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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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nun aber, da auch ihr aufangen wollet, mir Hertze-
leyd zuzufügen, sehe ich wohl, daß mich die gan-
tze redliche Welt verlassen will. Unter diesen Wor-
ten ließ sie ihr Haupt zurück sincken, fing von neu-
en an bitterlich zu weinen, ja es schien gar/ als wenn
ihr eine Ohnmacht zustossen wolte, indem sie so
blaß als eine Leiche ward. Weil nun nichts anders,
als frisches Wasser bey der Hand wuste, lieff ich
gleich hin, tauchte ein Schnupff-Tuch ein, und be-
strich ihr Gesicht und Hände damit, wodurch sie in
etwas wieder zu sich selber kam, auch etwas von der
Artzeney einnahm, welche die Magd eben herzu
brachte. Sie drehete sich auf die andere Seite her-
um, und stellete sich, als ob sie schlaffen wolte, je-
doch die Magd und ich traueten dem Laud-Frie den
nicht, sondern befürchteten, daß sie etwa eine würck-
liche Ohnmacht bekommen möchte, allein, sie schlieff
bald gantz sanfft ein, weßwegen sich denn die Magd
zu unterst des Bettes auf die Erde niederlegte, und
als ein Ratz zu schnarchen anfing, ich aber blieb vor
dem Bette sitzen, und wachte. Etwa um Mitter-
nachts-Zeit fuhr sie, als von einem schweren Trau-
me erschreckt, zusammen, warff sich herum, und
sagte, da sie mich erblickte: Seyd ihr noch da, Fal-
scher? Warum gebet ihr euch einer Unglückseeligen
wegen so viel Mühe, eure eigene Ruhe zu unter-
brechen? Madame! antwortete ich, meine Ruhe
kan durch nichts stärcker unterbrochen werden, als
wenn ich weiß, daß sie unruhig sind, und sich kranck
befinden. Sie seuffzete hierüber, und that die Au-
gen wieder zu, da ich aber gewahr wurde, daß ihr
dem ohngeacht die Thränen heraus drangen, und

über

nun aber, da auch ihr aufangen wollet, mir Hertze-
leyd zuzufuͤgen, ſehe ich wohl, daß mich die gan-
tze redliche Welt verlaſſen will. Unter dieſen Wor-
ten ließ ſie ihr Haupt zuruͤck ſincken, fing von neu-
en an bitterlich zu weinen, ja es ſchien gar/ als wenn
ihr eine Ohnmacht zuſtoſſen wolte, indem ſie ſo
blaß als eine Leiche ward. Weil nun nichts anders,
als friſches Waſſer bey der Hand wuſte, lieff ich
gleich hin, tauchte ein Schnupff-Tuch ein, und be-
ſtrich ihr Geſicht und Haͤnde damit, wodurch ſie in
etwas wieder zu ſich ſelber kam, auch etwas von der
Artzeney einnahm, welche die Magd eben herzu
brachte. Sie drehete ſich auf die andere Seite her-
um, und ſtellete ſich, als ob ſie ſchlaffen wolte, je-
doch die Magd und ich traueten dem Laud-Frie den
nicht, ſondern befuͤrchteten, daß ſie etwa eine wuͤrck-
liche Ohnmacht bekommen moͤchte, allein, ſie ſchlieff
bald gantz ſanfft ein, weßwegen ſich denn die Magd
zu unterſt des Bettes auf die Erde niederlegte, und
als ein Ratz zu ſchnarchen anfing, ich aber blieb vor
dem Bette ſitzen, und wachte. Etwa um Mitter-
nachts-Zeit fuhr ſie, als von einem ſchweren Trau-
me erſchreckt, zuſammen, warff ſich herum, und
ſagte, da ſie mich erblickte: Seyd ihr noch da, Fal-
ſcher? Warum gebet ihr euch einer Ungluͤckſeeligen
wegen ſo viel Muͤhe, eure eigene Ruhe zu unter-
brechen? Madame! antwortete ich, meine Ruhe
kan durch nichts ſtaͤrcker unterbrochen werden, als
wenn ich weiß, daß ſie unruhig ſind, und ſich kranck
befinden. Sie ſeuffzete hieruͤber, und that die Au-
gen wieder zu, da ich aber gewahr wurde, daß ihr
dem ohngeacht die Thraͤnen heraus drangen, und

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[187/0195] nun aber, da auch ihr aufangen wollet, mir Hertze- leyd zuzufuͤgen, ſehe ich wohl, daß mich die gan- tze redliche Welt verlaſſen will. Unter dieſen Wor- ten ließ ſie ihr Haupt zuruͤck ſincken, fing von neu- en an bitterlich zu weinen, ja es ſchien gar/ als wenn ihr eine Ohnmacht zuſtoſſen wolte, indem ſie ſo blaß als eine Leiche ward. Weil nun nichts anders, als friſches Waſſer bey der Hand wuſte, lieff ich gleich hin, tauchte ein Schnupff-Tuch ein, und be- ſtrich ihr Geſicht und Haͤnde damit, wodurch ſie in etwas wieder zu ſich ſelber kam, auch etwas von der Artzeney einnahm, welche die Magd eben herzu brachte. Sie drehete ſich auf die andere Seite her- um, und ſtellete ſich, als ob ſie ſchlaffen wolte, je- doch die Magd und ich traueten dem Laud-Frie den nicht, ſondern befuͤrchteten, daß ſie etwa eine wuͤrck- liche Ohnmacht bekommen moͤchte, allein, ſie ſchlieff bald gantz ſanfft ein, weßwegen ſich denn die Magd zu unterſt des Bettes auf die Erde niederlegte, und als ein Ratz zu ſchnarchen anfing, ich aber blieb vor dem Bette ſitzen, und wachte. Etwa um Mitter- nachts-Zeit fuhr ſie, als von einem ſchweren Trau- me erſchreckt, zuſammen, warff ſich herum, und ſagte, da ſie mich erblickte: Seyd ihr noch da, Fal- ſcher? Warum gebet ihr euch einer Ungluͤckſeeligen wegen ſo viel Muͤhe, eure eigene Ruhe zu unter- brechen? Madame! antwortete ich, meine Ruhe kan durch nichts ſtaͤrcker unterbrochen werden, als wenn ich weiß, daß ſie unruhig ſind, und ſich kranck befinden. Sie ſeuffzete hieruͤber, und that die Au- gen wieder zu, da ich aber gewahr wurde, daß ihr dem ohngeacht die Thraͤnen heraus drangen, und uͤber

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/195>, abgerufen am 24.11.2024.