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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

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blicken; Allein er kam, da wir eben damahls seiner
am wenigsten gedachten, einstmahls in der Mitter-
nachts-Stunde auf einer Post-Chaise gefahren,
gab ein Zeichen mit pfeiffen von sich, und rief, daß
man ihm aufmachen solte. Wie wir nun seine Stim-
me wohl kannten, wurde ihm so gleich aufgemacht, da
wir denn höreten, daß mehr als eine Person die Stie-
gen herauf gestolpert kamen, weßwegen denn meine
Mutter so gleich in jede Hand einen Leuchter mit ei-
nem grossen Wachs-Lichte nahm, gegen die Thür des
Zimmers zugieng, um selbige zu eröffnen, und zu se-
hen, was auf dem Vor-Saale passirte. Jch, die ich
gleichfalls ein Licht in jede Hand genommen, folgte
ihr auf dem Fusse nach, und erblickte meinen Vater
in Lebens-Grösse, auch in seiner gewöhnlichen Klei-
dung, bemerckte aber anbey gantz klar und deut-
lich, daß er einen blossen Degen mitten in der Brust
stecken hatte, dessen Gefässe vorne auf der Hertz-Gru-
be fast Spannenlang heraus ragete, ingleichen be-
merckte ich, daß das Blut sehr starck aus der Brust
und am Leibe hinunter floß. Zu verwundern ist es
demnach, daß ich vor Schrecken nicht so gleich augen-
blicklich zu Boden gesuncken bin, weiln mir noch
auser dem die hinter ihm stehenden 2. langen, weis-
sen Geister, oder Gespenster, die einen grossen schwar-
tzen Reise-Couffre zwischen sich trugen, einen er-
staunlichen Anblick verursachten. So wahr der
Himmel über mir lebt und schwebt, ich kan nicht wis-
sen, woher ich in selbiger Stunde alle Hertzhafftig-
keit muß herbekommen haben, und glaube dieser-
wegen vollkommen, daß mich ein Engel GOttes
recht übernatürlicher Weise muß gestärckt haben,

denn

blicken; Allein er kam, da wir eben damahls ſeiner
am wenigſten gedachten, einſtmahls in der Mitter-
nachts-Stunde auf einer Poſt-Chaiſe gefahren,
gab ein Zeichen mit pfeiffen von ſich, und rief, daß
man ihm aufmachen ſolte. Wie wir nun ſeine Stim-
me wohl kañten, wurde ihm ſo gleich aufgemacht, da
wir denn hoͤreten, daß mehr als eine Perſon die Stie-
gen herauf geſtolpert kamen, weßwegen denn meine
Mutter ſo gleich in jede Hand einen Leuchter mit ei-
nem groſſen Wachs-Lichte nahm, gegen die Thuͤr des
Zimmers zugieng, um ſelbige zu eroͤffnen, und zu ſe-
hen, was auf dem Vor-Saale paſſirte. Jch, die ich
gleichfalls ein Licht in jede Hand genommen, folgte
ihr auf dem Fuſſe nach, und erblickte meinen Vater
in Lebens-Groͤſſe, auch in ſeiner gewoͤhnlichen Klei-
dung, bemerckte aber anbey gantz klar und deut-
lich, daß er einen bloſſen Degen mitten in der Bruſt
ſtecken hatte, deſſen Gefaͤſſe vorne auf der Hertz-Gru-
be faſt Spannenlang heraus ragete, ingleichen be-
merckte ich, daß das Blut ſehr ſtarck aus der Bruſt
und am Leibe hinunter floß. Zu verwundern iſt es
demnach, daß ich vor Schrecken nicht ſo gleich augen-
blicklich zu Boden geſuncken bin, weiln mir noch
auſer dem die hinter ihm ſtehenden 2. langen, weiſ-
ſen Geiſter, oder Geſpenſter, die einen groſſen ſchwar-
tzen Reiſe-Couffre zwiſchen ſich trugen, einen er-
ſtaunlichen Anblick verurſachten. So wahr der
Himmel uͤber mir lebt und ſchwebt, ich kan nicht wiſ-
ſen, woher ich in ſelbiger Stunde alle Hertzhafftig-
keit muß herbekommen haben, und glaube dieſer-
wegen vollkommen, daß mich ein Engel GOttes
recht uͤbernatuͤrlicher Weiſe muß geſtaͤrckt haben,

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[212/0222] blicken; Allein er kam, da wir eben damahls ſeiner am wenigſten gedachten, einſtmahls in der Mitter- nachts-Stunde auf einer Poſt-Chaiſe gefahren, gab ein Zeichen mit pfeiffen von ſich, und rief, daß man ihm aufmachen ſolte. Wie wir nun ſeine Stim- me wohl kañten, wurde ihm ſo gleich aufgemacht, da wir denn hoͤreten, daß mehr als eine Perſon die Stie- gen herauf geſtolpert kamen, weßwegen denn meine Mutter ſo gleich in jede Hand einen Leuchter mit ei- nem groſſen Wachs-Lichte nahm, gegen die Thuͤr des Zimmers zugieng, um ſelbige zu eroͤffnen, und zu ſe- hen, was auf dem Vor-Saale paſſirte. Jch, die ich gleichfalls ein Licht in jede Hand genommen, folgte ihr auf dem Fuſſe nach, und erblickte meinen Vater in Lebens-Groͤſſe, auch in ſeiner gewoͤhnlichen Klei- dung, bemerckte aber anbey gantz klar und deut- lich, daß er einen bloſſen Degen mitten in der Bruſt ſtecken hatte, deſſen Gefaͤſſe vorne auf der Hertz-Gru- be faſt Spannenlang heraus ragete, ingleichen be- merckte ich, daß das Blut ſehr ſtarck aus der Bruſt und am Leibe hinunter floß. Zu verwundern iſt es demnach, daß ich vor Schrecken nicht ſo gleich augen- blicklich zu Boden geſuncken bin, weiln mir noch auſer dem die hinter ihm ſtehenden 2. langen, weiſ- ſen Geiſter, oder Geſpenſter, die einen groſſen ſchwar- tzen Reiſe-Couffre zwiſchen ſich trugen, einen er- ſtaunlichen Anblick verurſachten. So wahr der Himmel uͤber mir lebt und ſchwebt, ich kan nicht wiſ- ſen, woher ich in ſelbiger Stunde alle Hertzhafftig- keit muß herbekommen haben, und glaube dieſer- wegen vollkommen, daß mich ein Engel GOttes recht uͤbernatuͤrlicher Weiſe muß geſtaͤrckt haben, denn

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/222>, abgerufen am 21.11.2024.