Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

hätte solches geglaubt, wäre mit seiner Frauen zu
Bette gegangen, und hätte die unruhige Nacht-Ar-
beit einmahl dem Gesinde überlassen, hätte auch
nimmermehr geglaubt, daß dergleichen Streiche in
seinem Hause vorgehen solten, biß ihn früh Mor-
gens das Gesinde, welches die Cammern rei-
nigen wollen, herzu gerufft.

Was war zu thun? Geld hatte ich nicht, die
Sache weiter untersuchen zu lassen, derowegen
muste zufrieden, dem wohlthätigen Wirthe
die grösten Dancksagungs- Complimente machen,
und versprechen, wenn ich in bessern Stand käme,
ihm redliche Zahlung zu leisten. Hierauf zohe
ich die mir zugeworffenen alten Kleider an, begab
mich wieder in die Stadt, denn NB. mein bißheri-
ges Quartier war auserhalb derselben gewesen,
suchte gute Freunde, die mich wieder in bessern
Stand setzen solten, fand aber sehr wenig, die mir
mit einer Christlichen Bey- Steuer zu Hülffe ka-
men.

Jedoch der Himmel/ welcher doch selten ein
redliches Gemüthe verderben läst, führete mich un-
vermuthet in eine Stvasse, allwo mir der wertheste
Mons. Eberhard mit seiner Jungfer Schwester
entgegen kamen. Die verschiedenen bey mir auf-
steigenden Affecten machten, daß ich einen lauten
Schrey that, hernach vor Jammer bitterlich zu
weinen anfing, und mich vor ihnen verbergen wolte,
allein, zu meinem Glück wurde ich von ihnen er-
kandt, sie nahmen mich Elenden auf, setzten mich
in solchem Stand, daß ich mich wieder bey ho-
netten
Leuten sehen lassen und mit ihnen umgehen

konte,

haͤtte ſolches geglaubt, waͤre mit ſeiner Frauen zu
Bette gegangen, und haͤtte die unruhige Nacht-Ar-
beit einmahl dem Geſinde uͤberlaſſen, haͤtte auch
nimmermehr geglaubt, daß dergleichen Streiche in
ſeinem Hauſe vorgehen ſolten, biß ihn fruͤh Mor-
gens das Geſinde, welches die Cammern rei-
nigen wollen, herzu gerufft.

Was war zu thun? Geld hatte ich nicht, die
Sache weiter unterſuchen zu laſſen, derowegen
muſte zufrieden, dem wohlthaͤtigen Wirthe
die groͤſten Danckſagungs- Complimente machen,
und verſprechen, wenn ich in beſſern Stand kaͤme,
ihm redliche Zahlung zu leiſten. Hierauf zohe
ich die mir zugeworffenen alten Kleider an, begab
mich wieder in die Stadt, denn NB. mein bißheri-
ges Quartier war auſerhalb derſelben geweſen,
ſuchte gute Freunde, die mich wieder in beſſern
Stand ſetzen ſolten, fand aber ſehr wenig, die mir
mit einer Chriſtlichen Bey- Steuer zu Huͤlffe ka-
men.

Jedoch der Himmel/ welcher doch ſelten ein
redliches Gemuͤthe verderben laͤſt, fuͤhrete mich un-
vermuthet in eine Stvaſſe, allwo mir der wertheſte
Monſ. Eberhard mit ſeiner Jungfer Schweſter
entgegen kamen. Die verſchiedenen bey mir auf-
ſteigenden Affecten machten, daß ich einen lauten
Schrey that, hernach vor Jammer bitterlich zu
weinen anfing, und mich vor ihnen verbergen wolte,
allein, zu meinem Gluͤck wurde ich von ihnen er-
kandt, ſie nahmen mich Elenden auf, ſetzten mich
in ſolchem Stand, daß ich mich wieder bey ho-
netten
Leuten ſehen laſſen und mit ihnen umgehen

