Cavaliers in unsern Gast-Hof ein, mit welchen derselbe so gleich in Bekandtschafft gerieth und tapfer schmausete, worbey es vor meine Person keine geringen Accidentien setzte, allein ich hütete mich sonderlich vor dem überflüßigen Trincken und füh- rete überhaupt eine sehr stille Lebens-Art, so daß mein Herr, wenn er mich über dem Lesen der Bibel oder anderer Gottseligen Bücher antraff, sehr spöttisch darüber wurde, und es endlich durch sein tägliches Raisonniren dahin brachte, daß ich mich ihm zu Gefallen stellete, als ob mir die Lust zum be- ten und singen vergangen wäre, im Gegentheil erzeigte ich mich manchen Abend als eine besoffene Bestie, und bemerckte, daß er darüber eine gantz be- sondere Freude hatte. Jndem aber mein Sinn zu der Zeit gantz anders als in vorigen Jahren war, und mich das Gewissen überzeugte, daß dergleichen Lebens-Art den nächsten Weg zur Höl- len führete, denn ich täglich nichts als sauffen, schwermen, huren, spielen und dergleichen fei- ne Tugenden ersahe, begunte es mir von Hertzen leid zu werden, daß ich mich in dergleichen Laquay- en-Dienste begeben, ja ich schätzte es nun schon vor kein Glück und Vergnügen mehr, meinen Herrn so unverhofft angetroffen zu haben, sondern hätte lieber gesehen, wenn ich bey einem guten Mei- ster in der Werckstatt arbeiten dürffen und kön- nen. Jedoch mein Verdruß verwandelte sich nach und nach in eine grosse Hertzens-Bangigkeit, als ich aus gewissen Umständen immer mehr und mehr abnehmen konte, daß mein Herr nichts weniger als eine vornehme Standes-Person, sondern ei-
ner
Cavaliers in unſern Gaſt-Hof ein, mit welchen derſelbe ſo gleich in Bekandtſchafft gerieth und tapfer ſchmauſete, worbey es vor meine Perſon keine geringen Accidentien ſetzte, allein ich huͤtete mich ſonderlich vor dem uͤberfluͤßigen Trincken und fuͤh- rete uͤberhaupt eine ſehr ſtille Lebens-Art, ſo daß mein Herr, wenn er mich uͤber dem Leſen der Bibel oder anderer Gottſeligen Buͤcher antraff, ſehr ſpoͤttiſch daruͤber wurde, und es endlich durch ſein taͤgliches Raiſonniren dahin brachte, daß ich mich ihm zu Gefallen ſtellete, als ob mir die Luſt zum be- ten und ſingen vergangen waͤre, im Gegentheil erzeigte ich mich manchen Abend als eine beſoffene Beſtie, und bemerckte, daß er daruͤber eine gantz be- ſondere Freude hatte. Jndem aber mein Sinn zu der Zeit gantz anders als in vorigen Jahren war, und mich das Gewiſſen uͤberzeugte, daß dergleichen Lebens-Art den naͤchſten Weg zur Hoͤl- len fuͤhrete, denn ich taͤglich nichts als ſauffen, ſchwermen, huren, ſpielen und dergleichen fei- ne Tugenden erſahe, begunte es mir von Hertzen leid zu werden, daß ich mich in dergleichen Laquay- en-Dienſte begeben, ja ich ſchaͤtzte es nun ſchon vor kein Gluͤck und Vergnuͤgen mehr, meinen Herrn ſo unverhofft angetroffen zu haben, ſondern haͤtte lieber geſehen, wenn ich bey einem guten Mei- ſter in der Werckſtatt arbeiten duͤrffen und koͤn- nen. Jedoch mein Verdruß verwandelte ſich nach und nach in eine groſſe Hertzens-Bangigkeit, als ich aus gewiſſen Umſtaͤnden immer mehr und mehr abnehmen konte, daß mein Herr nichts weniger als eine vornehme Standes-Perſon, ſondern ei-
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Cavaliers in unſern Gaſt-Hof ein, mit welchen
derſelbe ſo gleich in Bekandtſchafft gerieth und tapfer
ſchmauſete, worbey es vor meine Perſon keine
geringen Accidentien ſetzte, allein ich huͤtete mich
ſonderlich vor dem uͤberfluͤßigen Trincken und fuͤh-
rete uͤberhaupt eine ſehr ſtille Lebens-Art, ſo daß
mein Herr, wenn er mich uͤber dem Leſen der Bibel
oder anderer Gottſeligen Buͤcher antraff, ſehr
ſpoͤttiſch daruͤber wurde, und es endlich durch ſein
taͤgliches Raiſonniren dahin brachte, daß ich mich
ihm zu Gefallen ſtellete, als ob mir die Luſt zum be-
ten und ſingen vergangen waͤre, im Gegentheil
erzeigte ich mich manchen Abend als eine beſoffene
Beſtie, und bemerckte, daß er daruͤber eine gantz be-
ſondere Freude hatte. Jndem aber mein Sinn
zu der Zeit gantz anders als in vorigen Jahren
war, und mich das Gewiſſen uͤberzeugte, daß
dergleichen Lebens-Art den naͤchſten Weg zur Hoͤl-
len fuͤhrete, denn ich taͤglich nichts als ſauffen,
ſchwermen, huren, ſpielen und dergleichen fei-
ne Tugenden erſahe, begunte es mir von Hertzen
leid zu werden, daß ich mich in dergleichen Laquay-
en-Dienſte begeben, ja ich ſchaͤtzte es nun ſchon
vor kein Gluͤck und Vergnuͤgen mehr, meinen
Herrn ſo unverhofft angetroffen zu haben, ſondern
haͤtte lieber geſehen, wenn ich bey einem guten Mei-
ſter in der Werckſtatt arbeiten duͤrffen und koͤn-
nen. Jedoch mein Verdruß verwandelte ſich nach
und nach in eine groſſe Hertzens-Bangigkeit, als ich
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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 493. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/509>, abgerufen am 21.11.2024.
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