keimete, so daß das hungerige Pferd selbiges mit seinen Zähnen kaum fassen konte, bemühete ich mich dennoch, um meines Stief-Vaters Gnade zu er- werben, selbiges an die besten Oerter zu bringen. Allein, da ich diesen Unglücks-Gaul mit Gewalt über einen Steg führen wolte, riß sich derselbe los, und lieff queer Feld ein, ich und viele andere Bettel-Jun- gens marchirten hinter drein, weil aber diese Hen- ckers Buben nicht so wohl gesinnet waren, mir das Pferd wieder fangen zu helffen, als dasselbe nur de- sto rasender zu machen, scheuchten sie so lange, bis es in einen hohlen Weg stürtzte, und ein paar Beine ent- zwey brach. Jch war noch im Begriff das Pferd mit Hertzbrechenden Worten zum Aufstehen zu be- wegen, als mein Stief-Vater herzu trat, dessen Ankunfft ich aber nicht ehe gemerckt, bis er mir etli- che Streiche mit seinem knolligten Stocke auf den Kopf und Rücken versetzt hatte. Mein Leben wür- de gantz gewiß so dünne als ein seidener Faden wor- den seyn, wenn nicht einige guthertzige Leute darzwi- schen getreten und meine Schutz-Engel gewesen wä- ren, meine treuhertzige Mutter kam endlich eben- falls herbey, und stellete sich an, als ob sie mich in ih- ren Schutz nehmen wolte, gab mir aber unvermu- thet einen dermassen hefftigen Streich mit der vollen Faust auf die Nase, daß mir nicht allein der Geruch, sondern auch die übrige 4. Sinne vergiengen, ja ich habe auch fast nicht einmahl gefühlet, wie sie mir mit einem aufgehobenen Steine ein grosses Loch in den Kopf geworffen.
Die Ankunfft des Gerichts-Knechts hatte end- lich meine tyrannischen Eltern verjagt, mir aber satt-
same
keimete, ſo daß das hungerige Pferd ſelbiges mit ſeinen Zaͤhnen kaum faſſen konte, bemuͤhete ich mich dennoch, um meines Stief-Vaters Gnade zu er- werben, ſelbiges an die beſten Oerter zu bringen. Allein, da ich dieſen Ungluͤcks-Gaul mit Gewalt uͤber einen Steg fuͤhren wolte, riß ſich derſelbe los, und lieff queer Feld ein, ich und viele andere Bettel-Jun- gens marchirten hinter drein, weil aber dieſe Hen- ckers Buben nicht ſo wohl geſinnet waren, mir das Pferd wieder fangen zu helffen, als daſſelbe nur de- ſto raſender zu machen, ſcheuchten ſie ſo lange, bis es in einen hohlen Weg ſtuͤrtzte, und ein paar Beine ent- zwey brach. Jch war noch im Begriff das Pferd mit Hertzbrechenden Worten zum Aufſtehen zu be- wegen, als mein Stief-Vater herzu trat, deſſen Ankunfft ich aber nicht ehe gemerckt, bis er mir etli- che Streiche mit ſeinem knolligten Stocke auf den Kopf und Ruͤcken verſetzt hatte. Mein Leben wuͤr- de gantz gewiß ſo duͤnne als ein ſeidener Faden wor- den ſeyn, wenn nicht einige guthertzige Leute darzwi- ſchen getreten und meine Schutz-Engel geweſen waͤ- ren, meine treuhertzige Mutter kam endlich eben- falls herbey, und ſtellete ſich an, als ob ſie mich in ih- ren Schutz nehmen wolte, gab mir aber unvermu- thet einen dermaſſen hefftigen Streich mit der vollen Fauſt auf die Naſe, daß mir nicht allein der Geruch, ſondern auch die uͤbrige 4. Sinne vergiengen, ja ich habe auch faſt nicht einmahl gefuͤhlet, wie ſie mir mit einem aufgehobenen Steine ein groſſes Loch in den Kopf geworffen.
