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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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in seinem Wohn-Hause verbleiben, und auf mich
warten wolte, fing hernach von freyen Stücken
zu sagen an: Mein Herr! ihr habt mehr Mit-
tel als ich anfänglich bey euch gesucht hätte, allein
wo ich rathen soll, so seyd ihr ein gebohrner Christ
und vielleicht durch Unglück anhero in die Sclave-
rey gekommen? Ja wohl, sagte ich, habt ihr es
errathen, und nicht allein ich, sondern auch mei-
ne leibliche Schwester, die noch ein paar Jahr äl-
ter ist als ich, wir sind aus einem vornehmen Ge-
schlechte, aus Holland gebürtig, und haben unsere
reichen Eltern noch am Leben, welche uns gerne
mit etliche 1000. Thlr. loßkaufften, wenn sie nur
wüsten, wo wir wären, allein, wir sind darinnen
unglücklich, daß, ohngeacht ich schon 2. mahl Brie-
fe nach Holland mitgegeben, wir dennoch keine
Antwort zurück erhalten haben, derowegen zu glau-
ben, daß die Briefe nicht zurecht gekommen, son-
dern verlohren gegangen sind. Wenn ihr, ver-
setzte der Jude hierauf, eines andern und nicht
des Kaysers Sclaven wäret, so wäre wohl noch
Rath zu finden, euch loß zu kauffen, allein, vor
Geld pflegt der Kayser seine Sclaven nicht zurück
zu geben, und derowegen ist wenig Hoffnung zu
eurer Errettung da, wenn ihr euch nicht mit List
zum Lande hinaus practiciren könnet; allein, ihr
wisset allhier keinen Bescheid, und ein anderer, es
sey Christ oder Jude, wird sich ohne schwere Geld-
Summen nicht leicht in dergleichen Sachen mi-
schen, weil, wenn die Sache verrathen würde, das
Leben eines jeden schon so gut als verlohren ist.
Das ist leicht zu erachten, war meine Antwort, in-

zwischen

in ſeinem Wohn-Hauſe verbleiben, und auf mich
warten wolte, fing hernach von freyen Stuͤcken
zu ſagen an: Mein Herr! ihr habt mehr Mit-
tel als ich anfaͤnglich bey euch geſucht haͤtte, allein
wo ich rathen ſoll, ſo ſeyd ihr ein gebohrner Chriſt
und vielleicht durch Ungluͤck anhero in die Sclave-
rey gekommen? Ja wohl, ſagte ich, habt ihr es
errathen, und nicht allein ich, ſondern auch mei-
ne leibliche Schweſter, die noch ein paar Jahr aͤl-
ter iſt als ich, wir ſind aus einem vornehmen Ge-
ſchlechte, aus Holland gebuͤrtig, und haben unſere
reichen Eltern noch am Leben, welche uns gerne
mit etliche 1000. Thlr. loßkaufften, wenn ſie nur
wuͤſten, wo wir waͤren, allein, wir ſind darinnen
ungluͤcklich, daß, ohngeacht ich ſchon 2. mahl Brie-
fe nach Holland mitgegeben, wir dennoch keine
Antwort zuruͤck erhalten haben, derowegen zu glau-
ben, daß die Briefe nicht zurecht gekommen, ſon-
dern verlohren gegangen ſind. Wenn ihr, ver-
ſetzte der Jude hierauf, eines andern und nicht
des Kayſers Sclaven waͤret, ſo waͤre wohl noch
Rath zu finden, euch loß zu kauffen, allein, vor
Geld pflegt der Kayſer ſeine Sclaven nicht zuruͤck
zu geben, und derowegen iſt wenig Hoffnung zu
eurer Errettung da, wenn ihr euch nicht mit Liſt
zum Lande hinaus practiciren koͤnnet; allein, ihr
wiſſet allhier keinen Beſcheid, und ein anderer, es
ſey Chriſt oder Jude, wird ſich ohne ſchwere Geld-
Summen nicht leicht in dergleichen Sachen mi-
ſchen, weil, wenn die Sache verrathen wuͤrde, das
Leben eines jeden ſchon ſo gut als verlohren iſt.
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[122/0130] in ſeinem Wohn-Hauſe verbleiben, und auf mich warten wolte, fing hernach von freyen Stuͤcken zu ſagen an: Mein Herr! ihr habt mehr Mit- tel als ich anfaͤnglich bey euch geſucht haͤtte, allein wo ich rathen ſoll, ſo ſeyd ihr ein gebohrner Chriſt und vielleicht durch Ungluͤck anhero in die Sclave- rey gekommen? Ja wohl, ſagte ich, habt ihr es errathen, und nicht allein ich, ſondern auch mei- ne leibliche Schweſter, die noch ein paar Jahr aͤl- ter iſt als ich, wir ſind aus einem vornehmen Ge- ſchlechte, aus Holland gebuͤrtig, und haben unſere reichen Eltern noch am Leben, welche uns gerne mit etliche 1000. Thlr. loßkaufften, wenn ſie nur wuͤſten, wo wir waͤren, allein, wir ſind darinnen ungluͤcklich, daß, ohngeacht ich ſchon 2. mahl Brie- fe nach Holland mitgegeben, wir dennoch keine Antwort zuruͤck erhalten haben, derowegen zu glau- ben, daß die Briefe nicht zurecht gekommen, ſon- dern verlohren gegangen ſind. Wenn ihr, ver- ſetzte der Jude hierauf, eines andern und nicht des Kayſers Sclaven waͤret, ſo waͤre wohl noch Rath zu finden, euch loß zu kauffen, allein, vor Geld pflegt der Kayſer ſeine Sclaven nicht zuruͤck zu geben, und derowegen iſt wenig Hoffnung zu eurer Errettung da, wenn ihr euch nicht mit Liſt zum Lande hinaus practiciren koͤnnet; allein, ihr wiſſet allhier keinen Beſcheid, und ein anderer, es ſey Chriſt oder Jude, wird ſich ohne ſchwere Geld- Summen nicht leicht in dergleichen Sachen mi- ſchen, weil, wenn die Sache verrathen wuͤrde, das Leben eines jeden ſchon ſo gut als verlohren iſt. Das iſt leicht zu erachten, war meine Antwort, in- zwiſchen

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/130>, abgerufen am 24.11.2024.