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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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cher Meister selbst, die Wanderschafft anzutreten,
mich einige Zeit in der Fremde umzusehen, nach-
hero wieder zu ihm zukommen, da er denn ebenfalls
nach Möglichkeit vor mein Glück sorgen wolte.

Jch will ihnen, meine Herren, mit Erzehlung mei-
nes hin und wiederlauffens und anderer Begeben-
heiten, welche gemeiniglich den reisenden Hand-
wercks-Purschen vorzustossen pflegen, nicht verdrüß-
lich fallen, weilen solche wenig besonderes in sich hal-
ten, jedoch kan nicht unangemerckt lassen, daß ich et-
liche Jahr hernach meine Mutter ohnweit Dreßden
in sehr erbärmlichen Zustande antraff. Denn der
steltzbeinige Bösewicht hatte sie nicht allein durch täg-
liches prügeln endlich gantz krum und lahm gemacht,
sondern hernachmahls gar mit 3. Kindern sitzen las-
sen. Sie erkannte selbst, daß sie diese Straf-Gerichte
gewisser massen mit ihrer unziemlichen Aufführung
verdienet, gestund auch, daß sie von dem Bösewichte
beredet worden, mich und meinen Bruder, als eine
rechte Raben-Mutter, sitzen zu lassen, worüber sie nach-
hero tausend Thränen vergossen, zumahlen da ihr das
letztere grausame Verfahren bey Querfurth auf dem
Jahrmarckte, nicht aus den Gedancken kommen, viel-
mehr das Hertze immer sagen wollen, ich hätte mich
aus Verzweifelung selbst ersäufft. Vor meinem
jüngsten Bruder konte sie mir ebenfalls Nachricht ge-
ben, daß derselbe sich in Leipzig bey einem vornehmen
Manne als Laquay in Diensten befände, wie und
von wem derselbe erzogen worden, wußte sie aber
nicht zusagen, indem ihr böses Gewissen nicht zuge-
lassen hätte, sich ihm zu erkennen zu geben.

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cher Meiſter ſelbſt, die Wanderſchafft anzutreten,
mich einige Zeit in der Fremde umzuſehen, nach-
hero wieder zu ihm zukommen, da er denn ebenfalls
nach Moͤglichkeit vor mein Gluͤck ſorgen wolte.

Jch will ihnen, meine Herren, mit Erzehlung mei-
nes hin und wiederlauffens und anderer Begeben-
heiten, welche gemeiniglich den reiſenden Hand-
wercks-Purſchen vorzuſtoſſen pflegen, nicht verdruͤß-
lich fallen, weilen ſolche wenig beſonderes in ſich hal-
ten, jedoch kan nicht unangemerckt laſſen, daß ich et-
liche Jahr hernach meine Mutter ohnweit Dreßden
in ſehr erbaͤrmlichen Zuſtande antraff. Denn der
ſteltzbeinige Boͤſewicht hatte ſie nicht allein durch taͤg-
liches pruͤgeln endlich gantz krum und lahm gemacht,
ſondern hernachmahls gar mit 3. Kindern ſitzen laſ-
ſen. Sie erkannte ſelbſt, daß ſie dieſe Straf-Gerichte
gewiſſer maſſen mit ihrer unziemlichen Auffuͤhrung
verdienet, geſtund auch, daß ſie von dem Boͤſewichte
beredet worden, mich und meinen Bruder, als eine
rechte Raben-Mutter, ſitzẽ zu laſſen, woruͤber ſie nach-
hero tauſend Thꝛaͤnen veꝛgoſſen, zumahlen da ihr das
letztere grauſame Verfahren bey Querfurth auf dem
Jahꝛmaꝛckte, nicht aus den Gedancken kommen, viel-
mehr das Hertze immer ſagen wollen, ich haͤtte mich
aus Verzweifelung ſelbſt erſaͤufft. Vor meinem
juͤngſten Bruder konte ſie mir ebenfalls Nachricht ge-
ben, daß derſelbe ſich in Leipzig bey einem vornehmen
Manne als Laquay in Dienſten befaͤnde, wie und
von wem derſelbe erzogen worden, wußte ſie aber
nicht zuſagen, indem ihr boͤſes Gewiſſen nicht zuge-
laſſen haͤtte, ſich ihm zu erkennen zu geben.

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[487/0503] cher Meiſter ſelbſt, die Wanderſchafft anzutreten, mich einige Zeit in der Fremde umzuſehen, nach- hero wieder zu ihm zukommen, da er denn ebenfalls nach Moͤglichkeit vor mein Gluͤck ſorgen wolte. Jch will ihnen, meine Herren, mit Erzehlung mei- nes hin und wiederlauffens und anderer Begeben- heiten, welche gemeiniglich den reiſenden Hand- wercks-Purſchen vorzuſtoſſen pflegen, nicht verdruͤß- lich fallen, weilen ſolche wenig beſonderes in ſich hal- ten, jedoch kan nicht unangemerckt laſſen, daß ich et- liche Jahr hernach meine Mutter ohnweit Dreßden in ſehr erbaͤrmlichen Zuſtande antraff. Denn der ſteltzbeinige Boͤſewicht hatte ſie nicht allein durch taͤg- liches pruͤgeln endlich gantz krum und lahm gemacht, ſondern hernachmahls gar mit 3. Kindern ſitzen laſ- ſen. Sie erkannte ſelbſt, daß ſie dieſe Straf-Gerichte gewiſſer maſſen mit ihrer unziemlichen Auffuͤhrung verdienet, geſtund auch, daß ſie von dem Boͤſewichte beredet worden, mich und meinen Bruder, als eine rechte Raben-Mutter, ſitzẽ zu laſſen, woruͤber ſie nach- hero tauſend Thꝛaͤnen veꝛgoſſen, zumahlen da ihr das letztere grauſame Verfahren bey Querfurth auf dem Jahꝛmaꝛckte, nicht aus den Gedancken kommen, viel- mehr das Hertze immer ſagen wollen, ich haͤtte mich aus Verzweifelung ſelbſt erſaͤufft. Vor meinem juͤngſten Bruder konte ſie mir ebenfalls Nachricht ge- ben, daß derſelbe ſich in Leipzig bey einem vornehmen Manne als Laquay in Dienſten befaͤnde, wie und von wem derſelbe erzogen worden, wußte ſie aber nicht zuſagen, indem ihr boͤſes Gewiſſen nicht zuge- laſſen haͤtte, ſich ihm zu erkennen zu geben. Die h h 4

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 487. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/503>, abgerufen am 21.11.2024.