Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

Bild:
<< vorherige Seite

ein christliches und GOtt wohlgefälliges Leben an-
zufangen, jedoch weil dieser Vorsatz den Teuffel
ohnfehlbar hefftig verdroß, warff er mir eine aber-
mahlige Verhinderung darzwischen. Denn so bald
ich in meiner Mutter Hauß eintrat, machte der nun-
mehro ziemlich alte und desto schlimmere Stief-Va-
ter scheele Augen, und gab unter seinen brummen-
den Worten so viel zu verstehen, daß ich bey demje-
nigen, welchem ich vor etlichen Jahren das gute
Geld geschickt, nunmehro auch die Bären-Haut
suchen, und darauf liegen könte, so lange als ich wol-
te. Denn er könte leichtlich mercken, daß ich mehr
Ungeziefer als Ducaten mit brächte, welches doch
würcklich erlogen war. Jedoch meine sehr alte un-
vermögliche Mutter empfing mich desto freundlicher,
und sagte: Jch solte mich nichts anfechten lassen,
denn der böse Mann, welcher sie seit so vielen Jahren
her als einen Hund tractiret hätte, wäre nur dar-
um so rasend, daß sie mit ihm kein Kind gezeuget,
vor weniger Zeit aber ein Testament gemacht, ihm
nur 100. fl. mir und meinen Geschwistern hingegen
nicht allein die Mühle, sondern auch alle beweglichen
und unbeweglichen Güter vermacht hätte. Jch ließ
also des Stief-Vaters verdrießliche Reden zu einem
Ohre ein, und zum andern wieder heraus gehen, be-
gegnete ihm auch mit möglichster Höflichkeit, al-
lein, da ich eines Tages darzu kam, und sahe, wie er
meine arme alte Mutter aufs allererbärmlichste
traetirte, so, daß ihr das klare Blut über das Ge-
sichte lieff, und dennoch des erbärmlichen Schla-
gens kein Ende werden wolte, fassete ich den Mör-
der beym Arme, und stieß ihn zur Thür hinaus, mei-

ne
b b 4

ein chriſtliches und GOtt wohlgefaͤlliges Leben an-
zufangen, jedoch weil dieſer Vorſatz den Teuffel
ohnfehlbar hefftig verdroß, warff er mir eine aber-
mahlige Verhinderung darzwiſchen. Denn ſo bald
ich in meiner Mutter Hauß eintrat, machte der nun-
mehro ziemlich alte und deſto ſchlimmere Stief-Va-
ter ſcheele Augen, und gab unter ſeinen brummen-
den Worten ſo viel zu verſtehen, daß ich bey demje-
nigen, welchem ich vor etlichen Jahren das gute
Geld geſchickt, nunmehro auch die Baͤren-Haut
ſuchen, und darauf liegen koͤnte, ſo lange als ich wol-
te. Denn er koͤnte leichtlich mercken, daß ich mehr
Ungeziefer als Ducaten mit braͤchte, welches doch
wuͤrcklich erlogen war. Jedoch meine ſehr alte un-
vermoͤgliche Mutter empfing mich deſto freundlicher,
und ſagte: Jch ſolte mich nichts anfechten laſſen,
denn der boͤſe Mann, welcher ſie ſeit ſo vielen Jahren
her als einen Hund tractiret haͤtte, waͤre nur dar-
um ſo raſend, daß ſie mit ihm kein Kind gezeuget,
vor weniger Zeit aber ein Teſtament gemacht, ihm
nur 100. fl. mir und meinen Geſchwiſtern hingegen
nicht allein die Muͤhle, ſondern auch alle beweglichen
und unbeweglichen Guͤter vermacht haͤtte. Jch ließ
alſo des Stief-Vaters verdrießliche Reden zu einem
Ohre ein, und zum andern wieder heraus gehen, be-
gegnete ihm auch mit moͤglichſter Hoͤflichkeit, al-
lein, da ich eines Tages darzu kam, und ſahe, wie er
meine arme alte Mutter aufs allererbaͤrmlichſte
traetirte, ſo, daß ihr das klare Blut uͤber das Ge-
ſichte lieff, und dennoch des erbaͤrmlichen Schla-
gens kein Ende werden wolte, faſſete ich den Moͤr-
der beym Arme, und ſtieß ihn zur Thuͤr hinaus, mei-

