Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

Stämme nebst den vornehmsten Europäern
allhier vor meinem Bette erscheinen, und
meine Meynung kürtzlich anhören sollen,
welche mein Sohn
Eberhard zu Pappiere
bringen kan. Jnzwischen möchte doch zu
gesehen werden, ob an meinem Sarge und
Sterbe-Kleide gearbeitet würde.

Herr Mag. Schmeltzer versicherte, daß seine Lieb-
ste, meine Schwester und andere mehr das letzte-
re unter Händen hätten, ich aber, um mich ihm
biß an sein Ende gefällig zu erzeigen, ging selbsten
den Berg herab nach Stephans. Raum, und fand,
daß Lademann nebst seinen Leuten so wohl an ei-
nem leichten als an einem andern grossen Sarge,
in welchen der leichte kleinere hinnein geschoben wer-
den solte, arbeitete. Bey Plagern und Mor-
genthalen, den Eisen-Arbeitern, waren die Rin-
cken und beschläge auch bereits bestellet, und, um
nur des Alt-Vaters Willen zu erfüllen, solte der
Sarg Mittwochs Abends fertig und Donnerstags
früh auf der Albertus-Burg seyn. Der Alt-
Vater zeigte über diese Nachricht ein besonderes
Vergnügen, und weil Herr Mag. Schmeltzer die-
sen Tag nicht vou ihm hinweg gegangen war,
fing unser Alt-Vater, indem er sich aus dem ge-
wöhnlichen Schlummer jählings zu ermuntern
schien, auf einmahl recht frisch zu sprechen an:
Wisset ihr, mein Herr Sohn! was ich mir
vor einen Leichen-Text erwähler?
Wie nun
Herr Mag. Schmeltzer hierauf mit Nein! antwor-
tete, fuhr der Alt Vater im Reden fort: Den
gantzen 23sten Psalm: Der Herr ist mein

Hirt,

Staͤmme nebſt den vornehmſten Europaͤern
allhier vor meinem Bette erſcheinen, und
meine Meynung kuͤrtzlich anhoͤren ſollen,
welche mein Sohn
Eberhard zu Pappiere
bringen kan. Jnzwiſchen moͤchte doch zu
geſehen werden, ob an meinem Sarge und
Sterbe-Kleide gearbeitet wuͤrde.

Herr Mag. Schmeltzer verſicherte, daß ſeine Lieb-
ſte, meine Schweſter und andere mehr das letzte-
re unter Haͤnden haͤtten, ich aber, um mich ihm
biß an ſein Ende gefaͤllig zu erzeigen, ging ſelbſten
den Berg herab nach Stephans. Raum, und fand,
daß Lademann nebſt ſeinen Leuten ſo wohl an ei-
nem leichten als an einem andern groſſen Sarge,
in welchen der leichte kleinere hinnein geſchoben wer-
den ſolte, arbeitete. Bey Plagern und Mor-
genthalen, den Eiſen-Arbeitern, waren die Rin-
cken und beſchlaͤge auch bereits beſtellet, und, um
nur des Alt-Vaters Willen zu erfuͤllen, ſolte der
Sarg Mittwochs Abends fertig und Donnerſtags
fruͤh auf der Albertus-Burg ſeyn. Der Alt-
Vater zeigte uͤber dieſe Nachricht ein beſonderes
Vergnuͤgen, und weil Herr Mag. Schmeltzer die-
ſen Tag nicht vou ihm hinweg gegangen war,
fing unſer Alt-Vater, indem er ſich aus dem ge-
woͤhnlichen Schlummer jaͤhlings zu ermuntern
ſchien, auf einmahl recht friſch zu ſprechen an:
Wiſſet ihr, mein Herr Sohn! was ich mir
vor einen Leichen-Text erwaͤhler?
Wie nun
Herr Mag. Schmeltzer hierauf mit Nein! antwor-
tete, fuhr der Alt Vater im Reden fort: Den
gantzen 23ſten Pſalm: Der Herr iſt mein

