Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

Bild:
<< vorherige Seite

meinem Meister hatte ich nach wie vor gute Zeit,
und ausser den Arbeits-Stunden meine völlige Frey-
heit hinzugehen und zu machen was ich wolte. Da
aber einige Wochen über mein erstes Lehr-Jahr ver-
flossen waren, trat der Lehr-Meister eine Reise an,
von welcher er noch bis auf diese Stunde zurück in
sein Haus kommen soll. Drey oder 4. Monate her-
nach machte sich die Frau auchaus dem Staube, und
überließ die Haushaltung ihrer Schwester, welche
sich von einem liederlicher Schlösser Gesellen
schwängern lassen, der immittelst des Meisters
Stelle vertreten solte, jedoch dermassen übel hau-
sete, daß die andern Gesellen nebst einem Lehr-Jun-
gen fort und zu andern Meistern giengen. Mit mir
konte er sich noch etwas länger vertragen, jedoch da
er eines Abends sehr besoffen nach Hause kam, und
so wohl Frau als Magd und mich mit einem Stabe
Eisen jämmerlich zerprügelte, verursachte dieses
mir gantz ungewöhnliche Tractament, daß ich gleich
mit anbrechenden Tage ebenfalls Abschied nahm,
und mich zu dem Handwercks-Meister begab, wel-
cher in Erwegung meiner Umstände, es gantz leicht
dahin brachte, daß ich bis zur Wiederkunfft mei-
nes ersten Meisters, woran jedoch viele, aus wich-
tigen, mir damahls unbekandten Ursachen, zwei-
feln wolten, zu einem andern Meister gebracht wer-
den solte, um meine Lehr-Jahre vollends richtig
auszustehen. Bey diesem andern Meister traff ich
auch eine gantz andere Haushaltungs-Verfassung
an, denn weil derselbe ein sehr frommer und Got-
tesfürchtiger Mann war, so hielt er auch sein Ge-
sinde zum fleißigen Beten, Singen und Kirchen-ge-

hen,

meinem Meiſter hatte ich nach wie vor gute Zeit,
und auſſer den Arbeits-Stunden meine voͤllige Frey-
heit hinzugehen und zu machen was ich wolte. Da
aber einige Wochen uͤber mein erſtes Lehr-Jahr ver-
floſſen waren, trat der Lehr-Meiſter eine Reiſe an,
von welcher er noch bis auf dieſe Stunde zuruͤck in
ſein Haus kommen ſoll. Drey oder 4. Monate her-
nach machte ſich die Frau auchaus dem Staube, und
uͤberließ die Haushaltung ihrer Schweſter, welche
ſich von einem liederlicher Schloͤſſer Geſellen
ſchwaͤngern laſſen, der immittelſt des Meiſters
Stelle vertreten ſolte, jedoch dermaſſen uͤbel hau-
ſete, daß die andern Geſellen nebſt einem Lehr-Jun-
gen fort und zu andern Meiſtern giengen. Mit mir
konte er ſich noch etwas laͤnger vertragen, jedoch da
er eines Abends ſehr beſoffen nach Hauſe kam, und
ſo wohl Frau als Magd und mich mit einem Stabe
Eiſen jaͤmmerlich zerpruͤgelte, verurſachte dieſes
mir gantz ungewoͤhnliche Tractament, daß ich gleich
mit anbrechenden Tage ebenfalls Abſchied nahm,
und mich zu dem Handwercks-Meiſter begab, wel-
cher in Erwegung meiner Umſtaͤnde, es gantz leicht
dahin brachte, daß ich bis zur Wiederkunfft mei-
nes erſten Meiſters, woran jedoch viele, aus wich-
tigen, mir damahls unbekandten Urſachen, zwei-
feln wolten, zu einem andern Meiſter gebracht wer-
den ſolte, um meine Lehr-Jahre vollends richtig
auszuſtehen. Bey dieſem andern Meiſter traff ich
auch eine gantz andere Haushaltungs-Verfaſſung
an, denn weil derſelbe ein ſehr frommer und Got-
tesfuͤrchtiger Mann war, ſo hielt er auch ſein Ge-
ſinde zum fleißigen Beten, Singen und Kirchen-ge-

