nach Verlauff etwa zweyer Stunden wieder zu- rück kam, und die Post brachte, daß man mich vor den Kayser führen solte. Solches geschahe, und hatten die 4. Mohren ihre entblösten Schwerd- ter in den Händen, der Meynung, in Gegenwart des Kaysers ein Stückgen Arbeit zu bekommen, und mich Elenden in etliche Stücke zu zerhauen. Der Kayser Muley Ismael saß auf einem kostba- ren Stuhle, und so bald ich mich vor ihm nieder- geleget, und die Erde geküsset hatte, fing er an, mit eben nicht gar zu zornigen Gebärden, also zu re- den: Verfluchter Christ! wie bist du auf die Ge- dancken gerathen, die dir bishero erzeigte und noch fernerhin zugedachte Gnade mit Füssen von dir zu stossen; denn ich habe beschlossen gehabt, so gleich nach völliger Heilung deiner Wunde und Annehmung des Mahometanischen Glaubens, dich zum Schach-Zadeler-Agasi (dieses ist der- jenige Officier unter den Verschnittenen, welcher über des Kaysers Kinder die Ober-Aufsicht hat, und in grossen Ansehen stehet) zu machen, und dein Glück noch weiter zu befördern, nun aber wirst du nicht allein wegen deiner Widerspenstigkeit, son- dern auch wegen des, an einem meiner Unterthanen begangenen Mordes, des schmälichsten Todes ster- ben müssen. Rede Hund!
Solchergestalt sahe ich meinen Tod vor Augen, denn obgleich Muley Ismael seit einigen Jahren her nicht mehr so grausam gewesen war, als vor dem, so konte doch gar leicht glauben, daß mir auf dieses mein Verbrechen die Todes-Straffe wür- de dictirt werdern. Dem ohngeacht verspürete ich
in
(G 5)
nach Verlauff etwa zweyer Stunden wieder zu- ruͤck kam, und die Poſt brachte, daß man mich vor den Kayſer fuͤhren ſolte. Solches geſchahe, und hatten die 4. Mohren ihre entbloͤſten Schwerd- ter in den Haͤnden, der Meynung, in Gegenwart des Kayſers ein Stuͤckgen Arbeit zu bekommen, und mich Elenden in etliche Stuͤcke zu zerhauen. Der Kayſer Muley Iſmaël ſaß auf einem koſtba- ren Stuhle, und ſo bald ich mich vor ihm nieder- geleget, und die Erde gekuͤſſet hatte, fing er an, mit eben nicht gar zu zornigen Gebaͤrden, alſo zu re- den: Verfluchter Chriſt! wie biſt du auf die Ge- dancken gerathen, die dir bishero erzeigte und noch fernerhin zugedachte Gnade mit Fuͤſſen von dir zu ſtoſſen; denn ich habe beſchloſſen gehabt, ſo gleich nach voͤlliger Heilung deiner Wunde und Annehmung des Mahometaniſchen Glaubens, dich zum Schach-Zadeler-Agaſi (dieſes iſt der- jenige Officier unter den Verſchnittenen, welcher uͤber des Kayſers Kinder die Ober-Aufſicht hat, und in groſſen Anſehen ſtehet) zu machen, und dein Gluͤck noch weiter zu befoͤrdern, nun aber wirſt du nicht allein wegen deiner Widerſpenſtigkeit, ſon- dern auch wegen des, an einem meiner Unterthanen begangenen Mordes, des ſchmaͤlichſten Todes ſter- ben muͤſſen. Rede Hund!
