Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

auch aus Verzweiffelung so lange hie und dahin zu
sahren, biß ich auch mein nunmehro mir verdrießli-
ches Leben endigte, jedoch der Himmel gab mir
andere Gedancken ein, daß ich nehmlich in mein
Vaterland zurück gehen, und entweder in meiner
Geburts-Stadt oder in Amsterdam eine stille und
ruhige Lebens-Art erwehlen solte; als welches denn
auch von mir resolvirt wurde, da ich aber in Lissa-
bon bey einem vornehmen Schwedischen Herrn
bekandt gemacht wurde, nahm mich derselbe zum
Sprach-Meister seines Sohnes an, und mit sich
nach Schweden. Mein Discipul war sehr lehr-
begierig, allein er starb, da ich wenig Wochen über
ein Jahr mit ihm zu thun gehabt, also bekam ich
mein bedungenes Geld, hatte darzu noch den Vor-
theil, daß ich die Schwedische Sprache vollkommen
erlernet, von welcher ich sonsten unter den andern
das wenigste wuste, und reisete erstlich nach meiner
Vater-Stadt, hernach, weil ich daselbst vor Jam-
mer über alles mein Unglück nicht bleiben konte,
nach Amsterdamm, allwo ich abermahls Condi-
tion
als Sprach-Meister bey etlichen Kauffmanns-
Dienern annahm, welche mir so viel bezahleten,
daß ich mein melancholisches und stilles Leben gantz
reputirlich fortsühren konte. Da aber einige von
ihnen abgingen, ich also aus meinem Beutel zuse-
tzen muste, fügte es sich eben, daß der wertheste
Monsieur Eberhard Julius, gegen dessen Logis
ich gerade über wohnete, einen Dolmetscher nach
Schweden mit zu reisen, aufsuchen ließ, und ihm
ein ansehnliches Monat-Geld zu zahlen versprach,
weßwegen ich an ihm recommendirt, so gleich

acce-

auch aus Verzweiffelung ſo lange hie und dahin zu
ſahren, biß ich auch mein nunmehro mir verdrießli-
ches Leben endigte, jedoch der Himmel gab mir
andere Gedancken ein, daß ich nehmlich in mein
Vaterland zuruͤck gehen, und entweder in meiner
Geburts-Stadt oder in Amſterdam eine ſtille und
ruhige Lebens-Art erwehlen ſolte; als welches denn
auch von mir reſolvirt wurde, da ich aber in Liſſa-
bon bey einem vornehmen Schwediſchen Herrn
bekandt gemacht wurde, nahm mich derſelbe zum
Sprach-Meiſter ſeines Sohnes an, und mit ſich
nach Schweden. Mein Diſcipul war ſehr lehr-
begierig, allein er ſtarb, da ich wenig Wochen uͤber
ein Jahr mit ihm zu thun gehabt, alſo bekam ich
mein bedungenes Geld, hatte darzu noch den Vor-
theil, daß ich die Schwediſche Sprache vollkommen
erlernet, von welcher ich ſonſten unter den andern
das wenigſte wuſte, und reiſete erſtlich nach meiner
Vater-Stadt, hernach, weil ich daſelbſt vor Jam-
mer uͤber alles mein Ungluͤck nicht bleiben konte,
nach Amſterdamm, allwo ich abermahls Condi-
tion
als Sprach-Meiſter bey etlichen Kauffmanns-
Dienern annahm, welche mir ſo viel bezahleten,
daß ich mein melancholiſches und ſtilles Leben gantz
reputirlich fortſuͤhren konte. Da aber einige von
ihnen abgingen, ich alſo aus meinem Beutel zuſe-
tzen muſte, fuͤgte es ſich eben, daß der wertheſte
Monſieur Eberhard Julius, gegen deſſen Logis
ich gerade uͤber wohnete, einen Dolmetſcher nach
Schweden mit zu reiſen, aufſuchen ließ, und ihm
ein anſehnliches Monat-Geld zu zahlen verſprach,
weßwegen ich an ihm recommendirt, ſo gleich

