Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

Bild:
<< vorherige Seite

ne Mutter aber hatte ich kaum ins Bette getragen,
und einigermassen vom Blute gereiniget, da der
erboste Stief-Vater zurück kam, und mich mit einem
grossen Prügel dermassen über den Rücken schlug,
daß ich fast verzweiffeln mögen, jedoch ehe er noch
dergleichen Schlag wiederholen konte, stieß ich ihn
zur Thür hinaus, so, daß er rücklings eine kleine
Treppe herunter stürtzte, und ohnmächtig liegen
blieb.

Es waren etliche Mahl-Gäste gegenwärtig, wel-
che das mir und meiner Mutter zugefügte Unrecht
mit angesehen hatten, also meinen Jachzorn um
so viel desto weniger mißbilligen, dem ohngeacht mei-
nen Stief-Vater mit Eßig und andern starcken Sa-
chen wieder erqvicken wollten, allein, ob derselbige
gleich die Augen aufzuthun, und sich in etwas zu re-
gen begunte, so wolte doch kein Verstand wieder
kommen, wir schickten nach dem Bader des Dorffs,
der ihm eine Ader öffnen, und sonsten mit Artzeneyen
zu Hülffe kommen solte, allein, ehe die Mitternachts,
Stunde einbrach, starb er unverhofft und plötzlich,
weil, wie ich nachhero erfahren, ihm das Rück-
grad entzwey gebrochen war. Solchergestalt mu-
ste ich mich, auf Zureden meiner Mutter und ande-
rer guten Freunde, eiligst aus dem Staube machen,
und weil mir die erstere einen guten Zehr-Pfennig
auf die Reise gab, zugleich ein gut Pferd aus dem
Stalle mit zu nehmen erlaubte, erreichte ich gar bald
einen sichern Ort, allwo bis zur Ausmachung dieser
Sache in Sicherheit leben konte.

Allein, mein Gewissen fand sich von so häuffigen
Blut-Schulden, und andern nicht viel geringern,

der-

ne Mutter aber hatte ich kaum ins Bette getragen,
und einigermaſſen vom Blute gereiniget, da der
erboſte Stief-Vater zuruͤck kam, und mich mit einem
groſſen Pruͤgel dermaſſen uͤber den Ruͤcken ſchlug,
daß ich faſt verzweiffeln moͤgen, jedoch ehe er noch
dergleichen Schlag wiederholen konte, ſtieß ich ihn
zur Thuͤr hinaus, ſo, daß er ruͤcklings eine kleine
Treppe herunter ſtuͤrtzte, und ohnmaͤchtig liegen
blieb.

Es waren etliche Mahl-Gaͤſte gegenwaͤrtig, wel-
che das mir und meiner Mutter zugefuͤgte Unrecht
mit angeſehen hatten, alſo meinen Jachzorn um
ſo viel deſto weniger mißbilligen, dem ohngeacht mei-
nen Stief-Vater mit Eßig und andern ſtarcken Sa-
chen wieder erqvicken wollten, allein, ob derſelbige
gleich die Augen aufzuthun, und ſich in etwas zu re-
gen begunte, ſo wolte doch kein Verſtand wieder
kommen, wir ſchickten nach dem Bader des Dorffs,
der ihm eine Ader oͤffnen, und ſonſten mit Artzeneyen
zu Huͤlffe kommen ſolte, allein, ehe die Mitternachts,
Stunde einbrach, ſtarb er unverhofft und ploͤtzlich,
weil, wie ich nachhero erfahren, ihm das Ruͤck-
grad entzwey gebrochen war. Solchergeſtalt mu-
ſte ich mich, auf Zureden meiner Mutter und ande-
rer guten Freunde, eiligſt aus dem Staube machen,
und weil mir die erſtere einen guten Zehr-Pfennig
auf die Reiſe gab, zugleich ein gut Pferd aus dem
Stalle mit zu nehmen erlaubte, erreichte ich gar bald
einen ſichern Ort, allwo bis zur Ausmachung dieſer
Sache in Sicherheit leben konte.

Allein, mein Gewiſſen fand ſich von ſo haͤuffigen
Blut-Schulden, und andern nicht viel geringern,

