedancken et- was bey ſeite, und verſuchte, ob das Loch nicht etwa binnen etlichen Stunden dergeſtalt auszubrechen und zu erweitern waͤre, daß ich hindurch wiſchen koͤnte, die Steine waren ziemlich muͤrbe, alſo fieng ich, mit Huͤlffe des eiſernen Stabes, die Arbeit dermaſſen hitzig an, daß endlich binnen 2. oder drey Stunden das Loch durch die Mauer ſo groß als noͤ- thig wurde.
Nunmehro hielt ich freylich das fernere Uberle- gen vor einen unnuͤtzen Zeit-Verluſt, warff derowe- gen den eiſernen Stab, als ein hoͤchſtnoͤthiges Fauſt- Gewehr, voraus, und ſchlupffte hinter drein. Der Sprung war hoͤher herunter geſchehen, als ich mir dem Augen-Maſſe nach eingebildet hatte, demnach praſſelten alle Rippen in meinem Leibe, weil ich ſehr unſanffte auf das Stein-Pflaſter gefallen war. Jedoch die weit groͤſſere Angſt erſtickte endlich dieſe etwas kleinere, und ſtaͤrckte mich dermaſſen, daß ich nicht allein noch eine 6. Elen hohe Mauer uͤberklet- tern, ſondern auch vor anbrechenden Tage, im frey- en Felde, einen Erdfall erreichen konte, in deſſen nicht allzu wohl verwahrte Hoͤle ich meinen zer- ſtauchten Coͤrper ſchmiegte, und denſelben faſt uͤber
und
b b 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0403"n="389"/>
mich, vermittelſt meiner Strumpff-Baͤnder zu haͤn-<lb/>
gen ſuchte, indem aber warff der Mond ſeine Strah-<lb/>
len durch ein Viertheil Elen breites Lufft-Loch, wel-<lb/>
ches jedennoch mit einem ſtarcken eiſernen Stabe<lb/>
verwahret war. Selbigen Stab riß ich mit aͤuſer-<lb/>ſter Muͤhe aus den Steinen heraus, weltzte einen<lb/>
groſſen Klotz an das Lufft-Loch, und bemerckte, daß<lb/>ſelbiges nicht uͤber 6. oder 8. Elen hoch von der Erde<lb/>ſey, derowegen ſetzte die Henckers-Gedancken et-<lb/>
was bey ſeite, und verſuchte, ob das Loch nicht etwa<lb/>
binnen etlichen Stunden dergeſtalt auszubrechen<lb/>
und zu erweitern waͤre, daß ich hindurch wiſchen<lb/>
koͤnte, die Steine waren ziemlich muͤrbe, alſo<lb/>
fieng ich, mit Huͤlffe des eiſernen Stabes, die Arbeit<lb/>
dermaſſen hitzig an, daß endlich binnen 2. oder drey<lb/>
Stunden das Loch durch die Mauer ſo groß als noͤ-<lb/>
thig wurde.</p><lb/><p>Nunmehro hielt ich freylich das fernere Uberle-<lb/>
gen vor einen unnuͤtzen Zeit-Verluſt, warff derowe-<lb/>
gen den eiſernen Stab, als ein hoͤchſtnoͤthiges Fauſt-<lb/>
Gewehr, voraus, und ſchlupffte hinter drein. Der<lb/>
Sprung war hoͤher herunter geſchehen, als ich mir<lb/>
dem Augen-Maſſe nach eingebildet hatte, demnach<lb/>
praſſelten alle Rippen in meinem Leibe, weil ich ſehr<lb/>
unſanffte auf das Stein-Pflaſter gefallen war.<lb/>
Jedoch die weit groͤſſere Angſt erſtickte endlich dieſe<lb/>
etwas kleinere, und ſtaͤrckte mich dermaſſen, daß ich<lb/>
nicht allein noch eine 6. Elen hohe Mauer uͤberklet-<lb/>
tern, ſondern auch vor anbrechenden Tage, im frey-<lb/>
en Felde, einen Erdfall erreichen konte, in deſſen<lb/>
nicht allzu wohl verwahrte Hoͤle ich meinen zer-<lb/>ſtauchten Coͤrper ſchmiegte, und denſelben faſt uͤber<lb/><fwplace="bottom"type="sig">b b 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">und</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[389/0403]
mich, vermittelſt meiner Strumpff-Baͤnder zu haͤn-
gen ſuchte, indem aber warff der Mond ſeine Strah-
len durch ein Viertheil Elen breites Lufft-Loch, wel-
ches jedennoch mit einem ſtarcken eiſernen Stabe
verwahret war. Selbigen Stab riß ich mit aͤuſer-
ſter Muͤhe aus den Steinen heraus, weltzte einen
groſſen Klotz an das Lufft-Loch, und bemerckte, daß
ſelbiges nicht uͤber 6. oder 8. Elen hoch von der Erde
ſey, derowegen ſetzte die Henckers-Gedancken et-
was bey ſeite, und verſuchte, ob das Loch nicht etwa
binnen etlichen Stunden dergeſtalt auszubrechen
und zu erweitern waͤre, daß ich hindurch wiſchen
koͤnte, die Steine waren ziemlich muͤrbe, alſo
fieng ich, mit Huͤlffe des eiſernen Stabes, die Arbeit
dermaſſen hitzig an, daß endlich binnen 2. oder drey
Stunden das Loch durch die Mauer ſo groß als noͤ-
thig wurde.
Nunmehro hielt ich freylich das fernere Uberle-
gen vor einen unnuͤtzen Zeit-Verluſt, warff derowe-
gen den eiſernen Stab, als ein hoͤchſtnoͤthiges Fauſt-
Gewehr, voraus, und ſchlupffte hinter drein. Der
Sprung war hoͤher herunter geſchehen, als ich mir
dem Augen-Maſſe nach eingebildet hatte, demnach
praſſelten alle Rippen in meinem Leibe, weil ich ſehr
unſanffte auf das Stein-Pflaſter gefallen war.
Jedoch die weit groͤſſere Angſt erſtickte endlich dieſe
etwas kleinere, und ſtaͤrckte mich dermaſſen, daß ich
nicht allein noch eine 6. Elen hohe Mauer uͤberklet-
tern, ſondern auch vor anbrechenden Tage, im frey-
en Felde, einen Erdfall erreichen konte, in deſſen
nicht allzu wohl verwahrte Hoͤle ich meinen zer-
ſtauchten Coͤrper ſchmiegte, und denſelben faſt uͤber
und
b b 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/403>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.