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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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zwischen muß man auf die Hülffe des Allmächtigen
hoffen, auf ein paar tausend Zechinen aber solte es
mir eben nicht ankommen, wenn sich ein redlicher
Mensch finden wolte, der uns beyde wieder unter
die Gesellschafft unserer Lands-Leute bringen könte.
Hierauf sagte der Jude, wenn ihr redlich seyn, mich
nicht verrathen, und mir meine Mühe wohl bezah-
len wollet, will ich vor eure Befreyung, welche
listiger Weise angestellet werden muß, Sorge tra-
gen, allein, wo befindet sich eure Schwester, hat
selbige auch, wie ihr, die Freyheit hinzugehen, wo
sie hin will? So viel Freyheit, sprach ich, ist ihr
nicht erlaubt, als mir, doch wäre es eben keine un-
mögliche Sache, sie zur Nachts-Zeit ein paar Mei-
len von Mequinez hinweg zu bringen. Wenn sie
nur erstlich bey Nachts-Zeit allhier in mein Hauß
gebracht werden könte, sagte der Jude, so solte
sich nachhero alles schicken, denn ich bin im Stan-
de, euch alle beyde etliche Wochen an einem ge-
heimen Orte darinnen aufzuhalten, allwo euch die
Mohren nimmermehr finden können, sie mögen
auch suchen wie sie immer wollen. Ob auch gleich
bey Nachts-Zeit das Revier, wo wir Juden woh-
nen, verschlossen wird, so wissen doch viele von
uns solche Schliche, daß wir aus- und einkommen
können, wenn wir wollen.

Jch wuste so gleich nicht, was ich weiter ant-
worten solte, blieb derowegen eine ziemliche Zeit
in tieffen Gedancken sitzen, mitlerweile brachte der
Jude eine Bouteille Wein auf den Tisch, und
fragte mich, ob ich auch Wein träncke? Jch that
ihm Bescheid, und fand den Wein so köstlich, als

ich

zwiſchen muß man auf die Huͤlffe des Allmaͤchtigen
hoffen, auf ein paar tauſend Zechinen aber ſolte es
mir eben nicht ankommen, wenn ſich ein redlicher
Menſch finden wolte, der uns beyde wieder unter
die Geſellſchafft unſerer Lands-Leute bringen koͤnte.
Hierauf ſagte der Jude, wenn ihr redlich ſeyn, mich
nicht verrathen, und mir meine Muͤhe wohl bezah-
len wollet, will ich vor eure Befreyung, welche
liſtiger Weiſe angeſtellet werden muß, Sorge tra-
gen, allein, wo befindet ſich eure Schweſter, hat
ſelbige auch, wie ihr, die Freyheit hinzugehen, wo
ſie hin will? So viel Freyheit, ſprach ich, iſt ihr
nicht erlaubt, als mir, doch waͤre es eben keine un-
moͤgliche Sache, ſie zur Nachts-Zeit ein paar Mei-
len von Mequinez hinweg zu bringen. Wenn ſie
nur erſtlich bey Nachts-Zeit allhier in mein Hauß
gebracht werden koͤnte, ſagte der Jude, ſo ſolte
ſich nachhero alles ſchicken, denn ich bin im Stan-
de, euch alle beyde etliche Wochen an einem ge-
heimen Orte darinnen aufzuhalten, allwo euch die
Mohren nimmermehr finden koͤnnen, ſie moͤgen
auch ſuchen wie ſie immer wollen. Ob auch gleich
bey Nachts-Zeit das Revier, wo wir Juden woh-
nen, verſchloſſen wird, ſo wiſſen doch viele von
uns ſolche Schliche, daß wir aus- und einkommen
koͤnnen, wenn wir wollen.

Jch wuſte ſo gleich nicht, was ich weiter ant-
worten ſolte, blieb derowegen eine ziemliche Zeit
in tieffen Gedancken ſitzen, mitlerweile brachte der
Jude eine Bouteille Wein auf den Tiſch, und
fragte mich, ob ich auch Wein traͤncke? Jch that
ihm Beſcheid, und fand den Wein ſo koͤſtlich, als

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[123/0131] zwiſchen muß man auf die Huͤlffe des Allmaͤchtigen hoffen, auf ein paar tauſend Zechinen aber ſolte es mir eben nicht ankommen, wenn ſich ein redlicher Menſch finden wolte, der uns beyde wieder unter die Geſellſchafft unſerer Lands-Leute bringen koͤnte. Hierauf ſagte der Jude, wenn ihr redlich ſeyn, mich nicht verrathen, und mir meine Muͤhe wohl bezah- len wollet, will ich vor eure Befreyung, welche liſtiger Weiſe angeſtellet werden muß, Sorge tra- gen, allein, wo befindet ſich eure Schweſter, hat ſelbige auch, wie ihr, die Freyheit hinzugehen, wo ſie hin will? So viel Freyheit, ſprach ich, iſt ihr nicht erlaubt, als mir, doch waͤre es eben keine un- moͤgliche Sache, ſie zur Nachts-Zeit ein paar Mei- len von Mequinez hinweg zu bringen. Wenn ſie nur erſtlich bey Nachts-Zeit allhier in mein Hauß gebracht werden koͤnte, ſagte der Jude, ſo ſolte ſich nachhero alles ſchicken, denn ich bin im Stan- de, euch alle beyde etliche Wochen an einem ge- heimen Orte darinnen aufzuhalten, allwo euch die Mohren nimmermehr finden koͤnnen, ſie moͤgen auch ſuchen wie ſie immer wollen. Ob auch gleich bey Nachts-Zeit das Revier, wo wir Juden woh- nen, verſchloſſen wird, ſo wiſſen doch viele von uns ſolche Schliche, daß wir aus- und einkommen koͤnnen, wenn wir wollen. Jch wuſte ſo gleich nicht, was ich weiter ant- worten ſolte, blieb derowegen eine ziemliche Zeit in tieffen Gedancken ſitzen, mitlerweile brachte der Jude eine Bouteille Wein auf den Tiſch, und fragte mich, ob ich auch Wein traͤncke? Jch that ihm Beſcheid, und fand den Wein ſo koͤſtlich, als ich

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/131>, abgerufen am 24.11.2024.