konte,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0236" n="228"/>
ha&#x0364;tte &#x017F;olches geglaubt, wa&#x0364;re mit &#x017F;einer Frauen zu<lb/>
Bette gegangen, und ha&#x0364;tte die unruhige Nacht-Ar-<lb/>
beit einmahl dem Ge&#x017F;inde u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en, ha&#x0364;tte auch<lb/>
nimmermehr geglaubt, daß dergleichen Streiche in<lb/>
&#x017F;einem Hau&#x017F;e vorgehen &#x017F;olten, biß ihn fru&#x0364;h Mor-<lb/>
gens das Ge&#x017F;inde, welches die Cammern rei-<lb/>
nigen wollen, herzu gerufft.</p><lb/>
          <p>Was war zu thun? Geld hatte ich nicht, die<lb/>
Sache weiter unter&#x017F;uchen zu la&#x017F;&#x017F;en, derowegen<lb/>
mu&#x017F;te zufrieden, dem wohltha&#x0364;tigen Wirthe<lb/>
die gro&#x0364;&#x017F;ten Danck&#x017F;agungs- <hi rendition="#aq">Complimente</hi> machen,<lb/>
und ver&#x017F;prechen, wenn ich in be&#x017F;&#x017F;ern Stand ka&#x0364;me,<lb/>
ihm redliche Zahlung zu lei&#x017F;ten. Hierauf zohe<lb/>
ich die mir zugeworffenen alten Kleider an, begab<lb/>
mich wieder in die Stadt, denn <hi rendition="#aq">NB.</hi> mein bißheri-<lb/>
ges Quartier war au&#x017F;erhalb der&#x017F;elben gewe&#x017F;en,<lb/>
&#x017F;uchte gute Freunde, die mich wieder in be&#x017F;&#x017F;ern<lb/>
Stand &#x017F;etzen &#x017F;olten, fand aber &#x017F;ehr wenig, die mir<lb/>
mit einer Chri&#x017F;tlichen Bey- Steuer zu Hu&#x0364;lffe ka-<lb/>
men.</p><lb/>
          <p>Jedoch der Himmel/ welcher doch &#x017F;elten ein<lb/>
redliches Gemu&#x0364;the verderben la&#x0364;&#x017F;t, fu&#x0364;hrete mich un-<lb/>
vermuthet in eine Stva&#x017F;&#x017F;e, allwo mir der werthe&#x017F;te<lb/><hi rendition="#aq">Mon&#x017F;. Eberhard</hi> mit &#x017F;einer Jungfer Schwe&#x017F;ter<lb/>
entgegen kamen. Die ver&#x017F;chiedenen bey mir auf-<lb/>
&#x017F;teigenden <hi rendition="#aq">Affecten</hi> machten, daß ich einen lauten<lb/>
Schrey that, hernach vor Jammer bitterlich zu<lb/>
weinen anfing, und mich vor ihnen verbergen wolte,<lb/>
allein, zu meinem Glu&#x0364;ck wurde ich von ihnen er-<lb/>
kandt, &#x017F;ie nahmen mich Elenden auf, &#x017F;etzten mich<lb/>
in &#x017F;olchem Stand, daß ich mich wieder bey <hi rendition="#aq">ho-<lb/>
netten</hi> Leuten &#x017F;ehen la&#x017F;&#x017F;en und mit ihnen umgehen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">konte,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[228/0236] haͤtte ſolches geglaubt, waͤre mit ſeiner Frauen zu Bette gegangen, und haͤtte die unruhige Nacht-Ar- beit einmahl dem Geſinde uͤberlaſſen, haͤtte auch nimmermehr geglaubt, daß dergleichen Streiche in ſeinem Hauſe vorgehen ſolten, biß ihn fruͤh Mor- gens das Geſinde, welches die Cammern rei- nigen wollen, herzu gerufft. Was war zu thun? Geld hatte ich nicht, die Sache weiter unterſuchen zu laſſen, derowegen muſte zufrieden, dem wohlthaͤtigen Wirthe die groͤſten Danckſagungs- Complimente machen, und verſprechen, wenn ich in beſſern Stand kaͤme, ihm redliche Zahlung zu leiſten. Hierauf zohe ich die mir zugeworffenen alten Kleider an, begab mich wieder in die Stadt, denn NB. mein bißheri- ges Quartier war auſerhalb derſelben geweſen, ſuchte gute Freunde, die mich wieder in beſſern Stand ſetzen ſolten, fand aber ſehr wenig, die mir mit einer Chriſtlichen Bey- Steuer zu Huͤlffe ka- men. Jedoch der Himmel/ welcher doch ſelten ein redliches Gemuͤthe verderben laͤſt, fuͤhrete mich un- vermuthet in eine Stvaſſe, allwo mir der wertheſte Monſ. Eberhard mit ſeiner Jungfer Schweſter entgegen kamen. Die verſchiedenen bey mir auf- ſteigenden Affecten machten, daß ich einen lauten Schrey that, hernach vor Jammer bitterlich zu weinen anfing, und mich vor ihnen verbergen wolte, allein, zu meinem Gluͤck wurde ich von ihnen er- kandt, ſie nahmen mich Elenden auf, ſetzten mich in ſolchem Stand, daß ich mich wieder bey ho- netten Leuten ſehen laſſen und mit ihnen umgehen konte,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/236
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/236>, abgerufen am 24.11.2024.