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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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Schuldienst auf dem Dorffe anzuhalten, und mir
dabey das Praedicat als Herr Cantor und Organi-
ste
geben zu lassen.

Jch machte nicht viel Schwierigkeiten, diesem
gantz feinen Mägdgen meine Gegen-Liebe zu erken-
nen zu geben, überreichte immittelst mein Bitt-
Schreiben um den Schul-Dienst, gehöriges Orts,
und bekam sehr gute Vertröstungen, wie denn auch
der Raths-Verwandte Herr Posamentirer, sich
viele Mühe gab, mich bey den Herren Patronis be-
stens zu recommandiren, und endlich selbst die siche-
re Nachricht brachte, daß mir, seines Vorspruchs we-
gen, der Dienst unmöglich entgehen könte. Jch
wußte zur schuldigen Danckbarkeit vor seine viel-
fältige Mühwaltung nichts bessers zu ersinnen, als
ihn um seine 17. jährige jüngste Jungfer Tochter
anzusprechen. Der gute Mann machte nicht viel
Umschweiffe, sondern richtete gleich folgenden Ta-
ges einen kleinen Schmaus aus, worbey ich und
dessen Jungfer Tochter ordentlich mit einander ver-
lobt wurden. Lange Zeit hernach habe ich erstlich
erfahren, daß er die größte Ursach gehabt also zu ei-
len, und seine Tochter mit Ehren unter die Haube
zu bringen, denn weil sie jederzeit eine ungemeine
Liebhaberin von Manns-Fleisch gewesen, und er,
der Vater selbst, die Tochter sehr offt des Nachts
mit den Schülern auf der Strasse, nicht selten auch
einen oder den andern in ihrer Schlaf-Kammer
angetroffen hatte, so mochte derselbe befürchten,
seiten ihrer, ehe als es ihm angenehm sey, Groß-
Vater zu werden. Solchergestalt wurde ich in
allergrößter Geschwindigkeit ein Bräutigam, und

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Schuldienſt auf dem Dorffe anzuhalten, und mir
dabey das Prædicat als Herr Cantor und Organi-
ſte
geben zu laſſen.

Jch machte nicht viel Schwierigkeiten, dieſem
gantz feinen Maͤgdgen meine Gegen-Liebe zu erken-
nen zu geben, uͤberreichte immittelſt mein Bitt-
Schreiben um den Schul-Dienſt, gehoͤriges Orts,
und bekam ſehr gute Vertroͤſtungen, wie denn auch
der Raths-Verwandte Herr Poſamentirer, ſich
viele Muͤhe gab, mich bey den Herren Patronis be-
ſtens zu recommandiren, und endlich ſelbſt die ſiche-
re Nachricht brachte, daß mir, ſeines Vorſpruchs we-
gen, der Dienſt unmoͤglich entgehen koͤnte. Jch
wußte zur ſchuldigen Danckbarkeit vor ſeine viel-
faͤltige Muͤhwaltung nichts beſſers zu erſinnen, als
ihn um ſeine 17. jaͤhrige juͤngſte Jungfer Tochter
anzuſprechen. Der gute Mann machte nicht viel
Umſchweiffe, ſondern richtete gleich folgenden Ta-
ges einen kleinen Schmaus aus, worbey ich und
deſſen Jungfer Tochter ordentlich mit einander ver-
lobt wurden. Lange Zeit hernach habe ich erſtlich
erfahren, daß er die groͤßte Urſach gehabt alſo zu ei-
len, und ſeine Tochter mit Ehren unter die Haube
zu bringen, denn weil ſie jederzeit eine ungemeine
Liebhaberin von Manns-Fleiſch geweſen, und er,
der Vater ſelbſt, die Tochter ſehr offt des Nachts
mit den Schuͤlern auf der Straſſe, nicht ſelten auch
einen oder den andern in ihrer Schlaf-Kammer
angetroffen hatte, ſo mochte derſelbe befuͤrchten,
ſeiten ihrer, ehe als es ihm angenehm ſey, Groß-
Vater zu werden. Solchergeſtalt wurde ich in
allergroͤßter Geſchwindigkeit ein Braͤutigam, und

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[441/0455] Schuldienſt auf dem Dorffe anzuhalten, und mir dabey das Prædicat als Herr Cantor und Organi- ſte geben zu laſſen. Jch machte nicht viel Schwierigkeiten, dieſem gantz feinen Maͤgdgen meine Gegen-Liebe zu erken- nen zu geben, uͤberreichte immittelſt mein Bitt- Schreiben um den Schul-Dienſt, gehoͤriges Orts, und bekam ſehr gute Vertroͤſtungen, wie denn auch der Raths-Verwandte Herr Poſamentirer, ſich viele Muͤhe gab, mich bey den Herren Patronis be- ſtens zu recommandiren, und endlich ſelbſt die ſiche- re Nachricht brachte, daß mir, ſeines Vorſpruchs we- gen, der Dienſt unmoͤglich entgehen koͤnte. Jch wußte zur ſchuldigen Danckbarkeit vor ſeine viel- faͤltige Muͤhwaltung nichts beſſers zu erſinnen, als ihn um ſeine 17. jaͤhrige juͤngſte Jungfer Tochter anzuſprechen. Der gute Mann machte nicht viel Umſchweiffe, ſondern richtete gleich folgenden Ta- ges einen kleinen Schmaus aus, worbey ich und deſſen Jungfer Tochter ordentlich mit einander ver- lobt wurden. Lange Zeit hernach habe ich erſtlich erfahren, daß er die groͤßte Urſach gehabt alſo zu ei- len, und ſeine Tochter mit Ehren unter die Haube zu bringen, denn weil ſie jederzeit eine ungemeine Liebhaberin von Manns-Fleiſch geweſen, und er, der Vater ſelbſt, die Tochter ſehr offt des Nachts mit den Schuͤlern auf der Straſſe, nicht ſelten auch einen oder den andern in ihrer Schlaf-Kammer angetroffen hatte, ſo mochte derſelbe befuͤrchten, ſeiten ihrer, ehe als es ihm angenehm ſey, Groß- Vater zu werden. Solchergeſtalt wurde ich in allergroͤßter Geſchwindigkeit ein Braͤutigam, und ſchaͤtz- e e 5

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/455>, abgerufen am 22.11.2024.