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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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nur in den Garten, sie wird bald auch hinein"
kommen." Jch gab dem Knaben ein Stück
Geld, und bath, er solte mir nur sagen, wo sie
wäre, ich wolte ihn nicht verrathen. Hierauf
eröffnete er mir in kindischen und einfältigen Ver-
trauen, daß sie sich mit seines Herrn Vaters
Schreiber, oben in dessen Cammer geschlichen und
verschlossen hätte. Das war mir genung; dem-
nach schickte ich den Knaben fort zum Zucker-
Becker, ich aber schlich, noch ehe die Köchin wie-
der kam, gantz leise, ohne daß ich eine Maus ver-
stöhren mögen, hinauf vor des Schreibers Cam-
mer, weil ich im gantzen Hause schon ziemlich Be-
scheid wuste. Zu meinem Glücke war ein
groffes Taffel-Blat in der Ecke aufgelähnet, hin-
ter welches ich mich steckte, und weil die Cam-
mer nur mit Bretern verschlagen war, alles
sehr genau hören konte, was darinnen vorging.
An dem vielfältigen Seufzen, Stöhnen, Aechtzen
und Rasseln des Bettes, konte man leicht abneh-
men, daß ein paar Persohnen mit einander
kämpfften, endlich wurde es etwas stiller, indem
beyde verschnaubten, doch bald darauf hörete ich,
unter offt wiederholten Klatschen der Küsse, sol-
gendes gantz leise Gespräch: Er, der Schreiber:
Ach! mein allerliebstes Ließgen, ich dencke immer, es
wird nun die längste Zeit mit unserer Liebe gewähret
haben, wenn dich aber nun der Cammer-Diener
Horn von mir gerissen hat, werden dir seine Ca-
ress
en weit besser schmecken, und du wirst gar nicht
mehr daran gedencken, daß ich nun bald drittehalb

Jahr
(E e 5)

nur in den Garten, ſie wird bald auch hinein„
kommen.‟ Jch gab dem Knaben ein Stuͤck
Geld, und bath, er ſolte mir nur ſagen, wo ſie
waͤre, ich wolte ihn nicht verrathen. Hierauf
eroͤffnete er mir in kindiſchen und einfaͤltigen Ver-
trauen, daß ſie ſich mit ſeines Herrn Vaters
Schreiber, oben in deſſen Cammer geſchlichen und
verſchloſſen haͤtte. Das war mir genung; dem-
nach ſchickte ich den Knaben fort zum Zucker-
Becker, ich aber ſchlich, noch ehe die Koͤchin wie-
der kam, gantz leiſe, ohne daß ich eine Maus ver-
ſtoͤhren moͤgen, hinauf vor des Schreibers Cam-
mer, weil ich im gantzen Hauſe ſchon ziemlich Be-
ſcheid wuſte. Zu meinem Gluͤcke war ein
groffes Taffel-Blat in der Ecke aufgelaͤhnet, hin-
ter welches ich mich ſteckte, und weil die Cam-
mer nur mit Bretern verſchlagen war, alles
ſehr genau hoͤren konte, was darinnen vorging.
An dem vielfaͤltigen Seufzen, Stoͤhnen, Aechtzen
und Raſſeln des Bettes, konte man leicht abneh-
men, daß ein paar Perſohnen mit einander
kaͤmpfften, endlich wurde es etwas ſtiller, indem
beyde verſchnaubten, doch bald darauf hoͤrete ich,
unter offt wiederholten Klatſchen der Kuͤſſe, ſol-
gendes gantz leiſe Geſpraͤch: Er, der Schreiber:
Ach! mein allerliebſtes Ließgen, ich dencke immer, es
wird nun die laͤngſte Zeit mit unſerer Liebe gewaͤhret
haben, wenn dich aber nun der Cammer-Diener
Horn von mir geriſſen hat, werden dir ſeine Ca-
reſſ
en weit beſſer ſchmecken, und du wirſt gar nicht
mehr daran gedencken, daß ich nun bald drittehalb

Jahr
(E e 5)
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[441/0449] nur in den Garten, ſie wird bald auch hinein„ kommen.‟ Jch gab dem Knaben ein Stuͤck Geld, und bath, er ſolte mir nur ſagen, wo ſie waͤre, ich wolte ihn nicht verrathen. Hierauf eroͤffnete er mir in kindiſchen und einfaͤltigen Ver- trauen, daß ſie ſich mit ſeines Herrn Vaters Schreiber, oben in deſſen Cammer geſchlichen und verſchloſſen haͤtte. Das war mir genung; dem- nach ſchickte ich den Knaben fort zum Zucker- Becker, ich aber ſchlich, noch ehe die Koͤchin wie- der kam, gantz leiſe, ohne daß ich eine Maus ver- ſtoͤhren moͤgen, hinauf vor des Schreibers Cam- mer, weil ich im gantzen Hauſe ſchon ziemlich Be- ſcheid wuſte. Zu meinem Gluͤcke war ein groffes Taffel-Blat in der Ecke aufgelaͤhnet, hin- ter welches ich mich ſteckte, und weil die Cam- mer nur mit Bretern verſchlagen war, alles ſehr genau hoͤren konte, was darinnen vorging. An dem vielfaͤltigen Seufzen, Stoͤhnen, Aechtzen und Raſſeln des Bettes, konte man leicht abneh- men, daß ein paar Perſohnen mit einander kaͤmpfften, endlich wurde es etwas ſtiller, indem beyde verſchnaubten, doch bald darauf hoͤrete ich, unter offt wiederholten Klatſchen der Kuͤſſe, ſol- gendes gantz leiſe Geſpraͤch: Er, der Schreiber: Ach! mein allerliebſtes Ließgen, ich dencke immer, es wird nun die laͤngſte Zeit mit unſerer Liebe gewaͤhret haben, wenn dich aber nun der Cammer-Diener Horn von mir geriſſen hat, werden dir ſeine Ca- reſſen weit beſſer ſchmecken, und du wirſt gar nicht mehr daran gedencken, daß ich nun bald drittehalb Jahr (E e 5)

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/449>, abgerufen am 22.11.2024.