Solchergeſtalt ſahe ich meinen Tod vor Augen, denn obgleich Muley Iſmaël ſeit einigen Jahren her nicht mehr ſo grauſam geweſen war, als vor dem, ſo konte doch gar leicht glauben, daß mir auf dieſes mein Verbrechen die Todes-Straffe wuͤr- de dictirt werdern. Dem ohngeacht verſpuͤrete ich
in
(G 5)
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0113"n="105"/>
nach Verlauff etwa zweyer Stunden wieder zu-<lb/>
ruͤck kam, und die Poſt brachte, daß man mich<lb/>
vor den Kayſer fuͤhren ſolte. Solches geſchahe,<lb/>
und hatten die 4. Mohren ihre entbloͤſten Schwerd-<lb/>
ter in den Haͤnden, der Meynung, in Gegenwart<lb/>
des Kayſers ein Stuͤckgen Arbeit zu bekommen,<lb/>
und mich Elenden in etliche Stuͤcke zu zerhauen.<lb/>
Der Kayſer <hirendition="#aq">Muley Iſmaël</hi>ſaß auf einem koſtba-<lb/>
ren Stuhle, und ſo bald ich mich vor ihm nieder-<lb/>
geleget, und die Erde gekuͤſſet hatte, fing er an, mit<lb/>
eben nicht gar zu zornigen Gebaͤrden, alſo zu re-<lb/>
den: Verfluchter Chriſt! wie biſt du auf die Ge-<lb/>
dancken gerathen, die dir bishero erzeigte und<lb/>
noch fernerhin zugedachte Gnade mit Fuͤſſen von<lb/>
dir zu ſtoſſen; denn ich habe beſchloſſen gehabt, ſo<lb/>
gleich nach voͤlliger Heilung deiner Wunde und<lb/>
Annehmung des Mahometaniſchen Glaubens,<lb/>
dich zum <hirendition="#aq">Schach-Zadeler-Agaſi</hi> (dieſes iſt der-<lb/>
jenige <hirendition="#aq">Officier</hi> unter den Verſchnittenen, welcher<lb/>
uͤber des Kayſers Kinder die Ober-Aufſicht hat,<lb/>
und in groſſen Anſehen ſtehet) zu machen, und dein<lb/>
Gluͤck noch weiter zu befoͤrdern, nun aber wirſt du<lb/>
nicht allein wegen deiner Widerſpenſtigkeit, ſon-<lb/>
dern auch wegen des, an einem meiner Unterthanen<lb/>
begangenen Mordes, des ſchmaͤlichſten Todes ſter-<lb/>
ben muͤſſen. Rede Hund!</p><lb/><p>Solchergeſtalt ſahe ich meinen Tod vor Augen,<lb/>
denn obgleich <hirendition="#aq">Muley Iſmaël</hi>ſeit einigen Jahren<lb/>
her nicht mehr ſo grauſam geweſen war, als vor<lb/>
dem, ſo konte doch gar leicht glauben, daß mir auf<lb/>
dieſes mein Verbrechen die Todes-Straffe wuͤr-<lb/>
de <hirendition="#aq">dicti</hi>rt werdern. Dem ohngeacht verſpuͤrete ich<lb/><fwplace="bottom"type="sig">(G 5)</fw><fwplace="bottom"type="catch">in</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[105/0113]
nach Verlauff etwa zweyer Stunden wieder zu-
ruͤck kam, und die Poſt brachte, daß man mich
vor den Kayſer fuͤhren ſolte. Solches geſchahe,
und hatten die 4. Mohren ihre entbloͤſten Schwerd-
ter in den Haͤnden, der Meynung, in Gegenwart
des Kayſers ein Stuͤckgen Arbeit zu bekommen,
und mich Elenden in etliche Stuͤcke zu zerhauen.
Der Kayſer Muley Iſmaël ſaß auf einem koſtba-
ren Stuhle, und ſo bald ich mich vor ihm nieder-
geleget, und die Erde gekuͤſſet hatte, fing er an, mit
eben nicht gar zu zornigen Gebaͤrden, alſo zu re-
den: Verfluchter Chriſt! wie biſt du auf die Ge-
dancken gerathen, die dir bishero erzeigte und
noch fernerhin zugedachte Gnade mit Fuͤſſen von
dir zu ſtoſſen; denn ich habe beſchloſſen gehabt, ſo
gleich nach voͤlliger Heilung deiner Wunde und
Annehmung des Mahometaniſchen Glaubens,
dich zum Schach-Zadeler-Agaſi (dieſes iſt der-
jenige Officier unter den Verſchnittenen, welcher
uͤber des Kayſers Kinder die Ober-Aufſicht hat,
und in groſſen Anſehen ſtehet) zu machen, und dein
Gluͤck noch weiter zu befoͤrdern, nun aber wirſt du
nicht allein wegen deiner Widerſpenſtigkeit, ſon-
dern auch wegen des, an einem meiner Unterthanen
begangenen Mordes, des ſchmaͤlichſten Todes ſter-
ben muͤſſen. Rede Hund!
Solchergeſtalt ſahe ich meinen Tod vor Augen,
denn obgleich Muley Iſmaël ſeit einigen Jahren
her nicht mehr ſo grauſam geweſen war, als vor
dem, ſo konte doch gar leicht glauben, daß mir auf
dieſes mein Verbrechen die Todes-Straffe wuͤr-
de dictirt werdern. Dem ohngeacht verſpuͤrete ich
in
(G 5)
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/113>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.