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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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same Sicherheit verschafft, hiernächst fand sich ein
barmhertziger Wund-Artzt an, welcher meine sehr
starck blutende Haupt-Wunde mit dienlichen Bal-
sam und Pflaster verband, wie denn auch unzehli-
ge vorbey gehende Leute, mir immer ein Geld-Stück
über das andere zuwarffen, so daß ich durch dieses Un-
glück reicher am Gelde wurde, als ich Zeit Lebens noch
nicht gewesen, denn es war, nachdem ich selbiges ge-
zehlet hatte, über 3. Thlr. Endlich kam ein Cavalier,
der schon in Halle im Gasthofe meine Avanturen mit
angehöret, mich auch mit einem 6. Pfenning Stücke
beschenckt hatte und fragte, indem er meine Person so
gleich erkannte, auf was Art ich zu diesem Scha-
den gekommen? Jch gab ihm von allen richtigen Be-
scheid, ließ es auch an grausamen Schimpf-Wor-
ten, die meinen steltzbeinigen Stief-Vater betraffen,
nicht ermangeln. Ja, sprach ich, GOTT wird
mir helffen, daß ich noch ein paar Jahr hinlebe, und
tüchtig werde eine Musquete und einen Degen zu
tragen, so dann will ich dem verlauffnen Mörder das
andere Bein auch vom Leibe herunter hauen. Der
Cavalier fieng hierüber hertzlich an zu lachen, und
sagte: Junge, dein Vorsatz ist dieserwegen löblich,
weil es doch scheinet, daß du Courage im Leibe hast,
wenn ich mich auf deine Treue und Redlichkeit zu
verlassen wüßte, wolte ich dich augenblicklich in mei-
ne Dienste nehmen, und dir ein Hand-Pferd zu rei-
ten geben. Jch sprang augenblicklich von der Er-
den auf, und bat diesen Herrn mit heissen Thränen,
mich armen Schelmen anzunehmen, weil ich mich
eher 10. mahl tod schlagen lassen, als ihm ein eintzig
mahl ungetreu seyn wolte. Demnach befahl er

mir

ſame Sicherheit verſchafft, hiernaͤchſt fand ſich ein
barmhertziger Wund-Artzt an, welcher meine ſehr
ſtarck blutende Haupt-Wunde mit dienlichen Bal-
ſam und Pflaſter verband, wie denn auch unzehli-
ge vorbey gehende Leute, mir immer ein Geld-Stuͤck
uͤber das andere zuwarffen, ſo daß ich durch dieſes Un-
gluͤck reicher am Gelde wurde, als ich Zeit Lebens noch
nicht geweſen, denn es war, nachdem ich ſelbiges ge-
zehlet hatte, uͤber 3. Thlr. Endlich kam ein Cavalier,
der ſchon in Halle im Gaſthofe meine Avanturen mit
angehoͤret, mich auch mit einem 6. Pfenning Stuͤcke
beſchenckt hatte und fragte, indem er meine Perſon ſo
gleich erkannte, auf was Art ich zu dieſem Scha-
den gekommen? Jch gab ihm von allen richtigen Be-
ſcheid, ließ es auch an grauſamen Schimpf-Wor-
ten, die meinen ſteltzbeinigen Stief-Vater betraffen,
nicht ermangeln. Ja, ſprach ich, GOTT wird
mir helffen, daß ich noch ein paar Jahr hinlebe, und
tuͤchtig werde eine Muſquete und einen Degen zu
tragen, ſo dann will ich dem verlauffnen Moͤrder das
andere Bein auch vom Leibe herunter hauen. Der
Cavalier fieng hieruͤber hertzlich an zu lachen, und
ſagte: Junge, dein Vorſatz iſt dieſerwegen loͤblich,
weil es doch ſcheinet, daß du Courage im Leibe haſt,
wenn ich mich auf deine Treue und Redlichkeit zu
verlaſſen wuͤßte, wolte ich dich augenblicklich in mei-
ne Dienſte nehmen, und dir ein Hand-Pferd zu rei-
ten geben. Jch ſprang augenblicklich von der Er-
den auf, und bat dieſen Herrn mit heiſſen Thraͤnen,
mich armen Schelmen anzunehmen, weil ich mich
eher 10. mahl tod ſchlagen laſſen, als ihm ein eintzig
mahl ungetreu ſeyn wolte. Demnach befahl er

mir
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[477/0493] ſame Sicherheit verſchafft, hiernaͤchſt fand ſich ein barmhertziger Wund-Artzt an, welcher meine ſehr ſtarck blutende Haupt-Wunde mit dienlichen Bal- ſam und Pflaſter verband, wie denn auch unzehli- ge vorbey gehende Leute, mir immer ein Geld-Stuͤck uͤber das andere zuwarffen, ſo daß ich durch dieſes Un- gluͤck reicher am Gelde wurde, als ich Zeit Lebens noch nicht geweſen, denn es war, nachdem ich ſelbiges ge- zehlet hatte, uͤber 3. Thlr. Endlich kam ein Cavalier, der ſchon in Halle im Gaſthofe meine Avanturen mit angehoͤret, mich auch mit einem 6. Pfenning Stuͤcke beſchenckt hatte und fragte, indem er meine Perſon ſo gleich erkannte, auf was Art ich zu dieſem Scha- den gekommen? Jch gab ihm von allen richtigen Be- ſcheid, ließ es auch an grauſamen Schimpf-Wor- ten, die meinen ſteltzbeinigen Stief-Vater betraffen, nicht ermangeln. Ja, ſprach ich, GOTT wird mir helffen, daß ich noch ein paar Jahr hinlebe, und tuͤchtig werde eine Muſquete und einen Degen zu tragen, ſo dann will ich dem verlauffnen Moͤrder das andere Bein auch vom Leibe herunter hauen. Der Cavalier fieng hieruͤber hertzlich an zu lachen, und ſagte: Junge, dein Vorſatz iſt dieſerwegen loͤblich, weil es doch ſcheinet, daß du Courage im Leibe haſt, wenn ich mich auf deine Treue und Redlichkeit zu verlaſſen wuͤßte, wolte ich dich augenblicklich in mei- ne Dienſte nehmen, und dir ein Hand-Pferd zu rei- ten geben. Jch ſprang augenblicklich von der Er- den auf, und bat dieſen Herrn mit heiſſen Thraͤnen, mich armen Schelmen anzunehmen, weil ich mich eher 10. mahl tod ſchlagen laſſen, als ihm ein eintzig mahl ungetreu ſeyn wolte. Demnach befahl er mir

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/493>, abgerufen am 22.11.2024.