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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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Vorgebürges zutrieb, wir sahen dieselben schon
vor Augen, konten sie aber nicht erreichen, indem
unser Schiff um die Mittags-Zeit gantz plötzlich
zerscheiterte, und mit seiner gantzen Ladung zu Grun-
de ging. Jch und meine Liebste konten nicht so
glücklich werden, daß man uns mit in ein Boot ge-
nommen hätte, denn es waren schon beyde über-
flüßig besetzt/ derowegen muste uns nur so wohl
als vielen andern zum Troste dienen, daß wir einen
starcken Balcken erhaschen, und uns auf demselben
erhalten konten. Allein, was halff es, in folgen-
der finstern Nacht schlug eine ungeheure Welle
meine Allerliebste von dem Balcken herunter, und
hörete ich noch, daß sie rieff: JEsus! Gute Nacht,
mein Schatz. Mir vergingen vor Wehmuth al-
le Gedancken, und wundere ich mich über nichts, als
wie ich mich bey solchen höchst-schmertzlichen Leyd-
Wesen noch habe auf dem Balcken an-und erhal-
ten können, inzwischen, da ich mich in etwas beson-
nen, konte ich doch keine Hand vor Augen sehen,
andern Tages gegen Mittag aber befand mich an
dem Ufer der Jnsul St. Lucia, welches eine von
den Jnsuln des grünen Borgebürges ist, und
wurde errettet. Viele Tage habe ich auf dieser
Jnsul mit lauter Winseln und Wehklagen über
den kläglichen Verlust meiner Allerliebsten zuge-
bracht, weiln mit ihr alles mein Vergnügen, ja
meine gantze Glückseeligkeit im Meere ertruncken
war, endlich, weil ich noch etwa 100. und etliche
spec, Ducaten in meinen Kleidern vernehet bey
mir trug, kam mir in die Gedancken, mit einem
Portugiesischen Schiffe nach Brasilien zu gehen,

auch

Vorgebuͤrges zutrieb, wir ſahen dieſelben ſchon
vor Augen, konten ſie aber nicht erreichen, indem
unſer Schiff um die Mittags-Zeit gantz ploͤtzlich
zerſcheiterte, und mit ſeiner gantzen Ladung zu Grun-
de ging. Jch und meine Liebſte konten nicht ſo
gluͤcklich werden, daß man uns mit in ein Boot ge-
nommen haͤtte, denn es waren ſchon beyde uͤber-
fluͤßig beſetzt/ derowegen muſte uns nur ſo wohl
als vielen andern zum Troſte dienen, daß wir einen
ſtarcken Balcken erhaſchen, und uns auf demſelben
erhalten konten. Allein, was halff es, in folgen-
der finſtern Nacht ſchlug eine ungeheure Welle
meine Allerliebſte von dem Balcken herunter, und
hoͤrete ich noch, daß ſie rieff: JEſus! Gute Nacht,
mein Schatz. Mir vergingen vor Wehmuth al-
le Gedancken, und wundere ich mich uͤber nichts, als
wie ich mich bey ſolchen hoͤchſt-ſchmertzlichen Leyd-
Weſen noch habe auf dem Balcken an-und erhal-
ten koͤnnen, inzwiſchen, da ich mich in etwas beſon-
nen, konte ich doch keine Hand vor Augen ſehen,
andern Tages gegen Mittag aber befand mich an
dem Ufer der Jnſul St. Lucia, welches eine von
den Jnſuln des gruͤnen Borgebuͤrges iſt, und
wurde errettet. Viele Tage habe ich auf dieſer
Jnſul mit lauter Winſeln und Wehklagen uͤber
den klaͤglichen Verluſt meiner Allerliebſten zuge-
bracht, weiln mit ihr alles mein Vergnuͤgen, ja
meine gantze Gluͤckſeeligkeit im Meere ertruncken
war, endlich, weil ich noch etwa 100. und etliche
ſpec, Ducaten in meinen Kleidern vernehet bey
mir trug, kam mir in die Gedancken, mit einem
Portugieſiſchen Schiffe nach Braſilien zu gehen,

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[223/0231] Vorgebuͤrges zutrieb, wir ſahen dieſelben ſchon vor Augen, konten ſie aber nicht erreichen, indem unſer Schiff um die Mittags-Zeit gantz ploͤtzlich zerſcheiterte, und mit ſeiner gantzen Ladung zu Grun- de ging. Jch und meine Liebſte konten nicht ſo gluͤcklich werden, daß man uns mit in ein Boot ge- nommen haͤtte, denn es waren ſchon beyde uͤber- fluͤßig beſetzt/ derowegen muſte uns nur ſo wohl als vielen andern zum Troſte dienen, daß wir einen ſtarcken Balcken erhaſchen, und uns auf demſelben erhalten konten. Allein, was halff es, in folgen- der finſtern Nacht ſchlug eine ungeheure Welle meine Allerliebſte von dem Balcken herunter, und hoͤrete ich noch, daß ſie rieff: JEſus! Gute Nacht, mein Schatz. Mir vergingen vor Wehmuth al- le Gedancken, und wundere ich mich uͤber nichts, als wie ich mich bey ſolchen hoͤchſt-ſchmertzlichen Leyd- Weſen noch habe auf dem Balcken an-und erhal- ten koͤnnen, inzwiſchen, da ich mich in etwas beſon- nen, konte ich doch keine Hand vor Augen ſehen, andern Tages gegen Mittag aber befand mich an dem Ufer der Jnſul St. Lucia, welches eine von den Jnſuln des gruͤnen Borgebuͤrges iſt, und wurde errettet. Viele Tage habe ich auf dieſer Jnſul mit lauter Winſeln und Wehklagen uͤber den klaͤglichen Verluſt meiner Allerliebſten zuge- bracht, weiln mit ihr alles mein Vergnuͤgen, ja meine gantze Gluͤckſeeligkeit im Meere ertruncken war, endlich, weil ich noch etwa 100. und etliche ſpec, Ducaten in meinen Kleidern vernehet bey mir trug, kam mir in die Gedancken, mit einem Portugieſiſchen Schiffe nach Braſilien zu gehen, auch

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/231>, abgerufen am 24.11.2024.