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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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Stück eines zerbrochenen Schiffs, daß ich, ohnge-
acht der Erkältung im Wasser, dennoch fühlete,
wie mir das heisse Blut im Rücken herunter lieff,
jedoch dieser Stoß, welcher mich vollends hinrich-
ten können, dienete mir vielleicht zur Ermunterung,
denn als ich meine Arme ausreckt, kriegte ich so
gleich von ohngefähr einen Eisernen Rincken zu fas-
sen, an welchem ich mich vest anhielt, und also in
der wilden See mit diesem Stücke fortgetrieben
wurde, biß der helle Tag anbrach, da sahe ich nun,
daß dieses ein sehr grosses und breites Schiffs-
Stücke war, ersahe auch die Gelegenheit, mich
darauf zu schwingen, und auf einer Ecke desselben
sitzen zu bleiben, brauchte anbey die Vorsicht, daß
ich einen breiten Saum von meinen Unter-Kleidern
abriß, ein Seil daraus drehete, und selbiges an
meinem Arme so wohl als an den eisernen Rincken
bevestigte, damit, wenn ich ja allenfalls wieder her-
unter geworffen würde, ich mir dennoch wieder
hinauf helffen könte; allein, die See wurde selbi-
gen Tages völlig stille, und ich wurde von einem
sanfften Winde fort-aber weit von den Jnsuln des
grünen Vorgebürges hinweg getrieben, so, daß ich
dieselben noch vor Abends aus meinen Augen ver-
lohr. Es brach abermahls eine dunckle Nacht ein,
doch war See und alles ungemein stille, so, daß
mich endlich mein Fahrzeug in einem sanfften
Schlaff wiegte, dessen ich mich auch mit Fleiß nicht
erwehren wolte, weiln nur wünschte, in selbigen oh-
ne Marter mein Leben zu endigen, indem mir nicht
allein das Wasser den Tod drohete, sondern sich auch
in meinen Schubsäcken kaum auf 2. Tage Nah-

rungs-
(R 2)

Stuͤck eines zerbrochenen Schiffs, daß ich, ohnge-
acht der Erkaͤltung im Waſſer, dennoch fuͤhlete,
wie mir das heiſſe Blut im Ruͤcken herunter lieff,
jedoch dieſer Stoß, welcher mich vollends hinrich-
ten koͤnnen, dienete mir vielleicht zur Ermunterung,
denn als ich meine Arme ausreckt, kriegte ich ſo
gleich von ohngefaͤhr einen Eiſernen Rincken zu faſ-
ſen, an welchem ich mich veſt anhielt, und alſo in
der wilden See mit dieſem Stuͤcke fortgetrieben
wurde, biß der helle Tag anbrach, da ſahe ich nun,
daß dieſes ein ſehr groſſes und breites Schiffs-
Stuͤcke war, erſahe auch die Gelegenheit, mich
darauf zu ſchwingen, und auf einer Ecke deſſelben
ſitzen zu bleiben, brauchte anbey die Vorſicht, daß
ich einen breiten Saum von meinen Unter-Kleidern
abriß, ein Seil daraus drehete, und ſelbiges an
meinem Arme ſo wohl als an den eiſernen Rincken
beveſtigte, damit, wenn ich ja allenfalls wieder her-
unter geworffen wuͤrde, ich mir dennoch wieder
hinauf helffen koͤnte; allein, die See wurde ſelbi-
gen Tages voͤllig ſtille, und ich wurde von einem
ſanfften Winde fort-aber weit von den Jnſuln des
gruͤnen Vorgebuͤrges hinweg getrieben, ſo, daß ich
dieſelben noch vor Abends aus meinen Augen ver-
lohr. Es brach abermahls eine dunckle Nacht ein,
doch war See und alles ungemein ſtille, ſo, daß
mich endlich mein Fahrzeug in einem ſanfften
Schlaff wiegte, deſſen ich mich auch mit Fleiß nicht
erwehren wolte, weiln nur wuͤnſchte, in ſelbigen oh-
ne Marter mein Leben zu endigen, indem mir nicht
allein das Waſſer den Tod drohete, ſondern ſich auch
in meinen Schubſaͤcken kaum auf 2. Tage Nah-

rungs-
(R 2)
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[259/0267] Stuͤck eines zerbrochenen Schiffs, daß ich, ohnge- acht der Erkaͤltung im Waſſer, dennoch fuͤhlete, wie mir das heiſſe Blut im Ruͤcken herunter lieff, jedoch dieſer Stoß, welcher mich vollends hinrich- ten koͤnnen, dienete mir vielleicht zur Ermunterung, denn als ich meine Arme ausreckt, kriegte ich ſo gleich von ohngefaͤhr einen Eiſernen Rincken zu faſ- ſen, an welchem ich mich veſt anhielt, und alſo in der wilden See mit dieſem Stuͤcke fortgetrieben wurde, biß der helle Tag anbrach, da ſahe ich nun, daß dieſes ein ſehr groſſes und breites Schiffs- Stuͤcke war, erſahe auch die Gelegenheit, mich darauf zu ſchwingen, und auf einer Ecke deſſelben ſitzen zu bleiben, brauchte anbey die Vorſicht, daß ich einen breiten Saum von meinen Unter-Kleidern abriß, ein Seil daraus drehete, und ſelbiges an meinem Arme ſo wohl als an den eiſernen Rincken beveſtigte, damit, wenn ich ja allenfalls wieder her- unter geworffen wuͤrde, ich mir dennoch wieder hinauf helffen koͤnte; allein, die See wurde ſelbi- gen Tages voͤllig ſtille, und ich wurde von einem ſanfften Winde fort-aber weit von den Jnſuln des gruͤnen Vorgebuͤrges hinweg getrieben, ſo, daß ich dieſelben noch vor Abends aus meinen Augen ver- lohr. Es brach abermahls eine dunckle Nacht ein, doch war See und alles ungemein ſtille, ſo, daß mich endlich mein Fahrzeug in einem ſanfften Schlaff wiegte, deſſen ich mich auch mit Fleiß nicht erwehren wolte, weiln nur wuͤnſchte, in ſelbigen oh- ne Marter mein Leben zu endigen, indem mir nicht allein das Waſſer den Tod drohete, ſondern ſich auch in meinen Schubſaͤcken kaum auf 2. Tage Nah- rungs- (R 2)

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/267>, abgerufen am 17.06.2024.