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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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und über mit Erde bedeckte. Nachdem die Sonne
bereits etliche Stunden geschienen, und ich mich
ziemlich weit ausser denen ordentlichen Strassen zu
liegen vermerckte, das kalte Lager aber fast nicht
mehr ertragen konte, zerriß ich meinen ohndem ge-
nung zerlappten Bettlers-Kittlers noch mehr, und
brachte alles in eine dermassen unordentliche Ord-
nung, daß mich ein jeder nicht nur vor den allerärm-
sten Bettler, sondern so gar vor einen rasenden Men-
schen ansehen muste. Wer mir begegnet, lieff ent-
weder aus dem Wege, oder warff beyzeiten ein
Stück Geld, Brod oder andere Victualien entge-
gen, nur damit ich ihm vom Halse bleiben solte, und
solchergestalt practicirte mich glücklich über die
Frantzösischen Grentzen, biß an den Rheinstrom,
allwo mir, von dem annoch bey mir habenden Gel-
de, nunmehro erstlich wieder ein Mühl-Purschen
Kleid, Axt, nebst allem andern, was zu solchem Stan-
de gehörete, gerchaffte.

Es liessen sich zwar immittelst in allen meinen
Gleidern die Zeichen einer bevorstehenden Kranck-
heit mercken, allein, weil ich durchaus keine Lust hat-
te, an Catholischen Orten stille zu liegen, so setzte den-
noch meine Reise biß in die Wetterau fort, und fand
daselbst bey einem gutthätigen Müller Gelegen-
heit, etwas Artzeney zu gebrauchen, welche auch
in so weit anschlug, daß ich nachhero die Reise biß
in meine Heymath mit ziemlichen Kräfften überste-
hen konte.

Mein ernstlicher Vorsatz war, von nun an mei-
ne Sünden zu bereuen, und so bald ich mich zu Hau-
se mit einem frommen Seelsorger bekannt gemacht,

ein

und uͤber mit Erde bedeckte. Nachdem die Sonne
bereits etliche Stunden geſchienen, und ich mich
ziemlich weit auſſer denen ordentlichen Straſſen zu
liegen vermerckte, das kalte Lager aber faſt nicht
mehr ertragen konte, zerriß ich meinen ohndem ge-
nung zerlappten Bettlers-Kittlers noch mehr, und
brachte alles in eine dermaſſen unordentliche Ord-
nung, daß mich ein jeder nicht nur vor den alleraͤrm-
ſten Bettler, ſondern ſo gar vor einen raſenden Men-
ſchen anſehen muſte. Wer mir begegnet, lieff ent-
weder aus dem Wege, oder warff beyzeiten ein
Stuͤck Geld, Brod oder andere Victualien entge-
gen, nur damit ich ihm vom Halſe bleiben ſolte, und
ſolchergeſtalt practicirte mich gluͤcklich uͤber die
Frantzoͤſiſchen Grentzen, biß an den Rheinſtrom,
allwo mir, von dem annoch bey mir habenden Gel-
de, nunmehro erſtlich wieder ein Muͤhl-Purſchen
Kleid, Axt, nebſt allem andern, was zu ſolchem Stan-
de gehoͤrete, gerchaffte.

Es lieſſen ſich zwar immittelſt in allen meinen
Gleidern die Zeichen einer bevorſtehenden Kranck-
heit mercken, allein, weil ich durchaus keine Luſt hat-
te, an Catholiſchen Orten ſtille zu liegen, ſo ſetzte den-
noch meine Reiſe biß in die Wetterau fort, und fand
daſelbſt bey einem gutthaͤtigen Muͤller Gelegen-
heit, etwas Artzeney zu gebrauchen, welche auch
in ſo weit anſchlug, daß ich nachhero die Reiſe biß
in meine Heymath mit ziemlichen Kraͤfften uͤberſte-
hen konte.

Mein ernſtlicher Vorſatz war, von nun an mei-
ne Suͤnden zu bereuen, und ſo bald ich mich zu Hau-
ſe mit einem frommen Seelſorger bekannt gemacht,

ein
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[390/0404] und uͤber mit Erde bedeckte. Nachdem die Sonne bereits etliche Stunden geſchienen, und ich mich ziemlich weit auſſer denen ordentlichen Straſſen zu liegen vermerckte, das kalte Lager aber faſt nicht mehr ertragen konte, zerriß ich meinen ohndem ge- nung zerlappten Bettlers-Kittlers noch mehr, und brachte alles in eine dermaſſen unordentliche Ord- nung, daß mich ein jeder nicht nur vor den alleraͤrm- ſten Bettler, ſondern ſo gar vor einen raſenden Men- ſchen anſehen muſte. Wer mir begegnet, lieff ent- weder aus dem Wege, oder warff beyzeiten ein Stuͤck Geld, Brod oder andere Victualien entge- gen, nur damit ich ihm vom Halſe bleiben ſolte, und ſolchergeſtalt practicirte mich gluͤcklich uͤber die Frantzoͤſiſchen Grentzen, biß an den Rheinſtrom, allwo mir, von dem annoch bey mir habenden Gel- de, nunmehro erſtlich wieder ein Muͤhl-Purſchen Kleid, Axt, nebſt allem andern, was zu ſolchem Stan- de gehoͤrete, gerchaffte. Es lieſſen ſich zwar immittelſt in allen meinen Gleidern die Zeichen einer bevorſtehenden Kranck- heit mercken, allein, weil ich durchaus keine Luſt hat- te, an Catholiſchen Orten ſtille zu liegen, ſo ſetzte den- noch meine Reiſe biß in die Wetterau fort, und fand daſelbſt bey einem gutthaͤtigen Muͤller Gelegen- heit, etwas Artzeney zu gebrauchen, welche auch in ſo weit anſchlug, daß ich nachhero die Reiſe biß in meine Heymath mit ziemlichen Kraͤfften uͤberſte- hen konte. Mein ernſtlicher Vorſatz war, von nun an mei- ne Suͤnden zu bereuen, und ſo bald ich mich zu Hau- ſe mit einem frommen Seelſorger bekannt gemacht, ein

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/404>, abgerufen am 28.11.2024.