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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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aber sehr wenig Dienste, sondern hatten die Wo-
che kaum 3. oder 4. mahl einige Stunden Aufwar-
tung, nur daß uns der Kayser zuweilen sehen möch-
te. Sonsten musten wir alle Morgen eine
Stunde vor der Sonnen Aufgang aufstehen, uns
reinigen und völlig ankleiden, denn es schlieffen
zwey und zwey in einem Cabinet auf herrlichen Bet-
ten und Matratzen, der Mohren-Junge aber lag
auf der Erde zu unsern Füssen auf einer schlechten
Matratze als ein Hund, unser Herr Hofmeister
schlieff auch in einem besondern Cabinet, sein Be-
dienter ebenfalls in einer kleinen Bucht darneben.
Gleich mit, oder um die Zeit der Sonnen Auf-
gang, fing unser Hofmeister in unserer Gegenwart
an, das Morgen-Gebeth nach Art der Mahome-
taner zu thun, verlaß hierauf ein Stück aus dem
Alcoran, erklärete die schweresten Puncte dessel-
ben, und gab sich viel Mühe, uns allen vieren die
Haupt-Stücke der Mahometanischen Religion
beyzubringen, allein, wie ich bald merckte, war
keiner unter uns, der zu diesem Glauben inclinirte,
wir höreten zwar alles mit an, fasseten seine Lehre,
gaben auf seine Fragen richtige Antwort, allein,
ohne allen Ernst, jedoch durfften wir nicht das ge-
ringste Gespötte daraus machen, wenn wir nicht aufs
allerstrengste gezüchtiget werden wolten, welches
meine 3. Cameraden zum öfftern erfahren hatten.

Nachdem die Andachts-Stunde verbracht, gin-
gen die Lectiones in diesen und jenen Wissen-
schafften an, welche 3. Stunden währeten, her-
nach hatten wir die Freyheit, uns im Garten oder
auf dem Spiel-Platze, oder wenn es garstig Wet-

ter
(G 2)

aber ſehr wenig Dienſte, ſondern hatten die Wo-
che kaum 3. oder 4. mahl einige Stunden Aufwar-
tung, nur daß uns der Kayſer zuweilen ſehen moͤch-
te. Sonſten muſten wir alle Morgen eine
Stunde vor der Sonnen Aufgang aufſtehen, uns
reinigen und voͤllig ankleiden, denn es ſchlieffen
zwey und zwey in einem Cabinet auf herrlichen Bet-
ten und Matratzen, der Mohren-Junge aber lag
auf der Erde zu unſern Fuͤſſen auf einer ſchlechten
Matratze als ein Hund, unſer Herr Hofmeiſter
ſchlieff auch in einem beſondern Cabinet, ſein Be-
dienter ebenfalls in einer kleinen Bucht darneben.
Gleich mit, oder um die Zeit der Sonnen Auf-
gang, fing unſer Hofmeiſter in unſerer Gegenwart
an, das Morgen-Gebeth nach Art der Mahome-
taner zu thun, verlaß hierauf ein Stuͤck aus dem
Alcoran, erklaͤrete die ſchwereſten Puncte deſſel-
ben, und gab ſich viel Muͤhe, uns allen vieren die
Haupt-Stuͤcke der Mahometaniſchen Religion
beyzubringen, allein, wie ich bald merckte, war
keiner unter uns, der zu dieſem Glauben inclinirte,
wir hoͤreten zwar alles mit an, faſſeten ſeine Lehre,
gaben auf ſeine Fragen richtige Antwort, allein,
ohne allen Ernſt, jedoch durfften wir nicht das ge-
ringſte Geſpoͤtte daraus machen, weñ wir nicht aufs
allerſtrengſte gezuͤchtiget werden wolten, welches
meine 3. Cameraden zum oͤfftern erfahren hatten.

Nachdem die Andachts-Stunde verbracht, gin-
gen die Lectiones in dieſen und jenen Wiſſen-
ſchafften an, welche 3. Stunden waͤhreten, her-
nach hatten wir die Freyheit, uns im Garten oder
auf dem Spiel-Platze, oder wenn es garſtig Wet-

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[99/0107] aber ſehr wenig Dienſte, ſondern hatten die Wo- che kaum 3. oder 4. mahl einige Stunden Aufwar- tung, nur daß uns der Kayſer zuweilen ſehen moͤch- te. Sonſten muſten wir alle Morgen eine Stunde vor der Sonnen Aufgang aufſtehen, uns reinigen und voͤllig ankleiden, denn es ſchlieffen zwey und zwey in einem Cabinet auf herrlichen Bet- ten und Matratzen, der Mohren-Junge aber lag auf der Erde zu unſern Fuͤſſen auf einer ſchlechten Matratze als ein Hund, unſer Herr Hofmeiſter ſchlieff auch in einem beſondern Cabinet, ſein Be- dienter ebenfalls in einer kleinen Bucht darneben. Gleich mit, oder um die Zeit der Sonnen Auf- gang, fing unſer Hofmeiſter in unſerer Gegenwart an, das Morgen-Gebeth nach Art der Mahome- taner zu thun, verlaß hierauf ein Stuͤck aus dem Alcoran, erklaͤrete die ſchwereſten Puncte deſſel- ben, und gab ſich viel Muͤhe, uns allen vieren die Haupt-Stuͤcke der Mahometaniſchen Religion beyzubringen, allein, wie ich bald merckte, war keiner unter uns, der zu dieſem Glauben inclinirte, wir hoͤreten zwar alles mit an, faſſeten ſeine Lehre, gaben auf ſeine Fragen richtige Antwort, allein, ohne allen Ernſt, jedoch durfften wir nicht das ge- ringſte Geſpoͤtte daraus machen, weñ wir nicht aufs allerſtrengſte gezuͤchtiget werden wolten, welches meine 3. Cameraden zum oͤfftern erfahren hatten. Nachdem die Andachts-Stunde verbracht, gin- gen die Lectiones in dieſen und jenen Wiſſen- ſchafften an, welche 3. Stunden waͤhreten, her- nach hatten wir die Freyheit, uns im Garten oder auf dem Spiel-Platze, oder wenn es garſtig Wet- ter (G 2)

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/107>, abgerufen am 21.11.2024.