te, in ein Zimmer geführet, wo noch 3. andere Europäische Knaben, nehmlich 2. Spanier und ein Portugiese von Geburth, die alle 3. kaum 16. Jahr alt, sich unter der Aufsicht eines Marocca- nischen Lehrmeisters befanden, der sie in dasiger Rechts-Gelehrsamkeit, der Grammatic, Poesie, Stern-Seher- und Stern-Deuter-Kunst, wie auch in vielen andern Wissenschafften, hauptsäch- lich aber in der Arabischen Sprache unterrichtete.
Diese 3. Pursche erfreueten sich ungemein, noch einen Mit-Consorten ihres Unglücks zu bekommen, und weil wir alle 4. gut mit einander sprechen kon- ten, wurden wir gar bald gute Freunde. Jch bekam so gleich so kostbare Lieberey als wie sie; wir wurden von 2. mohrischen Knaben bedienet, spei- seten nebst unserm Informatore allein, und hatten alle Mahlzeiten 8. Gerichte nebst dem besten Ge- träncke, jedoch keinen Wein, denn es heist, die Ma- roccaner dürffen keinen Wein trincken, ohnge- acht vortreffliche Wein-Stöcke in diesem Reiche anzutreffen, so, daß öffters 2. Männer kaum einen Weinstock umklafftern können, und die Beeren an den Trauben offt grösser als die Hüner-Eyer sind. Weil ihnen aber dieses edle Gewächse so gar sehr appetitlich vorkömmt, kochen sie die Trauben, und praepariren ein besonderes Geträn- cke daraus, welchem sie einen andern Nahmen, ihrer Kehle aber ein herrliches Labsal damit geben.
Jedoch von meinen und meiner Mit-Consor- ren Abwartung und Stande ferner zu reden, so wurden wir solchergestalt nicht anders als würck- liche Leib-Pagen des Kaysers tractiret, thaten
aber
te, in ein Zimmer gefuͤhret, wo noch 3. andere Europaͤiſche Knaben, nehmlich 2. Spanier und ein Portugieſe von Geburth, die alle 3. kaum 16. Jahr alt, ſich unter der Aufſicht eines Marocca- niſchen Lehrmeiſters befanden, der ſie in daſiger Rechts-Gelehrſamkeit, der Grammatic, Poëſie, Stern-Seher- und Stern-Deuter-Kunſt, wie auch in vielen andern Wiſſenſchafften, hauptſaͤch- lich aber in der Arabiſchen Sprache unterrichtete.
Dieſe 3. Purſche erfreueten ſich ungemein, noch einen Mit-Conſorten ihres Ungluͤcks zu bekom̃en, und weil wir alle 4. gut mit einander ſprechen kon- ten, wurden wir gar bald gute Freunde. Jch bekam ſo gleich ſo koſtbare Lieberey als wie ſie; wir wurden von 2. mohriſchen Knaben bedienet, ſpei- ſeten nebſt unſerm Informatore allein, und hatten alle Mahlzeiten 8. Gerichte nebſt dem beſten Ge- traͤncke, jedoch keinen Wein, denn es heiſt, die Ma- roccaner duͤrffen keinen Wein trincken, ohnge- acht vortreffliche Wein-Stoͤcke in dieſem Reiche anzutreffen, ſo, daß oͤffters 2. Maͤnner kaum einen Weinſtock umklafftern koͤnnen, und die Beeren an den Trauben offt groͤſſer als die Huͤner-Eyer ſind. Weil ihnen aber dieſes edle Gewaͤchſe ſo gar ſehr appetitlich vorkoͤmmt, kochen ſie die Trauben, und præpariren ein beſonderes Getraͤn- cke daraus, welchem ſie einen andern Nahmen, ihrer Kehle aber ein herrliches Labſal damit geben.
