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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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Studioso, der sich Bredder nennete, und vor dem
einige junge Barons durch die allermeisten Reiche
und Länder von Europa geführet hatte, eben so
viel, ja noch mehr lernen konte, als zu Hause, denn
mein Vater hatte nicht allein viele nützliche Bücher
vor mich mitgenommen, sondern Mons. Bredder
hatte auch eine ziemliche Menge derselben bey sich,
um mich in den vornehmsten Europäischen Haupt-
Sprachen gründlich zu unterrichten, und firm zu
machen. Ausser diesen tractirte er die Historie,
Geographie,
und einige Stück aus der Mathesi
mit mir, kurtz, er brachte mich binnen 3. Jahren,
die wir unterwegs und in Ost-Jndien zubrachten,
durch seinen und meinen unermüdeten Fleiß so weit,
daß ich obgedachte Europäische Haupt-Sprachen
nicht allein fertig lesen und schreiben, sondern auch
verstehen und reden konte, und weiln sich Leute von
verschiedenen Nationen auf unsern Schiffe befan-
den, so hatte mein Vater ein besonderes Vergnü-
gen darüber, daß ich fast mit einem jedweden in
seiner Mutter-Sprache gantz ordentlich sprechen
konte.

Mein Vater war dieses mahl in seinem Handel
und Wandel auch dergestalt glücklich gewesen,
daß er ein grosses Guth erworben, derowegen mit
grossem Vergnügen zurück reisete, um meiner Mut-
ter, die sich, wie leicht zu errathen, unter der lan-
gen Zeit unsers Wegseyns genungsam gegrämet,
eine besondere Freude zu machen. Allein, über wel-
chen das Verhängniß einmahl beschlossen hat, ihn
unglücklich zu machen, der muß es wohl seyn und
bleiben, das erfuhr unter allen, die wir auf dem

Schiffe

Studioſo, der ſich Bredder nennete, und vor dem
einige junge Barons durch die allermeiſten Reiche
und Laͤnder von Europa gefuͤhret hatte, eben ſo
viel, ja noch mehr lernen konte, als zu Hauſe, denn
mein Vater hatte nicht allein viele nuͤtzliche Buͤcher
vor mich mitgenommen, ſondern Monſ. Bredder
hatte auch eine ziemliche Menge derſelben bey ſich,
um mich in den vornehmſten Europaͤiſchen Haupt-
Sprachen gruͤndlich zu unterrichten, und firm zu
machen. Auſſer dieſen tractirte er die Hiſtorie,
Geographie,
und einige Stuͤck aus der Matheſi
mit mir, kurtz, er brachte mich binnen 3. Jahren,
die wir unterwegs und in Oſt-Jndien zubrachten,
durch ſeinen und meinen unermuͤdeten Fleiß ſo weit,
daß ich obgedachte Europaͤiſche Haupt-Sprachen
nicht allein fertig leſen und ſchreiben, ſondern auch
verſtehen und reden konte, und weiln ſich Leute von
verſchiedenen Nationen auf unſern Schiffe befan-
den, ſo hatte mein Vater ein beſonderes Vergnuͤ-
gen daruͤber, daß ich faſt mit einem jedweden in
ſeiner Mutter-Sprache gantz ordentlich ſprechen
konte.

Mein Vater war dieſes mahl in ſeinem Handel
und Wandel auch dergeſtalt gluͤcklich geweſen,
daß er ein groſſes Guth erworben, derowegen mit
groſſem Vergnuͤgen zuruͤck reiſete, um meiner Mut-
ter, die ſich, wie leicht zu errathen, unter der lan-
gen Zeit unſers Wegſeyns genungſam gegraͤmet,
eine beſondere Freude zu machen. Allein, uͤber wel-
chen das Verhaͤngniß einmahl beſchloſſen hat, ihn
ungluͤcklich zu machen, der muß es wohl ſeyn und
bleiben, das erfuhr unter allen, die wir auf dem

Schiffe
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[95/0103] Studioſo, der ſich Bredder nennete, und vor dem einige junge Barons durch die allermeiſten Reiche und Laͤnder von Europa gefuͤhret hatte, eben ſo viel, ja noch mehr lernen konte, als zu Hauſe, denn mein Vater hatte nicht allein viele nuͤtzliche Buͤcher vor mich mitgenommen, ſondern Monſ. Bredder hatte auch eine ziemliche Menge derſelben bey ſich, um mich in den vornehmſten Europaͤiſchen Haupt- Sprachen gruͤndlich zu unterrichten, und firm zu machen. Auſſer dieſen tractirte er die Hiſtorie, Geographie, und einige Stuͤck aus der Matheſi mit mir, kurtz, er brachte mich binnen 3. Jahren, die wir unterwegs und in Oſt-Jndien zubrachten, durch ſeinen und meinen unermuͤdeten Fleiß ſo weit, daß ich obgedachte Europaͤiſche Haupt-Sprachen nicht allein fertig leſen und ſchreiben, ſondern auch verſtehen und reden konte, und weiln ſich Leute von verſchiedenen Nationen auf unſern Schiffe befan- den, ſo hatte mein Vater ein beſonderes Vergnuͤ- gen daruͤber, daß ich faſt mit einem jedweden in ſeiner Mutter-Sprache gantz ordentlich ſprechen konte. Mein Vater war dieſes mahl in ſeinem Handel und Wandel auch dergeſtalt gluͤcklich geweſen, daß er ein groſſes Guth erworben, derowegen mit groſſem Vergnuͤgen zuruͤck reiſete, um meiner Mut- ter, die ſich, wie leicht zu errathen, unter der lan- gen Zeit unſers Wegſeyns genungſam gegraͤmet, eine beſondere Freude zu machen. Allein, uͤber wel- chen das Verhaͤngniß einmahl beſchloſſen hat, ihn ungluͤcklich zu machen, der muß es wohl ſeyn und bleiben, das erfuhr unter allen, die wir auf dem Schiffe

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/103>, abgerufen am 24.11.2024.