"bracht hat, vom Aufgang, vom Nieder- "gang, von Mitternacht und vom Meer. "Die irre giengen in der Wüsten, in un- "gebähntem Wege, und funden keine Stadt, "da sie wohnen konten. Hungerig und dur- "stig, und ihre Seele verschmachtet. Und "sie zum HErrn rieffen in ihrer Noth, und "er sie errettete aus ihren Aengsten. Und "führete sie einen richtigen Weg, daß sie "giengen zur Stadt, da sie wohnen kon- "ten. Die sollen dem HErrn dancken um "seine Güte und um seine Wunder, die er an den "Menschen-Kindern thut. Daß er sättiget die "durstige Seele, und füllet die hungrige Seele "mit Gutem.
So wohl als dieser Text ausgesucht, so vortreff- lich war dessen Explication und Application nicht nur auf uns Einkömmlinge, sondern auch auf die eingebohrnen Felsenburger. Jch glaube, ein jeder hätte gern 3. oder mehr Stunden zugehö- ret, allein, Herr Mag. Schmeltzer hatte sich ange- wöhnet, die Wochen-Predigten nicht über eine Stunde zu halten. Mein Vater weinete fast die gantze Predigt über, und sagte mir ins Ohr: Nun mercke ich erstlich, daß ich bißher kein rechter Chri- ste gewesen bin, sondern mein Hertz mehr an die Erde, als an den Himmel gehangen habe. Nach geendigten GOttes-Dienste kam mir van Blac unten an der Treppe entgegen, und sagte: O GOtt! was war das vor eine treffliche Predigt, ich habe mich zwar bißhero zur Reformirten Reli- gion bekennet, muß aber gestehen, daß ich seit
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(D 5)
„bracht hat, vom Aufgang, vom Nieder- „gang, von Mitternacht und vom Meer. „Die irre giengen in der Wuͤſten, in un- „gebaͤhntem Wege, und funden keine Stadt, „da ſie wohnen konten. Hungerig und dur- „ſtig, und ihre Seele verſchmachtet. Und „ſie zum HErrn rieffen in ihrer Noth, und „er ſie errettete aus ihren Aengſten. Und „fuͤhrete ſie einen richtigen Weg, daß ſie „giengen zur Stadt, da ſie wohnen kon- „ten. Die ſollen dem HErrn dancken um „ſeine Guͤte und um ſeine Wunder, die er an den „Menſchen-Kindern thut. Daß er ſaͤttiget die „durſtige Seele, und fuͤllet die hungrige Seele „mit Gutem.
So wohl als dieſer Text ausgeſucht, ſo vortreff- lich war deſſen Explication und Application nicht nur auf uns Einkoͤmmlinge, ſondern auch auf die eingebohrnen Felſenburger. Jch glaube, ein jeder haͤtte gern 3. oder mehr Stunden zugehoͤ- ret, allein, Herr Mag. Schmeltzer hatte ſich ange- woͤhnet, die Wochen-Predigten nicht uͤber eine Stunde zu halten. Mein Vater weinete faſt die gantze Predigt uͤber, und ſagte mir ins Ohr: Nun mercke ich erſtlich, daß ich bißher kein rechter Chri- ſte geweſen bin, ſondern mein Hertz mehr an die Erde, als an den Himmel gehangen habe. Nach geendigten GOttes-Dienſte kam mir van Blac unten an der Treppe entgegen, und ſagte: O GOtt! was war das vor eine treffliche Predigt, ich habe mich zwar bißhero zur Reformirten Reli- gion bekennet, muß aber geſtehen, daß ich ſeit
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„bracht hat, vom Aufgang, vom Nieder-
„gang, von Mitternacht und vom Meer.
„Die irre giengen in der Wuͤſten, in un-
„gebaͤhntem Wege, und funden keine Stadt,
„da ſie wohnen konten. Hungerig und dur-
„ſtig, und ihre Seele verſchmachtet. Und
„ſie zum HErrn rieffen in ihrer Noth, und
„er ſie errettete aus ihren Aengſten. Und
„fuͤhrete ſie einen richtigen Weg, daß ſie
„giengen zur Stadt, da ſie wohnen kon-
„ten. Die ſollen dem HErrn dancken um
„ſeine Guͤte und um ſeine Wunder, die er an den
„Menſchen-Kindern thut. Daß er ſaͤttiget die
„durſtige Seele, und fuͤllet die hungrige Seele
„mit Gutem.
So wohl als dieſer Text ausgeſucht, ſo vortreff-
lich war deſſen Explication und Application
nicht nur auf uns Einkoͤmmlinge, ſondern auch
auf die eingebohrnen Felſenburger. Jch glaube,
ein jeder haͤtte gern 3. oder mehr Stunden zugehoͤ-
ret, allein, Herr Mag. Schmeltzer hatte ſich ange-
woͤhnet, die Wochen-Predigten nicht uͤber eine
Stunde zu halten. Mein Vater weinete faſt die
gantze Predigt uͤber, und ſagte mir ins Ohr: Nun
mercke ich erſtlich, daß ich bißher kein rechter Chri-
ſte geweſen bin, ſondern mein Hertz mehr an die
Erde, als an den Himmel gehangen habe. Nach
geendigten GOttes-Dienſte kam mir van Blac
unten an der Treppe entgegen, und ſagte: O
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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/65>, abgerufen am 21.11.2024.
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