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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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mich, vermittelst meiner Strumpff-Bänder zu hän-
gen suchte, indem aber warff der Mond seine Strah-
len durch ein Viertheil Elen breites Lufft-Loch, wel-
ches jedennoch mit einem starcken eisernen Stabe
verwahret war. Selbigen Stab riß ich mit äuser-
ster Mühe aus den Steinen heraus, weltzte einen
grossen Klotz an das Lufft-Loch, und bemerckte, daß
selbiges nicht über 6. oder 8. Elen hoch von der Erde
sey, derowegen setzte die Henckers-Gedancken et-
was bey seite, und versuchte, ob das Loch nicht etwa
binnen etlichen Stunden dergestalt auszubrechen
und zu erweitern wäre, daß ich hindurch wischen
könte, die Steine waren ziemlich mürbe, also
fieng ich, mit Hülffe des eisernen Stabes, die Arbeit
dermassen hitzig an, daß endlich binnen 2. oder drey
Stunden das Loch durch die Mauer so groß als nö-
thig wurde.

Nunmehro hielt ich freylich das fernere Uberle-
gen vor einen unnützen Zeit-Verlust, warff derowe-
gen den eisernen Stab, als ein höchstnöthiges Faust-
Gewehr, voraus, und schlupffte hinter drein. Der
Sprung war höher herunter geschehen, als ich mir
dem Augen-Masse nach eingebildet hatte, demnach
prasselten alle Rippen in meinem Leibe, weil ich sehr
unsanffte auf das Stein-Pflaster gefallen war.
Jedoch die weit grössere Angst erstickte endlich diese
etwas kleinere, und stärckte mich dermassen, daß ich
nicht allein noch eine 6. Elen hohe Mauer überklet-
tern, sondern auch vor anbrechenden Tage, im frey-
en Felde, einen Erdfall erreichen konte, in dessen
nicht allzu wohl verwahrte Höle ich meinen zer-
stauchten Cörper schmiegte, und denselben fast über

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mich, vermittelſt meiner Strumpff-Baͤnder zu haͤn-
gen ſuchte, indem aber warff der Mond ſeine Strah-
len durch ein Viertheil Elen breites Lufft-Loch, wel-
ches jedennoch mit einem ſtarcken eiſernen Stabe
verwahret war. Selbigen Stab riß ich mit aͤuſer-
ſter Muͤhe aus den Steinen heraus, weltzte einen
groſſen Klotz an das Lufft-Loch, und bemerckte, daß
ſelbiges nicht uͤber 6. oder 8. Elen hoch von der Erde
ſey, derowegen ſetzte die Henckers-Gedancken et-
was bey ſeite, und verſuchte, ob das Loch nicht etwa
binnen etlichen Stunden dergeſtalt auszubrechen
und zu erweitern waͤre, daß ich hindurch wiſchen
koͤnte, die Steine waren ziemlich muͤrbe, alſo
fieng ich, mit Huͤlffe des eiſernen Stabes, die Arbeit
dermaſſen hitzig an, daß endlich binnen 2. oder drey
Stunden das Loch durch die Mauer ſo groß als noͤ-
thig wurde.

Nunmehro hielt ich freylich das fernere Uberle-
gen vor einen unnuͤtzen Zeit-Verluſt, warff derowe-
gen den eiſernen Stab, als ein hoͤchſtnoͤthiges Fauſt-
Gewehr, voraus, und ſchlupffte hinter drein. Der
Sprung war hoͤher herunter geſchehen, als ich mir
dem Augen-Maſſe nach eingebildet hatte, demnach
praſſelten alle Rippen in meinem Leibe, weil ich ſehr
unſanffte auf das Stein-Pflaſter gefallen war.
Jedoch die weit groͤſſere Angſt erſtickte endlich dieſe
etwas kleinere, und ſtaͤrckte mich dermaſſen, daß ich
nicht allein noch eine 6. Elen hohe Mauer uͤberklet-
tern, ſondern auch vor anbrechenden Tage, im frey-
en Felde, einen Erdfall erreichen konte, in deſſen
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ſtauchten Coͤrper ſchmiegte, und denſelben faſt uͤber

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[389/0403] mich, vermittelſt meiner Strumpff-Baͤnder zu haͤn- gen ſuchte, indem aber warff der Mond ſeine Strah- len durch ein Viertheil Elen breites Lufft-Loch, wel- ches jedennoch mit einem ſtarcken eiſernen Stabe verwahret war. Selbigen Stab riß ich mit aͤuſer- ſter Muͤhe aus den Steinen heraus, weltzte einen groſſen Klotz an das Lufft-Loch, und bemerckte, daß ſelbiges nicht uͤber 6. oder 8. Elen hoch von der Erde ſey, derowegen ſetzte die Henckers-Gedancken et- was bey ſeite, und verſuchte, ob das Loch nicht etwa binnen etlichen Stunden dergeſtalt auszubrechen und zu erweitern waͤre, daß ich hindurch wiſchen koͤnte, die Steine waren ziemlich muͤrbe, alſo fieng ich, mit Huͤlffe des eiſernen Stabes, die Arbeit dermaſſen hitzig an, daß endlich binnen 2. oder drey Stunden das Loch durch die Mauer ſo groß als noͤ- thig wurde. Nunmehro hielt ich freylich das fernere Uberle- gen vor einen unnuͤtzen Zeit-Verluſt, warff derowe- gen den eiſernen Stab, als ein hoͤchſtnoͤthiges Fauſt- Gewehr, voraus, und ſchlupffte hinter drein. Der Sprung war hoͤher herunter geſchehen, als ich mir dem Augen-Maſſe nach eingebildet hatte, demnach praſſelten alle Rippen in meinem Leibe, weil ich ſehr unſanffte auf das Stein-Pflaſter gefallen war. Jedoch die weit groͤſſere Angſt erſtickte endlich dieſe etwas kleinere, und ſtaͤrckte mich dermaſſen, daß ich nicht allein noch eine 6. Elen hohe Mauer uͤberklet- tern, ſondern auch vor anbrechenden Tage, im frey- en Felde, einen Erdfall erreichen konte, in deſſen nicht allzu wohl verwahrte Hoͤle ich meinen zer- ſtauchten Coͤrper ſchmiegte, und denſelben faſt uͤber und b b 3

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/403>, abgerufen am 27.11.2024.