Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

gehen, wohin es ihr selbst beliebte, zumahlen, da sie
alle Abende wieder zu kommen, und uns zu besuchen
versprach.

Es verstrichen demnach nicht mehr, als 8. oder
10. Tage, als sie das erste mahl zurück kam, und
uns die traurige Nachricht brachte, daß mein lieber
Vater von einem Frantz-Manne, den er bey seiner
Maitraisse angetroffen, so zu sagen, meuchelmör-
derischer Weise ermordet worden, wessentwegen
auch der Mörder so gleich in gefängliche Hafft ge-
bracht worden; Hergegen lebte die Maitraisse lustig
und guter Dinge, und sähe sich nur bloß allein nach
unserm Vater um, ob derselbe den Geld-Sack bald
schickte, oder selbsten mit sich brächte. Es hatte mei-
ne Mutter diese Nachricht nicht allein in des Vaters,
sondern auch so gar in der Maitraisse Logis mit vie-
len Umständen vernommen, sich aber an beyden Or-
ten gantz und gar nicht darvor ausgegeben, als ob ihr
sonderlich viel daran gelegen wäre. Der Maitraisse
Schönheit konte sie nicht gnugsam beschreiben,
zweiffelte aber sehr, ob selbige nicht etwa eine falsche
Schmincke wäre, dem ohngeachtet schwur sie auch
in der ersten Hitze, ihren Hohn auch so gar mit Dar-
stellung ihres Lebens zu rächen, und nicht eher zu ru-
chen, biß die Canaille entleibt wäre.

Jch bath den Himmel mit bittern Thränen,
meiner Mutter diese Gedancken zu benehmen, allein
mein Gebet wurde in diesem Stücke dißmahl nicht
erhöret, denn wenig Tage hernach kam ihr der
Rummel auf einmahl wieder an, derowegen zohe
sie abermahls eins von meines Vaters käntlichen
Kleidern an, die ihr sehr wohl passeten, wie sie denn

in

gehen, wohin es ihr ſelbſt beliebte, zumahlen, da ſie
alle Abende wieder zu kommen, und uns zu beſuchen
verſprach.

Es verſtrichen demnach nicht mehr, als 8. oder
10. Tage, als ſie das erſte mahl zuruͤck kam, und
uns die traurige Nachricht brachte, daß mein lieber
Vater von einem Frantz-Manne, den er bey ſeiner
Maitraiſſe angetroffen, ſo zu ſagen, meuchelmoͤr-
deriſcher Weiſe ermordet worden, weſſentwegen
auch der Moͤrder ſo gleich in gefaͤngliche Hafft ge-
bracht worden; Hergegen lebte die Maitraiſſe luſtig
und guter Dinge, und ſaͤhe ſich nur bloß allein nach
unſerm Vater um, ob derſelbe den Geld-Sack bald
ſchickte, oder ſelbſten mit ſich braͤchte. Es hatte mei-
ne Mutter dieſe Nachricht nicht allein in des Vaters,
ſondern auch ſo gar in der Maitraiſſe Logis mit vie-
len Umſtaͤnden vernommen, ſich aber an beyden Or-
ten gantz und gar nicht darvor ausgegeben, als ob ihr
ſonderlich viel daran gelegen waͤre. Der Maitraiſſe
Schoͤnheit konte ſie nicht gnugſam beſchreiben,
zweiffelte aber ſehr, ob ſelbige nicht etwa eine falſche
Schmincke waͤre, dem ohngeachtet ſchwur ſie auch
in der erſten Hitze, ihren Hohn auch ſo gar mit Dar-
ſtellung ihres Lebens zu raͤchen, und nicht eher zu ru-
chen, biß die Canaille entleibt waͤre.

Jch bath den Himmel mit bittern Thraͤnen,
meiner Mutter dieſe Gedancken zu benehmen, allein
mein Gebet wurde in dieſem Stuͤcke dißmahl nicht
erhoͤret, denn wenig Tage hernach kam ihr der
Rummel auf einmahl wieder an, derowegen zohe
ſie abermahls eins von meines Vaters kaͤntlichen
Kleidern an, die ihr ſehr wohl paſſeten, wie ſie denn

