Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

cken und Verdruß genung gehabt hätten. Ein ein-
tziger aber unter den Schild-Wächtern sagte den-
noch, wie ihm die Sache einiger Maassen verdäch-
tig vorkäme, indem er von Natur unter andern
100. ja 1000. Menschen ein solches scharffes Ge-
sicht hätte, daß er sonderlich bey der allerdunckelsten
Nacht, ohne Fern-Glaß, oder Perspectiv, so helle
sehen könte, wie man zu sagen pflegte, als ein
Luchs; und derowegen wäre ihm nicht einmahl,
sondern etliche mahl vor seine Augen gekommen,
wie einige Personen um das Feuer herum wan-
delten, als ob sie mit einander redeten, es möchten
nun Geister oder Gespenster seyn, darum wolle
er sich eben nicht so sehr bekümmern. Jndem wir
nun so bey ihm stunden, und seinen Reden zuhöre-
ten, versicherte er, bey seinem guten Gewissen, daß
er wenigstens 4. biß 5. Personen um das Feuer
herum spazieren sähe, da sich denn bald einige fun-
den, die ihm Beyfall gaben, die gantze Sache aber
vor ein blosses Schatten-Spiel hielten, welches
durch das Feuer und den Rauch verursacht würde.

Dem mochte nun aber seyn, wie ihm wolte,
so brachte mir dieses Gesichte eine schlaflose Nacht
zu Wege, und ich beschloß bey mir, ehe in kein
Bette zu kommen, oder geruhig zu schlaffen, biß ich
in Klein-Felsenburg auf der Stelle gewesen, wo
wir ohngefähr das grosse Feuer brennen sehen,
welches denn auch biß gegen Anbruch des Tages
fort brannte und rauchte. So bald viele von mei-
nen besten Freunden, und über dieses etliche 30.
hertzhaffte Junggesellen, oder, so zu sagen, Wa-
ge-Hälse meinen Vorsatz und Entschluß vernom-

men,

cken und Verdruß genung gehabt haͤtten. Ein ein-
tziger aber unter den Schild-Waͤchtern ſagte den-
noch, wie ihm die Sache einiger Maaſſen verdaͤch-
tig vorkaͤme, indem er von Natur unter andern
100. ja 1000. Menſchen ein ſolches ſcharffes Ge-
ſicht haͤtte, daß er ſonderlich bey der allerdunckelſten
Nacht, ohne Fern-Glaß, oder Perſpectiv, ſo helle
ſehen koͤnte, wie man zu ſagen pflegte, als ein
Luchs; und derowegen waͤre ihm nicht einmahl,
ſondern etliche mahl vor ſeine Augen gekommen,
wie einige Perſonen um das Feuer herum wan-
delten, als ob ſie mit einander redeten, es moͤchten
nun Geiſter oder Geſpenſter ſeyn, darum wolle
er ſich eben nicht ſo ſehr bekuͤmmern. Jndem wir
nun ſo bey ihm ſtunden, und ſeinen Reden zuhoͤre-
ten, verſicherte er, bey ſeinem guten Gewiſſen, daß
er wenigſtens 4. biß 5. Perſonen um das Feuer
herum ſpazieren ſaͤhe, da ſich denn bald einige fun-
den, die ihm Beyfall gaben, die gantze Sache aber
vor ein bloſſes Schatten-Spiel hielten, welches
durch das Feuer und den Rauch verurſacht wuͤrde.

Dem mochte nun aber ſeyn, wie ihm wolte,
ſo brachte mir dieſes Geſichte eine ſchlafloſe Nacht
zu Wege, und ich beſchloß bey mir, ehe in kein
Bette zu kommen, oder geruhig zu ſchlaffen, biß ich
in Klein-Felſenburg auf der Stelle geweſen, wo
wir ohngefaͤhr das groſſe Feuer brennen ſehen,
welches denn auch biß gegen Anbruch des Tages
fort brannte und rauchte. So bald viele von mei-
nen beſten Freunden, und uͤber dieſes etliche 30.
hertzhaffte Junggeſellen, oder, ſo zu ſagen, Wa-
ge-Haͤlſe meinen Vorſatz und Entſchluß vernom-

