Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

Bild:
<< vorherige Seite

nach dem andern fort, um den Calcanten zum tre-
ten anzumahnen, oder selbst die Bälge zu treten,
allein, dieser stieß einen jeden zurück, der ihm ins
Handwerck fallen wolte, schwur auch hoch und
theuer, er träte ehe keinen Balg, bis ihm der Can-
tor
sagen lassen, aus welchem Tone die Music ge-
hen, und was es vor Tact seyn solte. Jch erbarm-
te mich endlich, nachdem ich erfahren, woran es lä-
ge, über meinen wurmsichtigen Schwager, that
als ob ich den Cantor gefragt und erfahren hätte,
daß das musicalische Stücke aus dem fis moll gin-
ge, und 5 viertel Tact wäre, dahero er sich endlich be-
wegen ließ, die Bälge zu treten, der Cantor aber war
dergestalt zum Eifer, hergegen die Musicanten
und Concertisten zum greulichen Gelächter gereitzt
worden, so, daß immer eine Saue nach der andern
heraus kam, bis endlich alles stecken blieb, und das
gantze Stück von neuen angefangen werden mußte.
So bald endlich die Music mit Kummer und Noth
verbracht war, ließ der Cantor einem Schüler den
Glauben spielen, er aber lieff als eine Furie hinter
in die Balg-Kammer, um meinen Schwager einen
tüchtigen Ausputzer zu geben, da ihm nun dieser kein
Wort verschwieg, ließ sich der Cantor vom Zorne
dergestalt übermeistern, daß er dem Calcanten ein
paar Maulschellen gab, dieser restituirte dieselben
cum Interesse, warff auch des Cantors schwartze
Peruque zum Schall-Loche auf den Kirchhoff hin-
unter, ihn aber selbst endlich zur Balg-Kammer
hinaus, worüber eine abermahlige Unordnnng ent-
stund, denn mittlerweile waren die Bälge aufge-
lauffen, weßwegen die Orgel stille schwieg, jedoch

ich

nach dem andern fort, um den Calcanten zum tre-
ten anzumahnen, oder ſelbſt die Baͤlge zu treten,
allein, dieſer ſtieß einen jeden zuruͤck, der ihm ins
Handwerck fallen wolte, ſchwur auch hoch und
theuer, er traͤte ehe keinen Balg, bis ihm der Can-
tor
ſagen laſſen, aus welchem Tone die Muſic ge-
hen, und was es vor Tact ſeyn ſolte. Jch erbarm-
te mich endlich, nachdem ich erfahren, woran es laͤ-
ge, uͤber meinen wurmſichtigen Schwager, that
als ob ich den Cantor gefragt und erfahren haͤtte,
daß das muſicaliſche Stuͤcke aus dem fis moll gin-
ge, und 5 viertel Tact waͤre, dahero er ſich endlich be-
wegen ließ, die Baͤlge zu treten, der Cantor aber war
dergeſtalt zum Eifer, hergegen die Muſicanten
und Concertiſten zum greulichen Gelaͤchter gereitzt
worden, ſo, daß immer eine Saue nach der andern
heraus kam, bis endlich alles ſtecken blieb, und das
gantze Stuͤck von neuen angefangen werden mußte.
So bald endlich die Muſic mit Kummer und Noth
verbracht war, ließ der Cantor einem Schuͤler den
Glauben ſpielen, er aber lieff als eine Furie hinter
in die Balg-Kammer, um meinen Schwager einen
tuͤchtigen Ausputzer zu geben, da ihm nun dieſer kein
Wort verſchwieg, ließ ſich der Cantor vom Zorne
dergeſtalt uͤbermeiſtern, daß er dem Calcanten ein
paar Maulſchellen gab, dieſer reſtituirte dieſelben
cum Intereſſe, warff auch des Cantors ſchwartze
Peruque zum Schall-Loche auf den Kirchhoff hin-
unter, ihn aber ſelbſt endlich zur Balg-Kammer
hinaus, woruͤber eine abermahlige Unordnnng ent-
ſtund, denn mittlerweile waren die Baͤlge aufge-
lauffen, weßwegen die Orgel ſtille ſchwieg, jedoch