Hirt,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p>
            <pb facs="#f0246" n="238"/> <hi rendition="#fr">Sta&#x0364;mme neb&#x017F;t den vornehm&#x017F;ten Europa&#x0364;ern<lb/>
allhier vor meinem Bette er&#x017F;cheinen, und<lb/>
meine Meynung ku&#x0364;rtzlich anho&#x0364;ren &#x017F;ollen,<lb/>
welche mein Sohn</hi> <hi rendition="#aq">Eberhard</hi> <hi rendition="#fr">zu Pappiere<lb/>
bringen kan. Jnzwi&#x017F;chen mo&#x0364;chte doch zu<lb/>
ge&#x017F;ehen werden, ob an meinem Sarge und<lb/>
Sterbe-Kleide gearbeitet wu&#x0364;rde.</hi> </p><lb/>
          <p>Herr <hi rendition="#aq">Mag.</hi> Schmeltzer ver&#x017F;icherte, daß &#x017F;eine Lieb-<lb/>
&#x017F;te, meine Schwe&#x017F;ter und andere mehr das letzte-<lb/>
re unter Ha&#x0364;nden ha&#x0364;tten, ich aber, um mich ihm<lb/>
biß an &#x017F;ein Ende gefa&#x0364;llig zu erzeigen, ging &#x017F;elb&#x017F;ten<lb/>
den Berg herab nach <hi rendition="#aq">Stephans.</hi> Raum, und fand,<lb/>
daß Lademann neb&#x017F;t &#x017F;einen Leuten &#x017F;o wohl an ei-<lb/>
nem leichten als an einem andern gro&#x017F;&#x017F;en Sarge,<lb/>
in welchen der leichte kleinere hinnein ge&#x017F;choben wer-<lb/>
den &#x017F;olte, arbeitete. Bey Plagern und Mor-<lb/>
genthalen, den Ei&#x017F;en-Arbeitern, waren die Rin-<lb/>
cken und be&#x017F;chla&#x0364;ge auch bereits be&#x017F;tellet, und, um<lb/>
nur des Alt-Vaters Willen zu erfu&#x0364;llen, &#x017F;olte der<lb/>
Sarg Mittwochs Abends fertig und Donner&#x017F;tags<lb/>
fru&#x0364;h auf der Albertus-Burg &#x017F;eyn. Der Alt-<lb/>
Vater zeigte u&#x0364;ber die&#x017F;e Nachricht ein be&#x017F;onderes<lb/>
Vergnu&#x0364;gen, und weil Herr <hi rendition="#aq">Mag.</hi> Schmeltzer die-<lb/>
&#x017F;en Tag nicht vou ihm hinweg gegangen war,<lb/>
fing un&#x017F;er Alt-Vater, indem er &#x017F;ich aus dem ge-<lb/>
wo&#x0364;hnlichen Schlummer ja&#x0364;hlings zu ermuntern<lb/>
&#x017F;chien, auf einmahl recht fri&#x017F;ch zu &#x017F;prechen an:<lb/><hi rendition="#fr">Wi&#x017F;&#x017F;et ihr, mein Herr Sohn! was ich mir<lb/>
vor einen Leichen-Text erwa&#x0364;hler?</hi> Wie nun<lb/>
Herr <hi rendition="#aq">Mag.</hi> Schmeltzer hierauf mit Nein! antwor-<lb/>
tete, fuhr der Alt Vater im Reden fort: <hi rendition="#fr">Den<lb/>
gantzen 23&#x017F;ten P&#x017F;alm: Der Herr i&#x017F;t mein</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Hirt,</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[238/0246] Staͤmme nebſt den vornehmſten Europaͤern allhier vor meinem Bette erſcheinen, und meine Meynung kuͤrtzlich anhoͤren ſollen, welche mein Sohn Eberhard zu Pappiere bringen kan. Jnzwiſchen moͤchte doch zu geſehen werden, ob an meinem Sarge und Sterbe-Kleide gearbeitet wuͤrde. Herr Mag. Schmeltzer verſicherte, daß ſeine Lieb- ſte, meine Schweſter und andere mehr das letzte- re unter Haͤnden haͤtten, ich aber, um mich ihm biß an ſein Ende gefaͤllig zu erzeigen, ging ſelbſten den Berg herab nach Stephans. Raum, und fand, daß Lademann nebſt ſeinen Leuten ſo wohl an ei- nem leichten als an einem andern groſſen Sarge, in welchen der leichte kleinere hinnein geſchoben wer- den ſolte, arbeitete. Bey Plagern und Mor- genthalen, den Eiſen-Arbeitern, waren die Rin- cken und beſchlaͤge auch bereits beſtellet, und, um nur des Alt-Vaters Willen zu erfuͤllen, ſolte der Sarg Mittwochs Abends fertig und Donnerſtags fruͤh auf der Albertus-Burg ſeyn. Der Alt- Vater zeigte uͤber dieſe Nachricht ein beſonderes Vergnuͤgen, und weil Herr Mag. Schmeltzer die- ſen Tag nicht vou ihm hinweg gegangen war, fing unſer Alt-Vater, indem er ſich aus dem ge- woͤhnlichen Schlummer jaͤhlings zu ermuntern ſchien, auf einmahl recht friſch zu ſprechen an: Wiſſet ihr, mein Herr Sohn! was ich mir vor einen Leichen-Text erwaͤhler? Wie nun Herr Mag. Schmeltzer hierauf mit Nein! antwor- tete, fuhr der Alt Vater im Reden fort: Den gantzen 23ſten Pſalm: Der Herr iſt mein Hirt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/246
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/246>, abgerufen am 24.11.2024.