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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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zusetzen, kam nach etlichen Wochen zurück und traf
mich in einem übeln Zustande an, denn weil mein
Sohn in alle Welt gegangen war, und ich fast kei-
ne Hoffnung schöpfen konte, ihn Zeit Lebens wieder
zu sehen, meine Tochter aber aus Schweden mir die
allerlamentabelsten Briefe schrieb, und zu meinem
grösten Leydwesen endlich meldete, daß ihr nunmeh-
ro unmöglich fiele, den sonst ohnedem nicht wohl-
gestalten Peterson zu heyrathen, nachdem er mit ei-
nem gewissen Edelmanne in Händel gerathen, wel-
cher ihm nicht nur viele starcke Blessuren im Gesicht
und am Leibe angebracht, sondern auch fast das gantze
Untermaul hinweg gehauen hätte; wurde ich vor
grosser Betrübniß gantz melancholisch und wuste mir
weder zu rathen noch zu helffen, verlangete aber
beständig meine eintzige Tochter zu sehen, weßwe-
gen Herr H. W. und Herr O. Anstalten machten und
mich wieder nach Schweden überführen liessen,
da immittelst meiner seel. Frauen Bruders Sohn,
als ein sehr geschickter Handels-Diener meine neu
errichtete Handlung fortsetzen solte. So bald ich
in Stockholm angelanget, fand ich des Petersons
Unglück mehr als wahr zu seyn, er traf wenig Ta-
ge hernach bey uns ein, und ich entsetztemich selbst, ihn
in solcher Gestalt zu erblicken, allein dem ohngeacht
wolte er durchaus von meiner Tochter nicht ablas-
sen, die Baase hatte er durch Geschencke auch der-
gestalt auf seine Seite gebracht, daß diese ihm in
allen Stücken das Wort redete und so gar die em-
pfindlichen Worte gebrauchte: Da meine Sachen
so stünden, müste sich die Tochter nicht wei-
gern in einen sauren Apfel zu beissen.
Jm Ge-

gen-

zuſetzen, kam nach etlichen Wochen zuruͤck und traf
mich in einem uͤbeln Zuſtande an, denn weil mein
Sohn in alle Welt gegangen war, und ich faſt kei-
ne Hoffnung ſchoͤpfen konte, ihn Zeit Lebens wieder
zu ſehen, meine Tochter aber aus Schweden mir die
allerlamentabelſten Briefe ſchrieb, und zu meinem
groͤſten Leydweſen endlich meldete, daß ihr nunmeh-
ro unmoͤglich fiele, den ſonſt ohnedem nicht wohl-
geſtalten Peterſon zu heyrathen, nachdem er mit ei-
nem gewiſſen Edelmanne in Haͤndel gerathen, wel-
cher ihm nicht nur viele ſtarcke Bleſſuren im Geſicht
und am Leibe angebracht, ſondeꝛn auch faſt das gantze
Untermaul hinweg gehauen haͤtte; wurde ich vor
groſſer Betruͤbniß gantz melancholiſch und wuſte mir
weder zu rathen noch zu helffen, verlangete aber
beſtaͤndig meine eintzige Tochter zu ſehen, weßwe-
gen Herr H. W. und Herr O. Anſtalten machten und
mich wieder nach Schweden uͤberfuͤhren lieſſen,
da immittelſt meiner ſeel. Frauen Bruders Sohn,
als ein ſehr geſchickter Handels-Diener meine neu
errichtete Handlung fortſetzen ſolte. So bald ich
in Stockholm angelanget, fand ich des Peterſons
Ungluͤck mehr als wahr zu ſeyn, er traf wenig Ta-
ge hernach bey uns ein, und ich entſetztemich ſelbſt, ihn
in ſolcher Geſtalt zu erblicken, allein dem ohngeacht
wolte er durchaus von meiner Tochter nicht ablaſ-
ſen, die Baaſe hatte er durch Geſchencke auch der-
geſtalt auf ſeine Seite gebracht, daß dieſe ihm in
allen Stuͤcken das Wort redete und ſo gar die em-
pfindlichen Worte gebrauchte: Da meine Sachen
ſo ſtuͤnden, muͤſte ſich die Tochter nicht wei-
gern in einen ſauren Apfel zu beiſſen.
Jm Ge-

gen-
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[30/0038] zuſetzen, kam nach etlichen Wochen zuruͤck und traf mich in einem uͤbeln Zuſtande an, denn weil mein Sohn in alle Welt gegangen war, und ich faſt kei- ne Hoffnung ſchoͤpfen konte, ihn Zeit Lebens wieder zu ſehen, meine Tochter aber aus Schweden mir die allerlamentabelſten Briefe ſchrieb, und zu meinem groͤſten Leydweſen endlich meldete, daß ihr nunmeh- ro unmoͤglich fiele, den ſonſt ohnedem nicht wohl- geſtalten Peterſon zu heyrathen, nachdem er mit ei- nem gewiſſen Edelmanne in Haͤndel gerathen, wel- cher ihm nicht nur viele ſtarcke Bleſſuren im Geſicht und am Leibe angebracht, ſondeꝛn auch faſt das gantze Untermaul hinweg gehauen haͤtte; wurde ich vor groſſer Betruͤbniß gantz melancholiſch und wuſte mir weder zu rathen noch zu helffen, verlangete aber beſtaͤndig meine eintzige Tochter zu ſehen, weßwe- gen Herr H. W. und Herr O. Anſtalten machten und mich wieder nach Schweden uͤberfuͤhren lieſſen, da immittelſt meiner ſeel. Frauen Bruders Sohn, als ein ſehr geſchickter Handels-Diener meine neu errichtete Handlung fortſetzen ſolte. So bald ich in Stockholm angelanget, fand ich des Peterſons Ungluͤck mehr als wahr zu ſeyn, er traf wenig Ta- ge hernach bey uns ein, und ich entſetztemich ſelbſt, ihn in ſolcher Geſtalt zu erblicken, allein dem ohngeacht wolte er durchaus von meiner Tochter nicht ablaſ- ſen, die Baaſe hatte er durch Geſchencke auch der- geſtalt auf ſeine Seite gebracht, daß dieſe ihm in allen Stuͤcken das Wort redete und ſo gar die em- pfindlichen Worte gebrauchte: Da meine Sachen ſo ſtuͤnden, muͤſte ſich die Tochter nicht wei- gern in einen ſauren Apfel zu beiſſen. Jm Ge- gen-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/38>, abgerufen am 21.11.2024.