Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

immerfort in solchen Schlummer liegen liesse? und
ob es nicht vielleicht besser sey, wenn man ihn ermun-
terte, und von geistlichen Dingen mit ihm redete?
So leise ich nun auch dieses sprach, so hörete es doch
der Alt-Vater, und gab zur Antwort: Nein,
mein Sohn! gönnet mir immer dieses Ver-
gnügen, denn ich geniesse solchergestalt
würcklich hier auf Erden den Vorschmack
der himmlischen Freude, sehe ich schon hier
mit meinen irrdischen ob schon verschlosse-
nen Augen so viel, was wird nicht droben
mit verklärten Augen zu sehen seyn.
Herr
Mag. Schmeltzer gab darauf, er möchte uns unsere
Vorsorge nicht übel auslegen, weil wir befürchteten
er möchte uns gantz unverhofft unter den Händen
dahin sterben. Nein, gab er zur Antwort, ich
werde noch einige ob schon wenige Tage bey
euch bleiben, und will es schon etliche Stun-
den vorher sagen, wenn meinem Lebens-
Lichte das Nahrungs-Oel auf die Neige
kömmt; GOtt wird mir ein sanfftes Ende
bescheren, und mir die Stunde vorher ver-
kündigen, ich muß ja auch erstlich noch den
theuren Zehr-Pfennig, nemlich das heilige
Abendmahl, mit auf die Reise nehmen, und
meine Sünden-Bürde wegwerffen, wenn
ich als ein Auserwählter vor GOttes Ange-
sicht erscheinen will.

Wir konten alle vor Jammer uns der Thrä-
nen nicht enthalten, und da er dieses sahe, sprach
er: Schämet euch, daß ihr um eines eitlen

Ver-

immerfort in ſolchen Schlummer liegen lieſſe? und
ob es nicht vielleicht beſſer ſey, wenn man ihn ermun-
terte, und von geiſtlichen Dingen mit ihm redete?
So leiſe ich nun auch dieſes ſprach, ſo hoͤrete es doch
der Alt-Vater, und gab zur Antwort: Nein,
mein Sohn! goͤnnet mir immer dieſes Ver-
gnuͤgen, denn ich genieſſe ſolchergeſtalt
wuͤrcklich hier auf Erden den Vorſchmack
der himmliſchen Freude, ſehe ich ſchon hier
mit meinen irrdiſchen ob ſchon verſchloſſe-
nen Augen ſo viel, was wird nicht droben
mit verklaͤrten Augen zu ſehen ſeyn.
Herr
Mag. Schmeltzer gab darauf, er moͤchte uns unſere
Vorſorge nicht uͤbel auslegen, weil wir befuͤrchteten
er moͤchte uns gantz unverhofft unter den Haͤnden
dahin ſterben. Nein, gab er zur Antwort, ich
werde noch einige ob ſchon wenige Tage bey
euch bleiben, und will es ſchon etliche Stun-
den vorher ſagen, wenn meinem Lebens-
Lichte das Nahrungs-Oel auf die Neige
koͤmmt; GOtt wird mir ein ſanfftes Ende
beſcheren, und mir die Stunde vorher ver-
kuͤndigen, ich muß ja auch erſtlich noch den
theuren Zehr-Pfennig, nemlich das heilige
Abendmahl, mit auf die Reiſe nehmen, und
meine Suͤnden-Buͤrde wegwerffen, wenn
ich als ein Auserwaͤhlter vor GOttes Ange-
ſicht erſcheinen will.

Wir konten alle vor Jammer uns der Thraͤ-
nen nicht enthalten, und da er dieſes ſahe, ſprach
er: Schaͤmet euch, daß ihr um eines eitlen