men,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0322" n="312"/>
cken und Verdruß genung gehabt ha&#x0364;tten. Ein ein-<lb/>
tziger aber unter den Schild-Wa&#x0364;chtern &#x017F;agte den-<lb/>
noch, wie ihm die Sache einiger Maa&#x017F;&#x017F;en verda&#x0364;ch-<lb/>
tig vorka&#x0364;me, indem er von Natur unter andern<lb/>
100. ja 1000. Men&#x017F;chen ein &#x017F;olches &#x017F;charffes Ge-<lb/>
&#x017F;icht ha&#x0364;tte, daß er &#x017F;onderlich bey der allerdunckel&#x017F;ten<lb/>
Nacht, ohne Fern-Glaß, oder <hi rendition="#aq">Per&#x017F;pectiv,</hi> &#x017F;o helle<lb/>
&#x017F;ehen ko&#x0364;nte, wie man zu &#x017F;agen pflegte, als ein<lb/>
Luchs; und derowegen wa&#x0364;re ihm nicht einmahl,<lb/>
&#x017F;ondern etliche mahl vor &#x017F;eine Augen gekommen,<lb/>
wie einige Per&#x017F;onen um das Feuer herum wan-<lb/>
delten, als ob &#x017F;ie mit einander redeten, es mo&#x0364;chten<lb/>
nun Gei&#x017F;ter oder Ge&#x017F;pen&#x017F;ter &#x017F;eyn, darum wolle<lb/>
er &#x017F;ich eben nicht &#x017F;o &#x017F;ehr beku&#x0364;mmern. Jndem wir<lb/>
nun &#x017F;o bey ihm &#x017F;tunden, und &#x017F;einen Reden zuho&#x0364;re-<lb/>
ten, ver&#x017F;icherte er, bey &#x017F;einem guten Gewi&#x017F;&#x017F;en, daß<lb/>
er wenig&#x017F;tens 4. biß 5. Per&#x017F;onen um das Feuer<lb/>
herum &#x017F;pazieren &#x017F;a&#x0364;he, da &#x017F;ich denn bald einige fun-<lb/>
den, die ihm Beyfall gaben, die gantze Sache aber<lb/>
vor ein blo&#x017F;&#x017F;es Schatten-Spiel hielten, welches<lb/>
durch das Feuer und den Rauch verur&#x017F;acht wu&#x0364;rde.</p><lb/>
        <p>Dem mochte nun aber &#x017F;eyn, wie ihm wolte,<lb/>
&#x017F;o brachte mir die&#x017F;es Ge&#x017F;ichte eine &#x017F;chlaflo&#x017F;e Nacht<lb/>
zu Wege, und ich be&#x017F;chloß bey mir, ehe in kein<lb/>
Bette zu kommen, oder geruhig zu &#x017F;chlaffen, biß ich<lb/>
in Klein-Fel&#x017F;enburg auf der Stelle gewe&#x017F;en, wo<lb/>
wir ohngefa&#x0364;hr das gro&#x017F;&#x017F;e Feuer brennen &#x017F;ehen,<lb/>
welches denn auch biß gegen Anbruch des Tages<lb/>
fort brannte und rauchte. So bald viele von mei-<lb/>
nen be&#x017F;ten Freunden, und u&#x0364;ber die&#x017F;es etliche 30.<lb/>
hertzhaffte Jungge&#x017F;ellen, oder, &#x017F;o zu &#x017F;agen, Wa-<lb/>
ge-Ha&#x0364;l&#x017F;e meinen Vor&#x017F;atz und Ent&#x017F;chluß vernom-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">men,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[312/0322] cken und Verdruß genung gehabt haͤtten. Ein ein- tziger aber unter den Schild-Waͤchtern ſagte den- noch, wie ihm die Sache einiger Maaſſen verdaͤch- tig vorkaͤme, indem er von Natur unter andern 100. ja 1000. Menſchen ein ſolches ſcharffes Ge- ſicht haͤtte, daß er ſonderlich bey der allerdunckelſten Nacht, ohne Fern-Glaß, oder Perſpectiv, ſo helle ſehen koͤnte, wie man zu ſagen pflegte, als ein Luchs; und derowegen waͤre ihm nicht einmahl, ſondern etliche mahl vor ſeine Augen gekommen, wie einige Perſonen um das Feuer herum wan- delten, als ob ſie mit einander redeten, es moͤchten nun Geiſter oder Geſpenſter ſeyn, darum wolle er ſich eben nicht ſo ſehr bekuͤmmern. Jndem wir nun ſo bey ihm ſtunden, und ſeinen Reden zuhoͤre- ten, verſicherte er, bey ſeinem guten Gewiſſen, daß er wenigſtens 4. biß 5. Perſonen um das Feuer herum ſpazieren ſaͤhe, da ſich denn bald einige fun- den, die ihm Beyfall gaben, die gantze Sache aber vor ein bloſſes Schatten-Spiel hielten, welches durch das Feuer und den Rauch verurſacht wuͤrde. Dem mochte nun aber ſeyn, wie ihm wolte, ſo brachte mir dieſes Geſichte eine ſchlafloſe Nacht zu Wege, und ich beſchloß bey mir, ehe in kein Bette zu kommen, oder geruhig zu ſchlaffen, biß ich in Klein-Felſenburg auf der Stelle geweſen, wo wir ohngefaͤhr das groſſe Feuer brennen ſehen, welches denn auch biß gegen Anbruch des Tages fort brannte und rauchte. So bald viele von mei- nen beſten Freunden, und uͤber dieſes etliche 30. hertzhaffte Junggeſellen, oder, ſo zu ſagen, Wa- ge-Haͤlſe meinen Vorſatz und Entſchluß vernom- men,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/322
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/322>, abgerufen am 24.11.2024.