Die Ankunfft des Gerichts-Knechts hatte end- lich meine tyranniſchen Eltern verjagt, mir aber ſatt-
ſame
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0492"n="476"/>
keimete, ſo daß das hungerige Pferd ſelbiges mit<lb/>ſeinen Zaͤhnen kaum faſſen konte, bemuͤhete ich mich<lb/>
dennoch, um meines Stief-Vaters Gnade zu er-<lb/>
werben, ſelbiges an die beſten Oerter zu bringen.<lb/>
Allein, da ich dieſen Ungluͤcks-Gaul mit Gewalt uͤber<lb/>
einen Steg fuͤhren wolte, riß ſich derſelbe los, und<lb/>
lieff queer Feld ein, ich und viele andere Bettel-Jun-<lb/>
gens <hirendition="#aq">marchir</hi>ten hinter drein, weil aber dieſe Hen-<lb/>
ckers Buben nicht ſo wohl geſinnet waren, mir das<lb/>
Pferd wieder fangen zu helffen, als daſſelbe nur de-<lb/>ſto raſender zu machen, ſcheuchten ſie ſo lange, bis es<lb/>
in einen hohlen Weg ſtuͤrtzte, und ein paar Beine ent-<lb/>
zwey brach. Jch war noch im Begriff das Pferd<lb/>
mit Hertzbrechenden Worten zum Aufſtehen zu be-<lb/>
wegen, als mein Stief-Vater herzu trat, deſſen<lb/>
Ankunfft ich aber nicht ehe gemerckt, bis er mir etli-<lb/>
che Streiche mit ſeinem knolligten Stocke auf den<lb/>
Kopf und Ruͤcken verſetzt hatte. Mein Leben wuͤr-<lb/>
de gantz gewiß ſo duͤnne als ein ſeidener Faden wor-<lb/>
den ſeyn, wenn nicht einige guthertzige Leute darzwi-<lb/>ſchen getreten und meine Schutz-Engel geweſen waͤ-<lb/>
ren, meine treuhertzige Mutter kam endlich eben-<lb/>
falls herbey, und ſtellete ſich an, als ob ſie mich in ih-<lb/>
ren Schutz nehmen wolte, gab mir aber unvermu-<lb/>
thet einen dermaſſen hefftigen Streich mit der vollen<lb/>
Fauſt auf die Naſe, daß mir nicht allein der Geruch,<lb/>ſondern auch die uͤbrige 4. Sinne vergiengen, ja ich<lb/>
habe auch faſt nicht einmahl gefuͤhlet, wie ſie mir mit<lb/>
einem aufgehobenen Steine ein groſſes Loch in den<lb/>
Kopf geworffen.</p><lb/><p>Die Ankunfft des Gerichts-Knechts hatte end-<lb/>
lich meine tyranniſchen Eltern verjagt, mir aber ſatt-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſame</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[476/0492]
keimete, ſo daß das hungerige Pferd ſelbiges mit
ſeinen Zaͤhnen kaum faſſen konte, bemuͤhete ich mich
dennoch, um meines Stief-Vaters Gnade zu er-
werben, ſelbiges an die beſten Oerter zu bringen.
Allein, da ich dieſen Ungluͤcks-Gaul mit Gewalt uͤber
einen Steg fuͤhren wolte, riß ſich derſelbe los, und
lieff queer Feld ein, ich und viele andere Bettel-Jun-
gens marchirten hinter drein, weil aber dieſe Hen-
ckers Buben nicht ſo wohl geſinnet waren, mir das
Pferd wieder fangen zu helffen, als daſſelbe nur de-
ſto raſender zu machen, ſcheuchten ſie ſo lange, bis es
in einen hohlen Weg ſtuͤrtzte, und ein paar Beine ent-
zwey brach. Jch war noch im Begriff das Pferd
mit Hertzbrechenden Worten zum Aufſtehen zu be-
wegen, als mein Stief-Vater herzu trat, deſſen
Ankunfft ich aber nicht ehe gemerckt, bis er mir etli-
che Streiche mit ſeinem knolligten Stocke auf den
Kopf und Ruͤcken verſetzt hatte. Mein Leben wuͤr-
de gantz gewiß ſo duͤnne als ein ſeidener Faden wor-
den ſeyn, wenn nicht einige guthertzige Leute darzwi-
ſchen getreten und meine Schutz-Engel geweſen waͤ-
ren, meine treuhertzige Mutter kam endlich eben-
falls herbey, und ſtellete ſich an, als ob ſie mich in ih-
ren Schutz nehmen wolte, gab mir aber unvermu-
thet einen dermaſſen hefftigen Streich mit der vollen
Fauſt auf die Naſe, daß mir nicht allein der Geruch,
ſondern auch die uͤbrige 4. Sinne vergiengen, ja ich
habe auch faſt nicht einmahl gefuͤhlet, wie ſie mir mit
einem aufgehobenen Steine ein groſſes Loch in den
Kopf geworffen.
Die Ankunfft des Gerichts-Knechts hatte end-
lich meine tyranniſchen Eltern verjagt, mir aber ſatt-
ſame
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/492>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.