Sache aufgehalten hatten, liebreichen Abschied, beschenckte ihn und seine gantze Familie reichlich, und reisete unter ausgebetener gerichtlichen Be- gleitung in guter Sicherheit nach Nyköping zu- rücke, allwo wir nur wenige Tage auf ein Seegel- fertiges Schiff warten mußten, nachhero aber auf selbigem in unsere Geburts-Stadt überführet wurden. Jch trat mit meiner Schwester, dem Holländisch-Schwedischen Dolmetscher, und de- nen zweyen Bedienten, in einem der vornehmsten Wirthshäuser ab, allwo ich mich durch den Dol- metscher vorhero unter der Hand erkundigen ließ, wie es um meines Vaters Wesen stünde, erfuhr aber zu meinen größten Freuden gar bald, daß der- selbe nicht nur seine Schulden völlig bezahlet, son- dern auch bereits sein ehemaliges Haus wieder bezogen und das Gewölbe eröffnet hätte. So bald die Abend-Demmerung eintrat, nahm ich meine Schwester an die Hand und führete dieselbe, zu unser beyderseits unbeschreiblichen Vergnügen, nach demjenigen Hause hin, in welchem wir zum ersten das Licht dieser Welt erblickt hatten. Es war eben an einem Sonntags Abend, als wir bey unserm lieben Vater gantz unverhofft in die Stu- be traten, da er mit einem alten guten Freunde am Tische saß und im Schacht spielete. Er fieng hertzlich an zu weinen, als wir ihm fast beyde zu- gleich um den Hals fielen, so daß sich unsere Freu- den-Thränen, mit den seinigen, die von Kummer und Freude zugleich ihren Ursprung nahmen, ver- mischeten, jedoch da ich dieses merckte, erkannte ich
mich
p p 4
Sache aufgehalten hatten, liebreichen Abſchied, beſchenckte ihn und ſeine gantze Familie reichlich, und reiſete unter ausgebetener gerichtlichen Be- gleitung in guter Sicherheit nach Nyköping zu- ruͤcke, allwo wir nur wenige Tage auf ein Seegel- fertiges Schiff warten mußten, nachhero aber auf ſelbigem in unſere Geburts-Stadt uͤberfuͤhret wurden. Jch trat mit meiner Schweſter, dem Hollaͤndiſch-Schwediſchen Dolmetſcher, und de- nen zweyen Bedienten, in einem der vornehmſten Wirthshaͤuſer ab, allwo ich mich durch den Dol- metſcher vorhero unter der Hand erkundigen ließ, wie es um meines Vaters Weſen ſtuͤnde, erfuhr aber zu meinen groͤßten Freuden gar bald, daß der- ſelbe nicht nur ſeine Schulden voͤllig bezahlet, ſon- dern auch bereits ſein ehemaliges Haus wieder bezogen und das Gewoͤlbe eroͤffnet haͤtte. So bald die Abend-Demmerung eintrat, nahm ich meine Schweſter an die Hand und fuͤhrete dieſelbe, zu unſer beyderſeits unbeſchreiblichen Vergnuͤgen, nach demjenigen Hauſe hin, in welchem wir zum erſten das Licht dieſer Welt erblickt hatten. Es war eben an einem Sonntags Abend, als wir bey unſerm lieben Vater gantz unverhofft in die Stu- be traten, da er mit einem alten guten Freunde am Tiſche ſaß und im Schacht ſpielete. Er fieng hertzlich an zu weinen, als wir ihm faſt beyde zu- gleich um den Hals fielen, ſo daß ſich unſere Freu- den-Thraͤnen, mit den ſeinigen, die von Kummer und Freude zugleich ihren Urſprung nahmen, ver- miſcheten, jedoch da ich dieſes merckte, erkannte ich
mich
p p 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0615"n="599"/>
Sache aufgehalten hatten, liebreichen Abſchied,<lb/>
beſchenckte ihn und ſeine gantze <hirendition="#aq">Familie</hi> reichlich,<lb/>
und reiſete unter ausgebetener gerichtlichen Be-<lb/>
gleitung in guter Sicherheit nach <hirendition="#aq">Nyköping</hi> zu-<lb/>