ich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0450" n="436"/>
nach dem andern fort, um den <hi rendition="#aq">Calcant</hi>en zum tre-<lb/>
ten anzumahnen, oder &#x017F;elb&#x017F;t die Ba&#x0364;lge zu treten,<lb/>
allein, die&#x017F;er &#x017F;tieß einen jeden zuru&#x0364;ck, der ihm ins<lb/>
Handwerck fallen wolte, &#x017F;chwur auch hoch und<lb/>
theuer, er tra&#x0364;te ehe keinen Balg, bis ihm der <hi rendition="#aq">Can-<lb/>
tor</hi> &#x017F;agen la&#x017F;&#x017F;en, aus welchem Tone die <hi rendition="#aq">Mu&#x017F;ic</hi> ge-<lb/>
hen, und was es vor <hi rendition="#aq">Tact</hi> &#x017F;eyn &#x017F;olte. Jch erbarm-<lb/>
te mich endlich, nachdem ich erfahren, woran es la&#x0364;-<lb/>
ge, u&#x0364;ber meinen wurm&#x017F;ichtigen Schwager, that<lb/>
als ob ich den <hi rendition="#aq">Cantor</hi> gefragt und erfahren ha&#x0364;tte,<lb/>
daß das <hi rendition="#aq">mu&#x017F;icali</hi>&#x017F;che Stu&#x0364;cke aus dem <hi rendition="#aq">fis moll</hi> gin-<lb/>
ge, und 5 viertel <hi rendition="#aq">Tact</hi> wa&#x0364;re, dahero er &#x017F;ich endlich be-<lb/>
wegen ließ, die Ba&#x0364;lge zu treten, der <hi rendition="#aq">Cantor</hi> aber war<lb/>
derge&#x017F;talt zum Eifer, hergegen die <hi rendition="#aq">Mu&#x017F;icant</hi>en<lb/>
und <hi rendition="#aq">Concerti&#x017F;t</hi>en zum greulichen Gela&#x0364;chter gereitzt<lb/>
worden, &#x017F;o, daß immer eine Saue nach der andern<lb/>
heraus kam, bis endlich alles &#x017F;tecken blieb, und das<lb/>
gantze Stu&#x0364;ck von neuen angefangen werden mußte.<lb/>
So bald endlich die <hi rendition="#aq">Mu&#x017F;ic</hi> mit Kummer und Noth<lb/>
verbracht war, ließ der <hi rendition="#aq">Cantor</hi> einem Schu&#x0364;ler den<lb/>
Glauben &#x017F;pielen, er aber lieff als eine <hi rendition="#aq">Furie</hi> hinter<lb/>
in die Balg-Kammer, um meinen Schwager einen<lb/>
tu&#x0364;chtigen Ausputzer zu geben, da ihm nun die&#x017F;er kein<lb/>
Wort ver&#x017F;chwieg, ließ &#x017F;ich der <hi rendition="#aq">Cantor</hi> vom Zorne<lb/>
derge&#x017F;talt u&#x0364;bermei&#x017F;tern, daß er dem <hi rendition="#aq">Calcant</hi>en ein<lb/>
paar Maul&#x017F;chellen gab, die&#x017F;er <hi rendition="#aq">re&#x017F;titui</hi>rte die&#x017F;elben<lb/><hi rendition="#aq">cum Intere&#x017F;&#x017F;e,</hi> warff auch des <hi rendition="#aq">Cantors</hi> &#x017F;chwartze<lb/><hi rendition="#aq">Peruque</hi> zum Schall-Loche auf den Kirchhoff hin-<lb/>
unter, ihn aber &#x017F;elb&#x017F;t endlich zur Balg-Kammer<lb/>
hinaus, woru&#x0364;ber eine abermahlige Unordnnng ent-<lb/>
&#x017F;tund, denn mittlerweile waren die Ba&#x0364;lge aufge-<lb/>
lauffen, weßwegen die Orgel &#x017F;tille &#x017F;chwieg, jedoch<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ich</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[436/0450] nach dem andern fort, um den Calcanten zum tre- ten anzumahnen, oder ſelbſt die Baͤlge zu treten, allein, dieſer ſtieß einen jeden zuruͤck, der ihm ins Handwerck fallen wolte, ſchwur auch hoch und theuer, er traͤte ehe keinen Balg, bis ihm der Can- tor ſagen laſſen, aus welchem Tone die Muſic ge- hen, und was es vor Tact ſeyn ſolte. Jch erbarm- te mich endlich, nachdem ich erfahren, woran es laͤ- ge, uͤber meinen wurmſichtigen Schwager, that als ob ich den Cantor gefragt und erfahren haͤtte, daß das muſicaliſche Stuͤcke aus dem fis moll gin- ge, und 5 viertel Tact waͤre, dahero er ſich endlich be- wegen ließ, die Baͤlge zu treten, der Cantor aber war dergeſtalt zum Eifer, hergegen die Muſicanten und Concertiſten zum greulichen Gelaͤchter gereitzt worden, ſo, daß immer eine Saue nach der andern heraus kam, bis endlich alles ſtecken blieb, und das gantze Stuͤck von neuen angefangen werden mußte. So bald endlich die Muſic mit Kummer und Noth verbracht war, ließ der Cantor einem Schuͤler den Glauben ſpielen, er aber lieff als eine Furie hinter in die Balg-Kammer, um meinen Schwager einen tuͤchtigen Ausputzer zu geben, da ihm nun dieſer kein Wort verſchwieg, ließ ſich der Cantor vom Zorne dergeſtalt uͤbermeiſtern, daß er dem Calcanten ein paar Maulſchellen gab, dieſer reſtituirte dieſelben cum Intereſſe, warff auch des Cantors ſchwartze Peruque zum Schall-Loche auf den Kirchhoff hin- unter, ihn aber ſelbſt endlich zur Balg-Kammer hinaus, woruͤber eine abermahlige Unordnnng ent- ſtund, denn mittlerweile waren die Baͤlge aufge- lauffen, weßwegen die Orgel ſtille ſchwieg, jedoch ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/450
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/450>, abgerufen am 22.11.2024.