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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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nach Verlauff etwa zweyer Stunden wieder zu-
rück kam, und die Post brachte, daß man mich
vor den Kayser führen solte. Solches geschahe,
und hatten die 4. Mohren ihre entblösten Schwerd-
ter in den Händen, der Meynung, in Gegenwart
des Kaysers ein Stückgen Arbeit zu bekommen,
und mich Elenden in etliche Stücke zu zerhauen.
Der Kayser Muley Ismael saß auf einem kostba-
ren Stuhle, und so bald ich mich vor ihm nieder-
geleget, und die Erde geküsset hatte, fing er an, mit
eben nicht gar zu zornigen Gebärden, also zu re-
den: Verfluchter Christ! wie bist du auf die Ge-
dancken gerathen, die dir bishero erzeigte und
noch fernerhin zugedachte Gnade mit Füssen von
dir zu stossen; denn ich habe beschlossen gehabt, so
gleich nach völliger Heilung deiner Wunde und
Annehmung des Mahometanischen Glaubens,
dich zum Schach-Zadeler-Agasi (dieses ist der-
jenige Officier unter den Verschnittenen, welcher
über des Kaysers Kinder die Ober-Aufsicht hat,
und in grossen Ansehen stehet) zu machen, und dein
Glück noch weiter zu befördern, nun aber wirst du
nicht allein wegen deiner Widerspenstigkeit, son-
dern auch wegen des, an einem meiner Unterthanen
begangenen Mordes, des schmälichsten Todes ster-
ben müssen. Rede Hund!

Solchergestalt sahe ich meinen Tod vor Augen,
denn obgleich Muley Ismael seit einigen Jahren
her nicht mehr so grausam gewesen war, als vor
dem, so konte doch gar leicht glauben, daß mir auf
dieses mein Verbrechen die Todes-Straffe wür-
de dictirt werdern. Dem ohngeacht verspürete ich

in
(G 5)

nach Verlauff etwa zweyer Stunden wieder zu-
ruͤck kam, und die Poſt brachte, daß man mich
vor den Kayſer fuͤhren ſolte. Solches geſchahe,
und hatten die 4. Mohren ihre entbloͤſten Schwerd-
ter in den Haͤnden, der Meynung, in Gegenwart
des Kayſers ein Stuͤckgen Arbeit zu bekommen,
und mich Elenden in etliche Stuͤcke zu zerhauen.
Der Kayſer Muley Iſmaël ſaß auf einem koſtba-
ren Stuhle, und ſo bald ich mich vor ihm nieder-
geleget, und die Erde gekuͤſſet hatte, fing er an, mit
eben nicht gar zu zornigen Gebaͤrden, alſo zu re-
den: Verfluchter Chriſt! wie biſt du auf die Ge-
dancken gerathen, die dir bishero erzeigte und
noch fernerhin zugedachte Gnade mit Fuͤſſen von
dir zu ſtoſſen; denn ich habe beſchloſſen gehabt, ſo
gleich nach voͤlliger Heilung deiner Wunde und
Annehmung des Mahometaniſchen Glaubens,
dich zum Schach-Zadeler-Agaſi (dieſes iſt der-
jenige Officier unter den Verſchnittenen, welcher
uͤber des Kayſers Kinder die Ober-Aufſicht hat,
und in groſſen Anſehen ſtehet) zu machen, und dein
Gluͤck noch weiter zu befoͤrdern, nun aber wirſt du
nicht allein wegen deiner Widerſpenſtigkeit, ſon-
dern auch wegen des, an einem meiner Unterthanen
begangenen Mordes, des ſchmaͤlichſten Todes ſter-
ben muͤſſen. Rede Hund!

Solchergeſtalt ſahe ich meinen Tod vor Augen,
denn obgleich Muley Iſmaël ſeit einigen Jahren
her nicht mehr ſo grauſam geweſen war, als vor
dem, ſo konte doch gar leicht glauben, daß mir auf
dieſes mein Verbrechen die Todes-Straffe wuͤr-
de dictirt werdern. Dem ohngeacht verſpuͤrete ich

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[105/0113] nach Verlauff etwa zweyer Stunden wieder zu- ruͤck kam, und die Poſt brachte, daß man mich vor den Kayſer fuͤhren ſolte. Solches geſchahe, und hatten die 4. Mohren ihre entbloͤſten Schwerd- ter in den Haͤnden, der Meynung, in Gegenwart des Kayſers ein Stuͤckgen Arbeit zu bekommen, und mich Elenden in etliche Stuͤcke zu zerhauen. Der Kayſer Muley Iſmaël ſaß auf einem koſtba- ren Stuhle, und ſo bald ich mich vor ihm nieder- geleget, und die Erde gekuͤſſet hatte, fing er an, mit eben nicht gar zu zornigen Gebaͤrden, alſo zu re- den: Verfluchter Chriſt! wie biſt du auf die Ge- dancken gerathen, die dir bishero erzeigte und noch fernerhin zugedachte Gnade mit Fuͤſſen von dir zu ſtoſſen; denn ich habe beſchloſſen gehabt, ſo gleich nach voͤlliger Heilung deiner Wunde und Annehmung des Mahometaniſchen Glaubens, dich zum Schach-Zadeler-Agaſi (dieſes iſt der- jenige Officier unter den Verſchnittenen, welcher uͤber des Kayſers Kinder die Ober-Aufſicht hat, und in groſſen Anſehen ſtehet) zu machen, und dein Gluͤck noch weiter zu befoͤrdern, nun aber wirſt du nicht allein wegen deiner Widerſpenſtigkeit, ſon- dern auch wegen des, an einem meiner Unterthanen begangenen Mordes, des ſchmaͤlichſten Todes ſter- ben muͤſſen. Rede Hund! Solchergeſtalt ſahe ich meinen Tod vor Augen, denn obgleich Muley Iſmaël ſeit einigen Jahren her nicht mehr ſo grauſam geweſen war, als vor dem, ſo konte doch gar leicht glauben, daß mir auf dieſes mein Verbrechen die Todes-Straffe wuͤr- de dictirt werdern. Dem ohngeacht verſpuͤrete ich in (G 5)

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/113>, abgerufen am 21.11.2024.