ruͤcke, allwo wir nur wenige Tage auf ein Seegel-<lb/>
fertiges Schiff warten mußten, nachhero aber auf<lb/>ſelbigem in unſere Geburts-Stadt uͤberfuͤhret<lb/>
wurden. Jch trat mit meiner Schweſter, dem<lb/>
Hollaͤndiſch-Schwediſchen Dolmetſcher, und de-<lb/>
nen zweyen Bedienten, in einem der vornehmſten<lb/>
Wirthshaͤuſer ab, allwo ich mich durch den Dol-<lb/>
metſcher vorhero unter der Hand erkundigen ließ,<lb/>
wie es um meines Vaters Weſen ſtuͤnde, erfuhr<lb/>
aber zu meinen groͤßten Freuden gar bald, daß der-<lb/>ſelbe nicht nur ſeine Schulden voͤllig bezahlet, ſon-<lb/>
dern auch bereits ſein ehemaliges Haus wieder<lb/>
bezogen und das Gewoͤlbe eroͤffnet haͤtte. So<lb/>
bald die Abend-Demmerung eintrat, nahm ich<lb/>
meine Schweſter an die Hand und fuͤhrete dieſelbe,<lb/>
zu unſer beyderſeits unbeſchreiblichen Vergnuͤgen,<lb/>
nach demjenigen Hauſe hin, in welchem wir zum<lb/>
erſten das Licht dieſer Welt erblickt hatten. Es<lb/>
war eben an einem Sonntags Abend, als wir bey<lb/>
unſerm lieben Vater gantz unverhofft in die Stu-<lb/>
be traten, da er mit einem alten guten Freunde am<lb/>
Tiſche ſaß und im Schacht ſpielete. Er fieng<lb/>
hertzlich an zu weinen, als wir ihm faſt beyde zu-<lb/>
gleich um den Hals fielen, ſo daß ſich unſere Freu-<lb/>
den-Thraͤnen, mit den ſeinigen, die von Kummer<lb/>
und Freude zugleich ihren Urſprung nahmen, ver-<lb/>
miſcheten, jedoch da ich dieſes merckte, erkannte ich<lb/><fwplace="bottom"type="sig">p p 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">mich</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[599/0615]
Sache aufgehalten hatten, liebreichen Abſchied,
beſchenckte ihn und ſeine gantze Familie reichlich,
und reiſete unter ausgebetener gerichtlichen Be-
gleitung in guter Sicherheit nach Nyköping zu-
ruͤcke, allwo wir nur wenige Tage auf ein Seegel-
fertiges Schiff warten mußten, nachhero aber auf
ſelbigem in unſere Geburts-Stadt uͤberfuͤhret
wurden. Jch trat mit meiner Schweſter, dem
Hollaͤndiſch-Schwediſchen Dolmetſcher, und de-
nen zweyen Bedienten, in einem der vornehmſten
Wirthshaͤuſer ab, allwo ich mich durch den Dol-
metſcher vorhero unter der Hand erkundigen ließ,
wie es um meines Vaters Weſen ſtuͤnde, erfuhr
aber zu meinen groͤßten Freuden gar bald, daß der-
ſelbe nicht nur ſeine Schulden voͤllig bezahlet, ſon-
dern auch bereits ſein ehemaliges Haus wieder
bezogen und das Gewoͤlbe eroͤffnet haͤtte. So
bald die Abend-Demmerung eintrat, nahm ich
meine Schweſter an die Hand und fuͤhrete dieſelbe,
zu unſer beyderſeits unbeſchreiblichen Vergnuͤgen,
nach demjenigen Hauſe hin, in welchem wir zum
erſten das Licht dieſer Welt erblickt hatten. Es
war eben an einem Sonntags Abend, als wir bey
unſerm lieben Vater gantz unverhofft in die Stu-
be traten, da er mit einem alten guten Freunde am
Tiſche ſaß und im Schacht ſpielete. Er fieng
hertzlich an zu weinen, als wir ihm faſt beyde zu-
gleich um den Hals fielen, ſo daß ſich unſere Freu-
den-Thraͤnen, mit den ſeinigen, die von Kummer
und Freude zugleich ihren Urſprung nahmen, ver-
miſcheten, jedoch da ich dieſes merckte, erkannte ich
mich
p p 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 599. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/615>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.