hen,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0500" n="484"/>
meinem Mei&#x017F;ter hatte ich nach wie vor gute Zeit,<lb/>
und au&#x017F;&#x017F;er den Arbeits-Stunden meine vo&#x0364;llige Frey-<lb/>
heit hinzugehen und zu machen was ich wolte. Da<lb/>
aber einige Wochen u&#x0364;ber mein er&#x017F;tes Lehr-Jahr ver-<lb/>
flo&#x017F;&#x017F;en waren, trat der Lehr-Mei&#x017F;ter eine Rei&#x017F;e an,<lb/>
von welcher er noch bis auf die&#x017F;e Stunde zuru&#x0364;ck in<lb/>
&#x017F;ein Haus kommen &#x017F;oll. Drey oder 4. Monate her-<lb/>
nach machte &#x017F;ich die Frau auchaus dem Staube, und<lb/>
u&#x0364;berließ die Haushaltung ihrer Schwe&#x017F;ter, welche<lb/>
&#x017F;ich von einem liederlicher Schlo&#x0364;&#x017F;&#x017F;er Ge&#x017F;ellen<lb/>
&#x017F;chwa&#x0364;ngern la&#x017F;&#x017F;en, der immittel&#x017F;t des Mei&#x017F;ters<lb/>
Stelle vertreten &#x017F;olte, jedoch derma&#x017F;&#x017F;en u&#x0364;bel hau-<lb/>
&#x017F;ete, daß die andern Ge&#x017F;ellen neb&#x017F;t einem Lehr-Jun-<lb/>
gen fort und zu andern Mei&#x017F;tern giengen. Mit mir<lb/>
konte er &#x017F;ich noch etwas la&#x0364;nger vertragen, jedoch da<lb/>
er eines Abends &#x017F;ehr be&#x017F;offen nach Hau&#x017F;e kam, und<lb/>
&#x017F;o wohl Frau als Magd und mich mit einem Stabe<lb/>
Ei&#x017F;en ja&#x0364;mmerlich zerpru&#x0364;gelte, verur&#x017F;achte die&#x017F;es<lb/>
mir gantz ungewo&#x0364;hnliche <hi rendition="#aq">Tractament,</hi> daß ich gleich<lb/>
mit anbrechenden Tage ebenfalls Ab&#x017F;chied nahm,<lb/>
und mich zu dem Handwercks-Mei&#x017F;ter begab, wel-<lb/>
cher in Erwegung meiner Um&#x017F;ta&#x0364;nde, es gantz leicht<lb/>
dahin brachte, daß ich bis zur Wiederkunfft mei-<lb/>
nes er&#x017F;ten Mei&#x017F;ters, woran jedoch viele, aus wich-<lb/>
tigen, mir damahls unbekandten Ur&#x017F;achen, zwei-<lb/>
feln wolten, zu einem andern Mei&#x017F;ter gebracht wer-<lb/>
den &#x017F;olte, um meine Lehr-Jahre vollends richtig<lb/>
auszu&#x017F;tehen. Bey die&#x017F;em andern Mei&#x017F;ter traff ich<lb/>
auch eine gantz andere Haushaltungs-Verfa&#x017F;&#x017F;ung<lb/>
an, denn weil der&#x017F;elbe ein &#x017F;ehr frommer und Got-<lb/>
tesfu&#x0364;rchtiger Mann war, &#x017F;o hielt er auch &#x017F;ein Ge-<lb/>
&#x017F;inde zum fleißigen Beten, Singen und Kirchen-ge-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">hen,</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[484/0500] meinem Meiſter hatte ich nach wie vor gute Zeit, und auſſer den Arbeits-Stunden meine voͤllige Frey- heit hinzugehen und zu machen was ich wolte. Da aber einige Wochen uͤber mein erſtes Lehr-Jahr ver- floſſen waren, trat der Lehr-Meiſter eine Reiſe an, von welcher er noch bis auf dieſe Stunde zuruͤck in ſein Haus kommen ſoll. Drey oder 4. Monate her- nach machte ſich die Frau auchaus dem Staube, und uͤberließ die Haushaltung ihrer Schweſter, welche ſich von einem liederlicher Schloͤſſer Geſellen ſchwaͤngern laſſen, der immittelſt des Meiſters Stelle vertreten ſolte, jedoch dermaſſen uͤbel hau- ſete, daß die andern Geſellen nebſt einem Lehr-Jun- gen fort und zu andern Meiſtern giengen. Mit mir konte er ſich noch etwas laͤnger vertragen, jedoch da er eines Abends ſehr beſoffen nach Hauſe kam, und ſo wohl Frau als Magd und mich mit einem Stabe Eiſen jaͤmmerlich zerpruͤgelte, verurſachte dieſes mir gantz ungewoͤhnliche Tractament, daß ich gleich mit anbrechenden Tage ebenfalls Abſchied nahm, und mich zu dem Handwercks-Meiſter begab, wel- cher in Erwegung meiner Umſtaͤnde, es gantz leicht dahin brachte, daß ich bis zur Wiederkunfft mei- nes erſten Meiſters, woran jedoch viele, aus wich- tigen, mir damahls unbekandten Urſachen, zwei- feln wolten, zu einem andern Meiſter gebracht wer- den ſolte, um meine Lehr-Jahre vollends richtig auszuſtehen. Bey dieſem andern Meiſter traff ich auch eine gantz andere Haushaltungs-Verfaſſung an, denn weil derſelbe ein ſehr frommer und Got- tesfuͤrchtiger Mann war, ſo hielt er auch ſein Ge- ſinde zum fleißigen Beten, Singen und Kirchen-ge- hen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/500
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 484. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/500>, abgerufen am 22.11.2024.