nen, küssete den Alt-Vater die Hand, und gab zu vernehmen, daß er sehnlich wünschte, mit dieser traurigen Arbeit noch viele Jahre verschont zu blei- ben, allein, der Alt-Vater saate: Mein Sohn, das viele Reden kömmt mir sauer an, thut so wohl, erfüllet meinen Willen so eilig als möglich, und gebt mir die Hand darauf. Lademann muste ihm solchem nach versprechen, das zu thun, was er verlangte, er gab ihm die Hand, und ging darauf mit weinenden Augen zum Zim- mer hinaus. Gleich hernach ließ der Alt-Vater die Frau Mag. Schmeltzerin und meine Schwe- ster ruffen, bestellete sich bey ihnen seinen Tod- ten-Habit, bat selbigen aufs eiligste zu verferti- gen, und neben sein Bette zu hangen, damit er ihn stets vor Augen haben könte; Diese beyden wol- ten unter Vergiessung häuffiger Thränen, eben- falls viel Einwendungen machen und um Aufschub bitten; allein der Alt-Vater saate: Erzeiget mir die Liebe, und erfüllet meinen Willen, ich solte meynen, binnen 2. Tagen könte alles fertig seyn. Sie musten ihm also beyde die Hände darauf geben, worauf er wieder anfing einzuschlummern. Weil man aber verspürete, daß er es nicht gern hatte, wenn viele Leute um ihn wa- ren, so blieben nur allezeit 2. Männer bey seinem Bette sitzen, die übrigen aber gingen in den Ne- ben-Zimmern immer ab und zu. Montags früh kam Herr Mag. Schmeltzer wieder, den Alt-Va- ter zu besuchen, welcher noch immer im Schlum- mer lag, weßwegen ich zu diesem Geistlichen sagte: ob es denn auch wohl rathsam sey, daß man ihn
immer-
nen, kuͤſſete den Alt-Vater die Hand, und gab zu vernehmen, daß er ſehnlich wuͤnſchte, mit dieſer traurigen Arbeit noch viele Jahre verſchont zu blei- ben, allein, der Alt-Vater ſaate: Mein Sohn, das viele Reden koͤmmt mir ſauer an, thut ſo wohl, erfuͤllet meinen Willen ſo eilig als moͤglich, und gebt mir die Hand darauf. Lademann muſte ihm ſolchem nach verſprechen, das zu thun, was er verlangte, er gab ihm die Hand, und ging darauf mit weinenden Augen zum Zim- mer hinaus. Gleich hernach ließ der Alt-Vater die Frau Mag. Schmeltzerin und meine Schwe- ſter ruffen, beſtellete ſich bey ihnen ſeinen Tod- ten-Habit, bat ſelbigen aufs eiligſte zu verferti- gen, und neben ſein Bette zu hangen, damit er ihn ſtets vor Augen haben koͤnte; Dieſe beyden wol- ten unter Vergieſſung haͤuffiger Thraͤnen, eben- falls viel Einwendungen machen und um Aufſchub bitten; allein der Alt-Vater ſaate: Erzeiget mir die Liebe, und erfuͤllet meinen Willen, ich ſolte meynen, binnen 2. Tagen koͤnte alles fertig ſeyn. Sie muſten ihm alſo beyde die Haͤnde darauf geben, worauf er wieder anfing einzuſchlummern. Weil man aber verſpuͤrete, daß er es nicht gern hatte, wenn viele Leute um ihn wa- ren, ſo blieben nur allezeit 2. Maͤnner bey ſeinem Bette ſitzen, die uͤbrigen aber gingen in den Ne- ben-Zimmern immer ab und zu. Montags fruͤh kam Herr Mag. Schmeltzer wieder, den Alt-Va- ter zu beſuchen, welcher noch immer im Schlum- mer lag, weßwegen ich zu dieſem Geiſtlichen ſagte: ob es denn auch wohl rathſam ſey, daß man ihn
immer-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0243"n="235"/>
nen, kuͤſſete den Alt-Vater die Hand, und gab zu<lb/>
vernehmen, daß er ſehnlich wuͤnſchte, mit dieſer<lb/>
traurigen Arbeit noch viele Jahre verſchont zu blei-<lb/>
ben, allein, der Alt-Vater ſaate: <hirendition="#fr">Mein Sohn,<lb/>
