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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

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denn meine Mutter hatte kaum meinen Vater oder
dessen Gespenst in die Augen gefasset gehabt, als sie,
wie sie sich nachhero wohl zu besinnen wuste, augen-
blicklich wie ein Meel-Sack umgesuncken war. Ja,
was noch mehr? ich fassete mir so gar ein Hertze, mei-
nen Vater anzureden, und mich in ein kurtz Ge-
spräch mit ihm einzulassen; allein, indem ich die
Worte auf der Zunge hatte, kam er mir mit Reden
zuvor, und sagte gegen uns beyde: Nun habt
ihr, nach eurem Wunsche, mich noch einmahl
gesehen in dieser Welt, denn ich bin bereits
an einem andern Orte, als in der zeitlichen
Welt. Nehmet ohne Bedencken, was vor
euch allhier auf dem Saale stehen bleibt; ge-
dencket meiner im Besten, und lebet wohl!

Unter diesen letzten Worten löscheten alle unse-
re Lichter aus, auch so gar die, so ordentlicher Wei-
se auf dem Saale zu brennen pflegten, jedoch be-
merckten wir zu gleicher Zeit, daß das gantze Ge-
sichte oder Gauckelspiel des Satans eben so ge-
schwind und hurtig verschwand, als man ein Licht
oder zwey auszublasen, und dasselbe zu verlöschen
pflegt; blieb also nichts davon übrig, als ein blosser
Schatten eines schwartzen Reise-Couffers, wel-
chen wir nicht länger anzusehen würdigten, sondern
uns in unsere Zimmer begaben, allwo wir alles, was
Athem hatte, im allertieffsten Schlafe fanden.
Meine Mutter war fast auf allen Vieren hinein ge-
krochen, ich aber nur froh, daß ich sie erstlich mit
Kummer und Noth auf ein Faul-Bette bringen
konte.

Den übrigen Theil der Nacht brachte ich noch

in
(o) 3

denn meine Mutter hatte kaum meinen Vater oder
deſſen Geſpenſt in die Augen gefaſſet gehabt, als ſie,
wie ſie ſich nachhero wohl zu beſinnen wuſte, augen-
blicklich wie ein Meel-Sack umgeſuncken war. Ja,
was noch mehr? ich faſſete mir ſo gar ein Hertze, mei-
nen Vater anzureden, und mich in ein kurtz Ge-
ſpraͤch mit ihm einzulaſſen; allein, indem ich die
Worte auf der Zunge hatte, kam er mir mit Reden
zuvor, und ſagte gegen uns beyde: Nun habt
ihr, nach eurem Wunſche, mich noch einmahl
geſehen in dieſer Welt, denn ich bin bereits
an einem andern Orte, als in der zeitlichen
Welt. Nehmet ohne Bedencken, was vor
euch allhier auf dem Saale ſtehen bleibt; ge-
dencket meiner im Beſten, und lebet wohl!

Unter dieſen letzten Worten loͤſcheten alle unſe-
re Lichter aus, auch ſo gar die, ſo ordentlicher Wei-
ſe auf dem Saale zu brennen pflegten, jedoch be-
merckten wir zu gleicher Zeit, daß das gantze Ge-
ſichte oder Gauckelſpiel des Satans eben ſo ge-
ſchwind und hurtig verſchwand, als man ein Licht
oder zwey auszublaſen, und daſſelbe zu verloͤſchen
pflegt; blieb alſo nichts davon uͤbrig, als ein bloſſer
Schatten eines ſchwartzen Reiſe-Couffers, wel-
chen wir nicht laͤnger anzuſehen wuͤrdigten, ſondern
uns in unſere Zimmer begaben, allwo wir alles, was
Athem hatte, im allertieffſten Schlafe fanden.
Meine Mutter war faſt auf allen Vieren hinein ge-
krochen, ich aber nur froh, daß ich ſie erſtlich mit
Kummer und Noth auf ein Faul-Bette bringen
konte.

Den uͤbrigen Theil der Nacht brachte ich noch

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[213/0223] denn meine Mutter hatte kaum meinen Vater oder deſſen Geſpenſt in die Augen gefaſſet gehabt, als ſie, wie ſie ſich nachhero wohl zu beſinnen wuſte, augen- blicklich wie ein Meel-Sack umgeſuncken war. Ja, was noch mehr? ich faſſete mir ſo gar ein Hertze, mei- nen Vater anzureden, und mich in ein kurtz Ge- ſpraͤch mit ihm einzulaſſen; allein, indem ich die Worte auf der Zunge hatte, kam er mir mit Reden zuvor, und ſagte gegen uns beyde: Nun habt ihr, nach eurem Wunſche, mich noch einmahl geſehen in dieſer Welt, denn ich bin bereits an einem andern Orte, als in der zeitlichen Welt. Nehmet ohne Bedencken, was vor euch allhier auf dem Saale ſtehen bleibt; ge- dencket meiner im Beſten, und lebet wohl! Unter dieſen letzten Worten loͤſcheten alle unſe- re Lichter aus, auch ſo gar die, ſo ordentlicher Wei- ſe auf dem Saale zu brennen pflegten, jedoch be- merckten wir zu gleicher Zeit, daß das gantze Ge- ſichte oder Gauckelſpiel des Satans eben ſo ge- ſchwind und hurtig verſchwand, als man ein Licht oder zwey auszublaſen, und daſſelbe zu verloͤſchen pflegt; blieb alſo nichts davon uͤbrig, als ein bloſſer Schatten eines ſchwartzen Reiſe-Couffers, wel- chen wir nicht laͤnger anzuſehen wuͤrdigten, ſondern uns in unſere Zimmer begaben, allwo wir alles, was Athem hatte, im allertieffſten Schlafe fanden. Meine Mutter war faſt auf allen Vieren hinein ge- krochen, ich aber nur froh, daß ich ſie erſtlich mit Kummer und Noth auf ein Faul-Bette bringen konte. Den uͤbrigen Theil der Nacht brachte ich noch in (o) 3

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/223>, abgerufen am 21.11.2024.