der-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0406" n="392"/>
ne Mutter aber hatte ich kaum ins Bette getragen,<lb/>
und einigerma&#x017F;&#x017F;en vom Blute gereiniget, da der<lb/>
erbo&#x017F;te Stief-Vater zuru&#x0364;ck kam, und mich mit einem<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;en Pru&#x0364;gel derma&#x017F;&#x017F;en u&#x0364;ber den Ru&#x0364;cken &#x017F;chlug,<lb/>
daß ich fa&#x017F;t verzweiffeln mo&#x0364;gen, jedoch ehe er noch<lb/>
dergleichen Schlag wiederholen konte, &#x017F;tieß ich ihn<lb/>
zur Thu&#x0364;r hinaus, &#x017F;o, daß er ru&#x0364;cklings eine kleine<lb/>
Treppe herunter &#x017F;tu&#x0364;rtzte, und ohnma&#x0364;chtig liegen<lb/>
blieb.</p><lb/>
          <p>Es waren etliche Mahl-Ga&#x0364;&#x017F;te gegenwa&#x0364;rtig, wel-<lb/>
che das mir und meiner Mutter zugefu&#x0364;gte Unrecht<lb/>
mit ange&#x017F;ehen hatten, al&#x017F;o meinen Jachzorn um<lb/>
&#x017F;o viel de&#x017F;to weniger mißbilligen, dem ohngeacht mei-<lb/>
nen Stief-Vater mit Eßig und andern &#x017F;tarcken Sa-<lb/>
chen wieder erqvicken wollten, allein, ob der&#x017F;elbige<lb/>
gleich die Augen aufzuthun, und &#x017F;ich in etwas zu re-<lb/>
gen begunte, &#x017F;o wolte doch kein Ver&#x017F;tand wieder<lb/>
kommen, wir &#x017F;chickten nach dem Bader des Dorffs,<lb/>
der ihm eine Ader o&#x0364;ffnen, und &#x017F;on&#x017F;ten mit Artzeneyen<lb/>
zu Hu&#x0364;lffe kommen &#x017F;olte, allein, ehe die Mitternachts,<lb/>
Stunde einbrach, &#x017F;tarb er unverhofft und plo&#x0364;tzlich,<lb/>
weil, wie ich nachhero erfahren, ihm das Ru&#x0364;ck-<lb/>
grad entzwey gebrochen war. Solcherge&#x017F;talt mu-<lb/>
&#x017F;te ich mich, auf Zureden meiner Mutter und ande-<lb/>
rer guten Freunde, eilig&#x017F;t aus dem Staube machen,<lb/>
und weil mir die er&#x017F;tere einen guten Zehr-Pfennig<lb/>
auf die Rei&#x017F;e gab, zugleich ein gut Pferd aus dem<lb/>
Stalle mit zu nehmen erlaubte, erreichte ich gar bald<lb/>
einen &#x017F;ichern Ort, allwo bis zur Ausmachung die&#x017F;er<lb/>
Sache in Sicherheit leben konte.</p><lb/>
          <p>Allein, mein Gewi&#x017F;&#x017F;en fand &#x017F;ich von &#x017F;o ha&#x0364;uffigen<lb/>
Blut-Schulden, und andern nicht viel geringern,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[392/0406] ne Mutter aber hatte ich kaum ins Bette getragen, und einigermaſſen vom Blute gereiniget, da der erboſte Stief-Vater zuruͤck kam, und mich mit einem groſſen Pruͤgel dermaſſen uͤber den Ruͤcken ſchlug, daß ich faſt verzweiffeln moͤgen, jedoch ehe er noch dergleichen Schlag wiederholen konte, ſtieß ich ihn zur Thuͤr hinaus, ſo, daß er ruͤcklings eine kleine Treppe herunter ſtuͤrtzte, und ohnmaͤchtig liegen blieb. Es waren etliche Mahl-Gaͤſte gegenwaͤrtig, wel- che das mir und meiner Mutter zugefuͤgte Unrecht mit angeſehen hatten, alſo meinen Jachzorn um ſo viel deſto weniger mißbilligen, dem ohngeacht mei- nen Stief-Vater mit Eßig und andern ſtarcken Sa- chen wieder erqvicken wollten, allein, ob derſelbige gleich die Augen aufzuthun, und ſich in etwas zu re- gen begunte, ſo wolte doch kein Verſtand wieder kommen, wir ſchickten nach dem Bader des Dorffs, der ihm eine Ader oͤffnen, und ſonſten mit Artzeneyen zu Huͤlffe kommen ſolte, allein, ehe die Mitternachts, Stunde einbrach, ſtarb er unverhofft und ploͤtzlich, weil, wie ich nachhero erfahren, ihm das Ruͤck- grad entzwey gebrochen war. Solchergeſtalt mu- ſte ich mich, auf Zureden meiner Mutter und ande- rer guten Freunde, eiligſt aus dem Staube machen, und weil mir die erſtere einen guten Zehr-Pfennig auf die Reiſe gab, zugleich ein gut Pferd aus dem Stalle mit zu nehmen erlaubte, erreichte ich gar bald einen ſichern Ort, allwo bis zur Ausmachung dieſer Sache in Sicherheit leben konte. Allein, mein Gewiſſen fand ſich von ſo haͤuffigen Blut-Schulden, und andern nicht viel geringern, der-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/406
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/406>, abgerufen am 28.11.2024.