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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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ner der allerärgsten Spitz-Buben, wo nicht gar
das Ober-Haupt einer solchen Bande seyn müsse.
Da aber endlich derselbe eines abends, mir dieses
bisherige Geheimniß, mit seinem eigenen Munde
eröffnete, und im sichern Vertrauen auf meine Treue
und Verschwiegenheit, die stärcksten Bewegungs-
Gründe brauchte, meine sehr nützliche Person in
die Diebs-und Spitz-Buben-Zunfft einzuverleiben,
wurde ich dermassen verwirret, daß mir unmög-
lich war ein eintziges Wort auf zu bringen, sondern
ich zitterte in allen Gliedern dergestalt, daß ich
nicht mehr auf den Füssen stehen, sondern mich nie-
dersetzen mußte. Mein Herr wurde dieserwegen
von rasender Wuth dergestalt eingenommen, daß
er augenblicklich seinen Hirsch-Fänger entblösse-
te, mich bey den Haaren ergriff, und, indem er
mir die Spitze auf die Brust setzte, sprach: Ca-
naille!
bete ein Vater Unser in der Stille und gib
nicht den geringsten Laut von dir, denn du mußt
sterben, weil ich mercke, daß du eher ein Verräther
und Schelm an mir werden, als dich meines Glücks
theilhafftig zu machen und mir gefällig zu leben
trachten wirst. Jch fieng, so viel ich mich besinnen
kan, gleich an meine Seele in GOTTES Hand
zu befehlen, und ein andächtiges Vater Unser zu
beten, sanck aber mittlerweile ohnmächtig zu Boden,
weiß auch nicht was man mit mir vorgehabt hat,
bis endlich um Mitternachts-Zeit mein Verstand
wieder kam, indem ich auf meines Herrn Bette
lag und so wohl von meinem Herrn selbst, als dem
Reit-Knecht Martin mit starcken Wassern bestri-
chen wurde.

So

ner der alleraͤrgſten Spitz-Buben, wo nicht gar
das Ober-Haupt einer ſolchen Bande ſeyn muͤſſe.
Da aber endlich derſelbe eines abends, mir dieſes
bisherige Geheimniß, mit ſeinem eigenen Munde
eroͤffnete, und im ſichern Vertrauen auf meine Treue
und Verſchwiegenheit, die ſtaͤrckſten Bewegungs-
Gruͤnde brauchte, meine ſehr nuͤtzliche Perſon in
die Diebs-und Spitz-Buben-Zunfft einzuverleiben,
wurde ich dermaſſen verwirret, daß mir unmoͤg-
lich war ein eintziges Wort auf zu bringen, ſondern
ich zitterte in allen Gliedern dergeſtalt, daß ich
nicht mehr auf den Fuͤſſen ſtehen, ſondern mich nie-
derſetzen mußte. Mein Herr wurde dieſerwegen
von raſender Wuth dergeſtalt eingenommen, daß
er augenblicklich ſeinen Hirſch-Faͤnger entbloͤſſe-
te, mich bey den Haaren ergriff, und, indem er
mir die Spitze auf die Bruſt ſetzte, ſprach: Ca-
naille!
bete ein Vater Unſer in der Stille und gib
nicht den geringſten Laut von dir, denn du mußt
ſterben, weil ich mercke, daß du eher ein Verraͤther
und Schelm an mir werden, als dich meines Gluͤcks
theilhafftig zu machen und mir gefaͤllig zu leben
trachten wirſt. Jch fieng, ſo viel ich mich beſinnen
kan, gleich an meine Seele in GOTTES Hand
zu befehlen, und ein andaͤchtiges Vater Unſer zu
beten, ſanck aber mittlerweile ohnmaͤchtig zu Boden,
weiß auch nicht was man mit mir vorgehabt hat,
bis endlich um Mitternachts-Zeit mein Verſtand
wieder kam, indem ich auf meines Herrn Bette
lag und ſo wohl von meinem Herrn ſelbſt, als dem
Reit-Knecht Martin mit ſtarcken Waſſern beſtri-
chen wurde.

So
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[494/0510] ner der alleraͤrgſten Spitz-Buben, wo nicht gar das Ober-Haupt einer ſolchen Bande ſeyn muͤſſe. Da aber endlich derſelbe eines abends, mir dieſes bisherige Geheimniß, mit ſeinem eigenen Munde eroͤffnete, und im ſichern Vertrauen auf meine Treue und Verſchwiegenheit, die ſtaͤrckſten Bewegungs- Gruͤnde brauchte, meine ſehr nuͤtzliche Perſon in die Diebs-und Spitz-Buben-Zunfft einzuverleiben, wurde ich dermaſſen verwirret, daß mir unmoͤg- lich war ein eintziges Wort auf zu bringen, ſondern ich zitterte in allen Gliedern dergeſtalt, daß ich nicht mehr auf den Fuͤſſen ſtehen, ſondern mich nie- derſetzen mußte. Mein Herr wurde dieſerwegen von raſender Wuth dergeſtalt eingenommen, daß er augenblicklich ſeinen Hirſch-Faͤnger entbloͤſſe- te, mich bey den Haaren ergriff, und, indem er mir die Spitze auf die Bruſt ſetzte, ſprach: Ca- naille! bete ein Vater Unſer in der Stille und gib nicht den geringſten Laut von dir, denn du mußt ſterben, weil ich mercke, daß du eher ein Verraͤther und Schelm an mir werden, als dich meines Gluͤcks theilhafftig zu machen und mir gefaͤllig zu leben trachten wirſt. Jch fieng, ſo viel ich mich beſinnen kan, gleich an meine Seele in GOTTES Hand zu befehlen, und ein andaͤchtiges Vater Unſer zu beten, ſanck aber mittlerweile ohnmaͤchtig zu Boden, weiß auch nicht was man mit mir vorgehabt hat, bis endlich um Mitternachts-Zeit mein Verſtand wieder kam, indem ich auf meines Herrn Bette lag und ſo wohl von meinem Herrn ſelbſt, als dem Reit-Knecht Martin mit ſtarcken Waſſern beſtri- chen wurde. So

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/510>, abgerufen am 22.11.2024.