immerfort in solchen Schlummer liegen liesse? und ob es nicht vielleicht besser sey, wenn man ihn ermun- terte, und von geistlichen Dingen mit ihm redete? So leise ich nun auch dieses sprach, so hörete es doch der Alt-Vater, und gab zur Antwort: Nein, mein Sohn! gönnet mir immer dieses Ver- gnügen, denn ich geniesse solchergestalt würcklich hier auf Erden den Vorschmack der himmlischen Freude, sehe ich schon hier mit meinen irrdischen ob schon verschlosse- nen Augen so viel, was wird nicht droben mit verklärten Augen zu sehen seyn. Herr Mag. Schmeltzer gab darauf, er möchte uns unsere Vorsorge nicht übel auslegen, weil wir befürchteten er möchte uns gantz unverhofft unter den Händen dahin sterben. Nein, gab er zur Antwort, ich werde noch einige ob schon wenige Tage bey euch bleiben, und will es schon etliche Stun- den vorher sagen, wenn meinem Lebens- Lichte das Nahrungs-Oel auf die Neige kömmt; GOtt wird mir ein sanfftes Ende bescheren, und mir die Stunde vorher ver- kündigen, ich muß ja auch erstlich noch den theuren Zehr-Pfennig, nemlich das heilige Abendmahl, mit auf die Reise nehmen, und meine Sünden-Bürde wegwerffen, wenn ich als ein Auserwählter vor GOttes Ange- sicht erscheinen will.
Wir konten alle vor Jammer uns der Thrä- nen nicht enthalten, und da er dieses sahe, sprach er: Schämet euch, daß ihr um eines eitlen
Ver-
immerfort in ſolchen Schlummer liegen lieſſe? und ob es nicht vielleicht beſſer ſey, wenn man ihn ermun- terte, und von geiſtlichen Dingen mit ihm redete? So leiſe ich nun auch dieſes ſprach, ſo hoͤrete es doch der Alt-Vater, und gab zur Antwort: Nein, mein Sohn! goͤnnet mir immer dieſes Ver- gnuͤgen, denn ich genieſſe ſolchergeſtalt wuͤrcklich hier auf Erden den Vorſchmack der himmliſchen Freude, ſehe ich ſchon hier mit meinen irrdiſchen ob ſchon verſchloſſe- nen Augen ſo viel, was wird nicht droben mit verklaͤrten Augen zu ſehen ſeyn. Herr Mag. Schmeltzer gab darauf, er moͤchte uns unſere Vorſorge nicht uͤbel auslegen, weil wir befuͤrchteten er moͤchte uns gantz unverhofft unter den Haͤnden dahin ſterben. Nein, gab er zur Antwort, ich werde noch einige ob ſchon wenige Tage bey euch bleiben, und will es ſchon etliche Stun- den vorher ſagen, wenn meinem Lebens- Lichte das Nahrungs-Oel auf die Neige koͤmmt; GOtt wird mir ein ſanfftes Ende beſcheren, und mir die Stunde vorher ver- kuͤndigen, ich muß ja auch erſtlich noch den theuren Zehr-Pfennig, nemlich das heilige Abendmahl, mit auf die Reiſe nehmen, und meine Suͤnden-Buͤrde wegwerffen, wenn ich als ein Auserwaͤhlter vor GOttes Ange- ſicht erſcheinen will.
Wir konten alle vor Jammer uns der Thraͤ- nen nicht enthalten, und da er dieſes ſahe, ſprach er: Schaͤmet euch, daß ihr um eines eitlen
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immerfort in ſolchen Schlummer liegen lieſſe? und
ob es nicht vielleicht beſſer ſey, wenn man ihn ermun-
terte, und von geiſtlichen Dingen mit ihm redete?
So leiſe ich nun auch dieſes ſprach, ſo hoͤrete es doch
der Alt-Vater, und gab zur Antwort: Nein,
mein Sohn! goͤnnet mir immer dieſes Ver-
gnuͤgen, denn ich genieſſe ſolchergeſtalt
wuͤrcklich hier auf Erden den Vorſchmack
der himmliſchen Freude, ſehe ich ſchon hier
mit meinen irrdiſchen ob ſchon verſchloſſe-
nen Augen ſo viel, was wird nicht droben
mit verklaͤrten Augen zu ſehen ſeyn. Herr
Mag. Schmeltzer gab darauf, er moͤchte uns unſere
Vorſorge nicht uͤbel auslegen, weil wir befuͤrchteten
er moͤchte uns gantz unverhofft unter den Haͤnden
dahin ſterben. Nein, gab er zur Antwort, ich
werde noch einige ob ſchon wenige Tage bey
euch bleiben, und will es ſchon etliche Stun-
den vorher ſagen, wenn meinem Lebens-
Lichte das Nahrungs-Oel auf die Neige
koͤmmt; GOtt wird mir ein ſanfftes Ende
beſcheren, und mir die Stunde vorher ver-
kuͤndigen, ich muß ja auch erſtlich noch den
theuren Zehr-Pfennig, nemlich das heilige
Abendmahl, mit auf die Reiſe nehmen, und
meine Suͤnden-Buͤrde wegwerffen, wenn
ich als ein Auserwaͤhlter vor GOttes Ange-
ſicht erſcheinen will.
Wir konten alle vor Jammer uns der Thraͤ-
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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/244>, abgerufen am 24.11.2024.
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