ne
b b 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0405" n="391"/>
ein chri&#x017F;tliches und GOtt wohlgefa&#x0364;lliges Leben an-<lb/>
zufangen, jedoch weil die&#x017F;er Vor&#x017F;atz den Teuffel<lb/>
ohnfehlbar hefftig verdroß, warff er mir eine aber-<lb/>
mahlige Verhinderung darzwi&#x017F;chen. Denn &#x017F;o bald<lb/>
ich in meiner Mutter Hauß eintrat, machte der nun-<lb/>
mehro ziemlich alte und de&#x017F;to &#x017F;chlimmere Stief-Va-<lb/>
ter &#x017F;cheele Augen, und gab unter &#x017F;einen brummen-<lb/>
den Worten &#x017F;o viel zu ver&#x017F;tehen, daß ich bey demje-<lb/>
nigen, welchem ich vor etlichen Jahren das gute<lb/>
Geld ge&#x017F;chickt, nunmehro auch die Ba&#x0364;ren-Haut<lb/>
&#x017F;uchen, und darauf liegen ko&#x0364;nte, &#x017F;o lange als ich wol-<lb/>
te. Denn er ko&#x0364;nte leichtlich mercken, daß ich mehr<lb/>
Ungeziefer als Ducaten mit bra&#x0364;chte, welches doch<lb/>
wu&#x0364;rcklich erlogen war. Jedoch meine &#x017F;ehr alte un-<lb/>
vermo&#x0364;gliche Mutter empfing mich de&#x017F;to freundlicher,<lb/>
und &#x017F;agte: Jch &#x017F;olte mich nichts anfechten la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
denn der bo&#x0364;&#x017F;e Mann, welcher &#x017F;ie &#x017F;eit &#x017F;o vielen Jahren<lb/>
her als einen Hund tractiret ha&#x0364;tte, wa&#x0364;re nur dar-<lb/>
um &#x017F;o ra&#x017F;end, daß &#x017F;ie mit ihm kein Kind gezeuget,<lb/>
vor weniger Zeit aber ein Te&#x017F;tament gemacht, ihm<lb/>
nur 100. fl. mir und meinen Ge&#x017F;chwi&#x017F;tern hingegen<lb/>
nicht allein die Mu&#x0364;hle, &#x017F;ondern auch alle beweglichen<lb/>
und unbeweglichen Gu&#x0364;ter vermacht ha&#x0364;tte. Jch ließ<lb/>
al&#x017F;o des Stief-Vaters verdrießliche Reden zu einem<lb/>
Ohre ein, und zum andern wieder heraus gehen, be-<lb/>
gegnete ihm auch mit mo&#x0364;glich&#x017F;ter Ho&#x0364;flichkeit, al-<lb/>
lein, da ich eines Tages darzu kam, und &#x017F;ahe, wie er<lb/>
meine arme alte Mutter aufs allererba&#x0364;rmlich&#x017F;te<lb/>
traetirte, &#x017F;o, daß ihr das klare Blut u&#x0364;ber das Ge-<lb/>
&#x017F;ichte lieff, und dennoch des erba&#x0364;rmlichen Schla-<lb/>
gens kein Ende werden wolte, fa&#x017F;&#x017F;ete ich den Mo&#x0364;r-<lb/>
der beym Arme, und &#x017F;tieß ihn zur Thu&#x0364;r hinaus, mei-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">b b 4</fw><fw place="bottom" type="catch">ne</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[391/0405] ein chriſtliches und GOtt wohlgefaͤlliges Leben an- zufangen, jedoch weil dieſer Vorſatz den Teuffel ohnfehlbar hefftig verdroß, warff er mir eine aber- mahlige Verhinderung darzwiſchen. Denn ſo bald ich in meiner Mutter Hauß eintrat, machte der nun- mehro ziemlich alte und deſto ſchlimmere Stief-Va- ter ſcheele Augen, und gab unter ſeinen brummen- den Worten ſo viel zu verſtehen, daß ich bey demje- nigen, welchem ich vor etlichen Jahren das gute Geld geſchickt, nunmehro auch die Baͤren-Haut ſuchen, und darauf liegen koͤnte, ſo lange als ich wol- te. Denn er koͤnte leichtlich mercken, daß ich mehr Ungeziefer als Ducaten mit braͤchte, welches doch wuͤrcklich erlogen war. Jedoch meine ſehr alte un- vermoͤgliche Mutter empfing mich deſto freundlicher, und ſagte: Jch ſolte mich nichts anfechten laſſen, denn der boͤſe Mann, welcher ſie ſeit ſo vielen Jahren her als einen Hund tractiret haͤtte, waͤre nur dar- um ſo raſend, daß ſie mit ihm kein Kind gezeuget, vor weniger Zeit aber ein Teſtament gemacht, ihm nur 100. fl. mir und meinen Geſchwiſtern hingegen nicht allein die Muͤhle, ſondern auch alle beweglichen und unbeweglichen Guͤter vermacht haͤtte. Jch ließ alſo des Stief-Vaters verdrießliche Reden zu einem Ohre ein, und zum andern wieder heraus gehen, be- gegnete ihm auch mit moͤglichſter Hoͤflichkeit, al- lein, da ich eines Tages darzu kam, und ſahe, wie er meine arme alte Mutter aufs allererbaͤrmlichſte traetirte, ſo, daß ihr das klare Blut uͤber das Ge- ſichte lieff, und dennoch des erbaͤrmlichen Schla- gens kein Ende werden wolte, faſſete ich den Moͤr- der beym Arme, und ſtieß ihn zur Thuͤr hinaus, mei- ne b b 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/405
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/405>, abgerufen am 28.11.2024.