in
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0226" n="216"/>
gehen, wohin es ihr &#x017F;elb&#x017F;t beliebte, zumahlen, da &#x017F;ie<lb/>
alle Abende wieder zu kommen, und uns zu be&#x017F;uchen<lb/>
ver&#x017F;prach.</p><lb/>
        <p>Es ver&#x017F;trichen demnach nicht mehr, als 8. oder<lb/>
10. Tage, als &#x017F;ie das er&#x017F;te mahl zuru&#x0364;ck kam, und<lb/>
uns die traurige Nachricht brachte, daß mein lieber<lb/>
Vater von einem Frantz-Manne, den er bey &#x017F;einer<lb/><hi rendition="#aq">Maitrai&#x017F;&#x017F;e</hi> angetroffen, &#x017F;o zu &#x017F;agen, meuchelmo&#x0364;r-<lb/>
deri&#x017F;cher Wei&#x017F;e ermordet worden, we&#x017F;&#x017F;entwegen<lb/>
auch der Mo&#x0364;rder &#x017F;o gleich in gefa&#x0364;ngliche Hafft ge-<lb/>
bracht worden; Hergegen lebte die <hi rendition="#aq">Maitrai&#x017F;&#x017F;e</hi> lu&#x017F;tig<lb/>
und guter Dinge, und &#x017F;a&#x0364;he &#x017F;ich nur bloß allein nach<lb/>
un&#x017F;erm Vater um, ob der&#x017F;elbe den Geld-Sack bald<lb/>
&#x017F;chickte, oder &#x017F;elb&#x017F;ten mit &#x017F;ich bra&#x0364;chte. Es hatte mei-<lb/>
ne Mutter die&#x017F;e Nachricht nicht allein in des Vaters,<lb/>
&#x017F;ondern auch &#x017F;o gar in der <hi rendition="#aq">Maitrai&#x017F;&#x017F;e Logis</hi> mit vie-<lb/>
len Um&#x017F;ta&#x0364;nden vernommen, &#x017F;ich aber an beyden Or-<lb/>
ten gantz und gar nicht darvor ausgegeben, als ob ihr<lb/>
&#x017F;onderlich viel daran gelegen wa&#x0364;re. Der <hi rendition="#aq">Maitrai&#x017F;&#x017F;e</hi><lb/>
Scho&#x0364;nheit konte &#x017F;ie nicht gnug&#x017F;am be&#x017F;chreiben,<lb/>
zweiffelte aber &#x017F;ehr, ob &#x017F;elbige nicht etwa eine fal&#x017F;che<lb/>
Schmincke wa&#x0364;re, dem ohngeachtet &#x017F;chwur &#x017F;ie auch<lb/>
in der er&#x017F;ten Hitze, ihren Hohn auch &#x017F;o gar mit Dar-<lb/>
&#x017F;tellung ihres Lebens zu ra&#x0364;chen, und nicht eher zu ru-<lb/>
chen, biß die <hi rendition="#aq">Canaille</hi> entleibt wa&#x0364;re.</p><lb/>
        <p>Jch bath den Himmel mit bittern Thra&#x0364;nen,<lb/>
meiner Mutter die&#x017F;e Gedancken zu benehmen, allein<lb/>
mein Gebet wurde in die&#x017F;em Stu&#x0364;cke dißmahl nicht<lb/>
erho&#x0364;ret, denn wenig Tage hernach kam ihr der<lb/>
Rummel auf einmahl wieder an, derowegen zohe<lb/>
&#x017F;ie abermahls eins von meines Vaters ka&#x0364;ntlichen<lb/>
Kleidern an, die ihr &#x017F;ehr wohl pa&#x017F;&#x017F;eten, wie &#x017F;ie denn<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">in</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[216/0226] gehen, wohin es ihr ſelbſt beliebte, zumahlen, da ſie alle Abende wieder zu kommen, und uns zu beſuchen verſprach. Es verſtrichen demnach nicht mehr, als 8. oder 10. Tage, als ſie das erſte mahl zuruͤck kam, und uns die traurige Nachricht brachte, daß mein lieber Vater von einem Frantz-Manne, den er bey ſeiner Maitraiſſe angetroffen, ſo zu ſagen, meuchelmoͤr- deriſcher Weiſe ermordet worden, weſſentwegen auch der Moͤrder ſo gleich in gefaͤngliche Hafft ge- bracht worden; Hergegen lebte die Maitraiſſe luſtig und guter Dinge, und ſaͤhe ſich nur bloß allein nach unſerm Vater um, ob derſelbe den Geld-Sack bald ſchickte, oder ſelbſten mit ſich braͤchte. Es hatte mei- ne Mutter dieſe Nachricht nicht allein in des Vaters, ſondern auch ſo gar in der Maitraiſſe Logis mit vie- len Umſtaͤnden vernommen, ſich aber an beyden Or- ten gantz und gar nicht darvor ausgegeben, als ob ihr ſonderlich viel daran gelegen waͤre. Der Maitraiſſe Schoͤnheit konte ſie nicht gnugſam beſchreiben, zweiffelte aber ſehr, ob ſelbige nicht etwa eine falſche Schmincke waͤre, dem ohngeachtet ſchwur ſie auch in der erſten Hitze, ihren Hohn auch ſo gar mit Dar- ſtellung ihres Lebens zu raͤchen, und nicht eher zu ru- chen, biß die Canaille entleibt waͤre. Jch bath den Himmel mit bittern Thraͤnen, meiner Mutter dieſe Gedancken zu benehmen, allein mein Gebet wurde in dieſem Stuͤcke dißmahl nicht erhoͤret, denn wenig Tage hernach kam ihr der Rummel auf einmahl wieder an, derowegen zohe ſie abermahls eins von meines Vaters kaͤntlichen Kleidern an, die ihr ſehr wohl paſſeten, wie ſie denn in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/226
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/226>, abgerufen am 21.11.2024.