Ver-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0244" n="236"/>
immerfort in &#x017F;olchen Schlummer liegen lie&#x017F;&#x017F;e? und<lb/>
ob es nicht vielleicht be&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ey, wenn man ihn ermun-<lb/>
terte, und von gei&#x017F;tlichen Dingen mit ihm redete?<lb/>
So lei&#x017F;e ich nun auch die&#x017F;es &#x017F;prach, &#x017F;o ho&#x0364;rete es doch<lb/>
der Alt-Vater, und gab zur Antwort: <hi rendition="#fr">Nein,<lb/>
mein Sohn! go&#x0364;nnet mir immer die&#x017F;es Ver-<lb/>
gnu&#x0364;gen, denn ich genie&#x017F;&#x017F;e &#x017F;olcherge&#x017F;talt<lb/>
wu&#x0364;rcklich hier auf Erden den Vor&#x017F;chmack<lb/>
der himmli&#x017F;chen Freude, &#x017F;ehe ich &#x017F;chon hier<lb/>
mit meinen irrdi&#x017F;chen ob &#x017F;chon ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;e-<lb/>
nen Augen &#x017F;o viel, was wird nicht droben<lb/>
mit verkla&#x0364;rten Augen zu &#x017F;ehen &#x017F;eyn.</hi> Herr<lb/><hi rendition="#aq">Mag.</hi> Schmeltzer gab darauf, er mo&#x0364;chte uns un&#x017F;ere<lb/>
Vor&#x017F;orge nicht u&#x0364;bel auslegen, weil wir befu&#x0364;rchteten<lb/>
er mo&#x0364;chte uns gantz unverhofft unter den Ha&#x0364;nden<lb/>
dahin &#x017F;terben. <hi rendition="#fr">Nein,</hi> gab er zur Antwort, <hi rendition="#fr">ich<lb/>
werde noch einige ob &#x017F;chon wenige Tage bey<lb/>
euch bleiben, und will es &#x017F;chon etliche Stun-<lb/>
den vorher &#x017F;agen, wenn meinem Lebens-<lb/>
Lichte das Nahrungs-Oel auf die Neige<lb/>
ko&#x0364;mmt; GOtt wird mir ein &#x017F;anfftes Ende<lb/>
be&#x017F;cheren, und mir die Stunde vorher ver-<lb/>
ku&#x0364;ndigen, ich muß ja auch er&#x017F;tlich noch den<lb/>
theuren Zehr-Pfennig, nemlich das heilige<lb/>
Abendmahl, mit auf die Rei&#x017F;e nehmen, und<lb/>
meine Su&#x0364;nden-Bu&#x0364;rde wegwerffen, wenn<lb/>
ich als ein Auserwa&#x0364;hlter vor GOttes Ange-<lb/>
&#x017F;icht er&#x017F;cheinen will.</hi></p><lb/>
          <p>Wir konten alle vor Jammer uns der Thra&#x0364;-<lb/>
nen nicht enthalten, und da er die&#x017F;es &#x017F;ahe, &#x017F;prach<lb/>
er: <hi rendition="#fr">Scha&#x0364;met euch, daß ihr um eines eitlen</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Ver-</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[236/0244] immerfort in ſolchen Schlummer liegen lieſſe? und ob es nicht vielleicht beſſer ſey, wenn man ihn ermun- terte, und von geiſtlichen Dingen mit ihm redete? So leiſe ich nun auch dieſes ſprach, ſo hoͤrete es doch der Alt-Vater, und gab zur Antwort: Nein, mein Sohn! goͤnnet mir immer dieſes Ver- gnuͤgen, denn ich genieſſe ſolchergeſtalt wuͤrcklich hier auf Erden den Vorſchmack der himmliſchen Freude, ſehe ich ſchon hier mit meinen irrdiſchen ob ſchon verſchloſſe- nen Augen ſo viel, was wird nicht droben mit verklaͤrten Augen zu ſehen ſeyn. Herr Mag. Schmeltzer gab darauf, er moͤchte uns unſere Vorſorge nicht uͤbel auslegen, weil wir befuͤrchteten er moͤchte uns gantz unverhofft unter den Haͤnden dahin ſterben. Nein, gab er zur Antwort, ich werde noch einige ob ſchon wenige Tage bey euch bleiben, und will es ſchon etliche Stun- den vorher ſagen, wenn meinem Lebens- Lichte das Nahrungs-Oel auf die Neige koͤmmt; GOtt wird mir ein ſanfftes Ende beſcheren, und mir die Stunde vorher ver- kuͤndigen, ich muß ja auch erſtlich noch den theuren Zehr-Pfennig, nemlich das heilige Abendmahl, mit auf die Reiſe nehmen, und meine Suͤnden-Buͤrde wegwerffen, wenn ich als ein Auserwaͤhlter vor GOttes Ange- ſicht erſcheinen will. Wir konten alle vor Jammer uns der Thraͤ- nen nicht enthalten, und da er dieſes ſahe, ſprach er: Schaͤmet euch, daß ihr um eines eitlen Ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/244
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/244>, abgerufen am 24.11.2024.