acce-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0232" n="224"/>
auch aus Verzweiffelung &#x017F;o lange hie und dahin zu<lb/>
&#x017F;ahren, biß ich auch mein nunmehro mir verdrießli-<lb/>
ches Leben endigte, jedoch der Himmel gab mir<lb/>
andere Gedancken ein, daß ich nehmlich in mein<lb/>
Vaterland zuru&#x0364;ck gehen, und entweder in meiner<lb/>
Geburts-Stadt oder in Am&#x017F;terdam eine &#x017F;tille und<lb/>
ruhige Lebens-Art erwehlen &#x017F;olte; als welches denn<lb/>
auch von mir <hi rendition="#aq">re&#x017F;olvirt</hi> wurde, da ich aber in Li&#x017F;&#x017F;a-<lb/>
bon bey einem vornehmen Schwedi&#x017F;chen Herrn<lb/>
bekandt gemacht wurde, nahm mich der&#x017F;elbe zum<lb/>
Sprach-Mei&#x017F;ter &#x017F;eines Sohnes an, und mit &#x017F;ich<lb/>
nach Schweden. Mein <hi rendition="#aq">Di&#x017F;cipul</hi> war &#x017F;ehr lehr-<lb/>
begierig, allein er &#x017F;tarb, da ich wenig Wochen u&#x0364;ber<lb/>
ein Jahr mit ihm zu thun gehabt, al&#x017F;o bekam ich<lb/>
mein bedungenes Geld, hatte darzu noch den Vor-<lb/>
theil, daß ich die Schwedi&#x017F;che Sprache vollkommen<lb/>
erlernet, von welcher ich &#x017F;on&#x017F;ten unter den andern<lb/>
das wenig&#x017F;te wu&#x017F;te, und rei&#x017F;ete er&#x017F;tlich nach meiner<lb/>
Vater-Stadt, hernach, weil ich da&#x017F;elb&#x017F;t vor Jam-<lb/>
mer u&#x0364;ber alles mein Unglu&#x0364;ck nicht bleiben konte,<lb/>
nach Am&#x017F;terdamm, allwo ich abermahls <hi rendition="#aq">Condi-<lb/>
tion</hi> als Sprach-Mei&#x017F;ter bey etlichen Kauffmanns-<lb/>
Dienern annahm, welche mir &#x017F;o viel bezahleten,<lb/>
daß ich mein melancholi&#x017F;ches und &#x017F;tilles Leben gantz<lb/><hi rendition="#aq">reputir</hi>lich fort&#x017F;u&#x0364;hren konte. Da aber einige von<lb/>
ihnen abgingen, ich al&#x017F;o aus meinem Beutel zu&#x017F;e-<lb/>
tzen mu&#x017F;te, fu&#x0364;gte es &#x017F;ich eben, daß der werthe&#x017F;te<lb/><hi rendition="#aq">Mon&#x017F;ieur Eberhard Julius,</hi> gegen de&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#aq">Logis</hi><lb/>
ich gerade u&#x0364;ber wohnete, einen Dolmet&#x017F;cher nach<lb/>
Schweden mit zu rei&#x017F;en, auf&#x017F;uchen ließ, und ihm<lb/>
ein an&#x017F;ehnliches Monat-Geld zu zahlen ver&#x017F;prach,<lb/>
weßwegen ich an ihm <hi rendition="#aq">recommendirt,</hi> &#x017F;o gleich<lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">acce-</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[224/0232] auch aus Verzweiffelung ſo lange hie und dahin zu ſahren, biß ich auch mein nunmehro mir verdrießli- ches Leben endigte, jedoch der Himmel gab mir andere Gedancken ein, daß ich nehmlich in mein Vaterland zuruͤck gehen, und entweder in meiner Geburts-Stadt oder in Amſterdam eine ſtille und ruhige Lebens-Art erwehlen ſolte; als welches denn auch von mir reſolvirt wurde, da ich aber in Liſſa- bon bey einem vornehmen Schwediſchen Herrn bekandt gemacht wurde, nahm mich derſelbe zum Sprach-Meiſter ſeines Sohnes an, und mit ſich nach Schweden. Mein Diſcipul war ſehr lehr- begierig, allein er ſtarb, da ich wenig Wochen uͤber ein Jahr mit ihm zu thun gehabt, alſo bekam ich mein bedungenes Geld, hatte darzu noch den Vor- theil, daß ich die Schwediſche Sprache vollkommen erlernet, von welcher ich ſonſten unter den andern das wenigſte wuſte, und reiſete erſtlich nach meiner Vater-Stadt, hernach, weil ich daſelbſt vor Jam- mer uͤber alles mein Ungluͤck nicht bleiben konte, nach Amſterdamm, allwo ich abermahls Condi- tion als Sprach-Meiſter bey etlichen Kauffmanns- Dienern annahm, welche mir ſo viel bezahleten, daß ich mein melancholiſches und ſtilles Leben gantz reputirlich fortſuͤhren konte. Da aber einige von ihnen abgingen, ich alſo aus meinem Beutel zuſe- tzen muſte, fuͤgte es ſich eben, daß der wertheſte Monſieur Eberhard Julius, gegen deſſen Logis ich gerade uͤber wohnete, einen Dolmetſcher nach Schweden mit zu reiſen, aufſuchen ließ, und ihm ein anſehnliches Monat-Geld zu zahlen verſprach, weßwegen ich an ihm recommendirt, ſo gleich acce-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/232
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/232>, abgerufen am 24.11.2024.