das viele Reden koͤmmt mir ſauer an, thut<lb/>ſo wohl, erfuͤllet meinen Willen ſo eilig<lb/>
als moͤglich, und gebt mir die Hand darauf.</hi><lb/>
Lademann muſte ihm ſolchem nach verſprechen, das<lb/>
zu thun, was er verlangte, er gab ihm die Hand,<lb/>
und ging darauf mit weinenden Augen zum Zim-<lb/>
mer hinaus. Gleich hernach ließ der Alt-Vater<lb/>
die Frau <hirendition="#aq">Mag.</hi> Schmeltzerin und meine Schwe-<lb/>ſter ruffen, beſtellete ſich bey ihnen ſeinen Tod-<lb/>
ten-Habit, bat ſelbigen aufs eiligſte zu verferti-<lb/>
gen, und neben ſein Bette zu hangen, damit er ihn<lb/>ſtets vor Augen haben koͤnte; Dieſe beyden wol-<lb/>
ten unter Vergieſſung haͤuffiger Thraͤnen, eben-<lb/>
falls viel Einwendungen machen und um Aufſchub<lb/>
bitten; allein der Alt-Vater ſaate: <hirendition="#fr">Erzeiget mir<lb/>
die Liebe, und erfuͤllet meinen Willen, ich<lb/>ſolte meynen, binnen 2. Tagen koͤnte alles<lb/>
fertig ſeyn.</hi> Sie muſten ihm alſo beyde die<lb/>
Haͤnde darauf geben, worauf er wieder anfing<lb/>
einzuſchlummern. Weil man aber verſpuͤrete, daß<lb/>
er es nicht gern hatte, wenn viele Leute um ihn wa-<lb/>
ren, ſo blieben nur allezeit 2. Maͤnner bey ſeinem<lb/>
Bette ſitzen, die uͤbrigen aber gingen in den Ne-<lb/>
ben-Zimmern immer ab und zu. Montags fruͤh<lb/>
kam Herr <hirendition="#aq">Mag.</hi> Schmeltzer wieder, den Alt-Va-<lb/>
ter zu beſuchen, welcher noch immer im Schlum-<lb/>
mer lag, weßwegen ich zu dieſem Geiſtlichen ſagte:<lb/>
ob es denn auch wohl rathſam ſey, daß man ihn<lb/><fwplace="bottom"type="catch">immer-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[235/0243]
nen, kuͤſſete den Alt-Vater die Hand, und gab zu
vernehmen, daß er ſehnlich wuͤnſchte, mit dieſer
traurigen Arbeit noch viele Jahre verſchont zu blei-
ben, allein, der Alt-Vater ſaate: Mein Sohn,
das viele Reden koͤmmt mir ſauer an, thut
ſo wohl, erfuͤllet meinen Willen ſo eilig
als moͤglich, und gebt mir die Hand darauf.
Lademann muſte ihm ſolchem nach verſprechen, das
zu thun, was er verlangte, er gab ihm die Hand,
und ging darauf mit weinenden Augen zum Zim-
mer hinaus. Gleich hernach ließ der Alt-Vater
die Frau Mag. Schmeltzerin und meine Schwe-
ſter ruffen, beſtellete ſich bey ihnen ſeinen Tod-
ten-Habit, bat ſelbigen aufs eiligſte zu verferti-
gen, und neben ſein Bette zu hangen, damit er ihn
ſtets vor Augen haben koͤnte; Dieſe beyden wol-
ten unter Vergieſſung haͤuffiger Thraͤnen, eben-
falls viel Einwendungen machen und um Aufſchub
bitten; allein der Alt-Vater ſaate: Erzeiget mir
die Liebe, und erfuͤllet meinen Willen, ich
ſolte meynen, binnen 2. Tagen koͤnte alles
fertig ſeyn. Sie muſten ihm alſo beyde die
Haͤnde darauf geben, worauf er wieder anfing
einzuſchlummern. Weil man aber verſpuͤrete, daß
er es nicht gern hatte, wenn viele Leute um ihn wa-
ren, ſo blieben nur allezeit 2. Maͤnner bey ſeinem
Bette ſitzen, die uͤbrigen aber gingen in den Ne-
ben-Zimmern immer ab und zu. Montags fruͤh
kam Herr Mag. Schmeltzer wieder, den Alt-Va-
ter zu beſuchen, welcher noch immer im Schlum-
mer lag, weßwegen ich zu dieſem Geiſtlichen ſagte:
ob es denn auch wohl rathſam ſey, daß man ihn
immer-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/243>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.