Jedoch von meinen und meiner Mit-Conſor- ren Abwartung und Stande ferner zu reden, ſo wurden wir ſolchergeſtalt nicht anders als wuͤrck- liche Leib-Pagen des Kayſers tractiret, thaten
aber
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0106"n="98"/>
te, in ein Zimmer gefuͤhret, wo noch 3. andere<lb/>
Europaͤiſche Knaben, nehmlich 2. Spanier und<lb/>
ein Portugieſe von Geburth, die alle 3. kaum 16.<lb/>
Jahr alt, ſich unter der Aufſicht eines <hirendition="#aq">Marocca-<lb/>
ni</hi>ſchen Lehrmeiſters befanden, der ſie in daſiger<lb/>
Rechts-Gelehrſamkeit, der <hirendition="#aq">Grammatic, Poëſie,</hi><lb/>
Stern-Seher- und Stern-Deuter-Kunſt, wie<lb/>
auch in vielen andern Wiſſenſchafften, hauptſaͤch-<lb/>
lich aber in der <hirendition="#aq">Arabi</hi>ſchen Sprache unterrichtete.</p><lb/><p>Dieſe 3. Purſche erfreueten ſich ungemein, noch<lb/>
einen Mit-<hirendition="#aq">Conſort</hi>en ihres Ungluͤcks zu bekom̃en,<lb/>
und weil wir alle 4. gut mit einander ſprechen kon-<lb/>
ten, wurden wir gar bald gute Freunde. Jch<lb/>
bekam ſo gleich ſo koſtbare Lieberey als wie ſie; wir<lb/>
wurden von 2. mohriſchen Knaben bedienet, ſpei-<lb/>ſeten nebſt unſerm <hirendition="#aq">Informatore</hi> allein, und hatten<lb/>
alle Mahlzeiten 8. Gerichte nebſt dem beſten Ge-<lb/>
traͤncke, jedoch keinen Wein, denn es heiſt, die <hirendition="#aq">Ma-<lb/>
roccaner</hi> duͤrffen keinen Wein trincken, ohnge-<lb/>
acht vortreffliche Wein-Stoͤcke in dieſem Reiche<lb/>
anzutreffen, ſo, daß oͤffters 2. Maͤnner kaum einen<lb/>
Weinſtock umklafftern koͤnnen, und die Beeren<lb/>
an den Trauben offt groͤſſer als die Huͤner-Eyer<lb/>ſind. Weil ihnen aber dieſes edle Gewaͤchſe ſo<lb/>
gar ſehr <hirendition="#aq">appetit</hi>lich vorkoͤmmt, kochen ſie die<lb/>
Trauben, und <hirendition="#aq">præparir</hi>en ein beſonderes Getraͤn-<lb/>
cke daraus, welchem ſie einen andern Nahmen,<lb/>
ihrer Kehle aber ein herrliches Labſal damit geben.</p><lb/><p>Jedoch von meinen und meiner Mit-<hirendition="#aq">Conſor-<lb/>
r</hi>en Abwartung und Stande ferner zu reden, ſo<lb/>
wurden wir ſolchergeſtalt nicht anders als wuͤrck-<lb/>
liche Leib-<hirendition="#aq">Pagen</hi> des Kayſers <hirendition="#aq">tractiret,</hi> thaten<lb/><fwplace="bottom"type="catch">aber</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[98/0106]
te, in ein Zimmer gefuͤhret, wo noch 3. andere
Europaͤiſche Knaben, nehmlich 2. Spanier und
ein Portugieſe von Geburth, die alle 3. kaum 16.
Jahr alt, ſich unter der Aufſicht eines Marocca-
niſchen Lehrmeiſters befanden, der ſie in daſiger
Rechts-Gelehrſamkeit, der Grammatic, Poëſie,
Stern-Seher- und Stern-Deuter-Kunſt, wie
auch in vielen andern Wiſſenſchafften, hauptſaͤch-
lich aber in der Arabiſchen Sprache unterrichtete.
Dieſe 3. Purſche erfreueten ſich ungemein, noch
einen Mit-Conſorten ihres Ungluͤcks zu bekom̃en,
und weil wir alle 4. gut mit einander ſprechen kon-
ten, wurden wir gar bald gute Freunde. Jch
bekam ſo gleich ſo koſtbare Lieberey als wie ſie; wir
wurden von 2. mohriſchen Knaben bedienet, ſpei-
ſeten nebſt unſerm Informatore allein, und hatten
alle Mahlzeiten 8. Gerichte nebſt dem beſten Ge-
traͤncke, jedoch keinen Wein, denn es heiſt, die Ma-
roccaner duͤrffen keinen Wein trincken, ohnge-
acht vortreffliche Wein-Stoͤcke in dieſem Reiche
anzutreffen, ſo, daß oͤffters 2. Maͤnner kaum einen
Weinſtock umklafftern koͤnnen, und die Beeren
an den Trauben offt groͤſſer als die Huͤner-Eyer
ſind. Weil ihnen aber dieſes edle Gewaͤchſe ſo
gar ſehr appetitlich vorkoͤmmt, kochen ſie die
Trauben, und præpariren ein beſonderes Getraͤn-
cke daraus, welchem ſie einen andern Nahmen,
ihrer Kehle aber ein herrliches Labſal damit geben.
Jedoch von meinen und meiner Mit-Conſor-
ren Abwartung und Stande ferner zu reden, ſo
wurden wir ſolchergeſtalt nicht anders als wuͤrck-
liche Leib-Pagen des Kayſers tractiret, thaten
aber
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/106>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.